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Soundtrack Board

Sebastian Schwittay

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Alle Inhalte von Sebastian Schwittay

  1. Ich habe Williams' Musik in den letzten vier Tagen einige Male angehört - und um es gleich zu Beginn schon mal ganz ehrlich zusammenzufassen: ich habe keinerlei Beziehung zur Musik aufbauen können. Aber mal ganz von vorn: Insgesamt ist Williams, ohne Frage, eine gute Musik gelungen. "Rey's Theme" ist das Herzstück des Scores, nahezu omnipräsent und ein wirklich schönes Thema - clever, wie Williams es ans Force-Thema anlehnt und somit sofort nahtlos in den Melodien-Kanon der Saga integriert. Mir persönlich gefällt auch der leicht exotisch anmutende Einschlag des Introduktionsmotivs, das hat fast Goldsmith-Flair. Der neue "March of the Resistance" überrascht in seiner Grimmigkeit - es klingt eigentlich kaum nach einem Thema für die "Guten". Auch hier: ein feines neues Thema, vielleicht etwas konventioneller als das Rey-Thema, aber nach einigen Hördurchgängen offenbaren sich auch hier Ohrwurmqualitäten. Und zu guter Letzt Kylo Ren: sein Fünf-Noten-Motiv ist unscheinbar, aber ich bin mir sicher, dass Williams dieses Motiv einer Evolution unterzieht und es in den kommenden Teilen weiter ausarbeitet. Die neue Actionmusik folgt dem entschlackten Idiom des Williams-Spätwerks: kleinteilig, anspruchsvoll, ohne große Pracht. Beachtlich, wie Williams die Stücke "Follow Me", "The Falcon", "The Girl with that Staff" und "The Rathtars!" durch stetige, kohärente Motivarbeit zu einer langen, kontinuierlichen musikalischen Sequenz verbindet. Ein kleines Novum im Star-Wars-Kosmos ist der neo-barocke Fugato-Charakter der Musik in Stücken wie "Scherzo for X-Wings" oder auch im Marsch für die Resistance. Magdi Aboul-Kheir beschreibt es im Cinemusic-Forum als regelrechtes Workout, was Williams im Scherzo mit dem altbekannten Fanfarenthema anstellt - und das kann ich nur unterstreichen. Und letzten Endes stehen diese formalen, satztechnischen Fugato-Spielereien vielleicht symptomatisch für das, was mich an der Musik so furchtbar kalt lässt. Abgesehen von seinen objektiven Qualitäten ist das alles ein unterkühltes, abgezirkeltes, technokratisches Gehabe, ein professioneller, kalter Dienst am Franchise, ein souverän gestaltes künstlerisches Nichts. Eine Musik ohne Feuer, ohne große Leidenschaft - der ungestüme Drang der Original-Musiken, der teilweise auch noch die Musik zu EPISODE I oder das Liebesthema aus EPISODE II umwehte, ist nur noch in Ansätzen zu spüren. Mir war klar, dass man keine ausufernde EMPIRE STRIKES BACK-Romantik mehr erwarten konnte - aber ich hätte nicht gedacht, dass aus der Musik nicht mal mehr die ausgelassene Freude am Abenteuer spricht. "Rey's Theme" ist echt schön, ein mustergültiges Star-Wars-Thema, echte Qualitätsarbeit, aber doch: es fühlt sich an wie eine Hülle, in deren Kern nur ein Sammelsticker, ein Abziehbild einer echten Empfindung steckt. Ich werde die CD wohl Ende Dezember ins Regal zurück stellen und die Musik anerkennend abhaken. Und dann höre ich mir wieder INDIANA JONES 4 an, und erfreue mich an der Freude, die Williams beim Schreiben dieser Musik sichtlich hatte. Zu THE FORCE AWAKENS bleibt dann mein persönliches Fazit: die respektable, eiskalte Leistung eines Meisters. But no love for that.
  2. Ich würde ihm ja auch gern zuerst Ives, Schostakowitsch und Adams empfehlen - aber ohne Kenntnis der klassisch-romantischen Epoche versteht man eben auch die modernen Klassiker nur halb. Die Evolution der Sonatensatzform in der Sinfonie und der Konflikt zwischen absoluter und programmatischer Musik werte ich schon als essentielle historische Hintergründe für die Beschäftigung mit Schostakowitsch, Bartók und Konsorten. Zumindest, wenn man die Musik auch irgendwie verstehen und einordnen, und nicht nur zur reinen Unterhaltung hören möchte.
  3. Ich weiß, war ja auch irgendwie schön korrekt formuliert. Trotzdem, die in Filmmusik-Kreisen allzu seltene Forderung nach Neuem als "Trend" darzustellen, der einen nervt (und dem man sich dann auch entgegenstellt), finde ich falsch. Es gibt immer noch viel zu wenig originelle, ungewöhnliche Ansätze, schon gar nicht im Blockbuster-Kino. Da kann man eigentlich gar nicht genug nach Neuem schreien. Und wer diese Minderheiten-Forderung dann auch noch mit einem "nervt mich mittlerweile tierisch" quittiert, der kann irgendwie nicht so richtig für Vielfalt sein, oder? Der erste Morricone-Westernscore seit langem, und dann ist es düstere "Spannungsmusik". Das passt nicht in die Welt des gemeinen Filmmusik-Fans. Ach, ohne wirre Konzepte wäre die Kunst doch so viel langweiliger. Ich habe lieber ein wirres Konzept als ein dauerndes, unhinterfragtes Schwelgen in der Tradition. Aber ich verstehe, was du meinst. Von einem astrologisch-esoterischen Stockhausen-Mammutwerk mag man halten, was man will, aber irgendwie ist das für mich auch die Ausnahme. Die Spektralmusik von Gérard Grisey, die Klangkompositionen Pendereckis oder (früher) Edgar Varèses oder auch die poetischen, klangsinnlichen Werke zeitgenössischer Osteuropäer wie György Kurtág, das alles sind Geräuschmusiken, die ich mir mit höchstem Genuss anhören kann und die ich (im Gegensatz zu manch konventioneller Williams-Filmmusik) niemals missen möchte. Nix abgehoben, nix verkopft-verstiegen. Einfach nur aufregende, wundersame Musik, vor der man staunen kann wie ein kleines Kind.
  4. Schön, wenn sich ein Mainstream-Projekt wie STAR WARS auch positiv auf die randständigere (schlimmstenfalls unterschlagene) Filmkultur auswirkt: http://www.schnittberichte.com/news.php?ID=9928
  5. Du hattest geschrieben, dass du es nicht verstehen kannst, wie man bei STAR WARS unbedingt etwas Neues erwarten kann. (Stimme ich so weit übrigens zu, ich erwarte bei STAR WARS auch nichts, was über das traditionelle Williams-Idiom hinaus geht.) Dann aber hängst du noch den Satz "Der Ruf nach Neuem nervt mich sowieso tierisch." an - das klingt dann schon nach einer allgemeineren Einstellung, finde ich. Und ich glaube auch nicht, dass ich mit dieser Interpretation deiner Worte besonders falsch liege. Selbst aus Bonekings Beitrag spricht die wohlbekannte, ablehnende Haltung gegenüber Neuer Musik, gerade wenn von "abgehobener Geräuschmusik" gesprochen wird. Was ist an Geräuschmusik abgehoben? Ich finde es unglaublich schade, dass die Musik jenseits der Spätromantik immer noch als so elitär angesehen wird, statt sie einfach als integralen Bestandteil musikalischen Ausdrucks zu sehen. Und dass gerade die Filmmusik-Enthusiasten die wohl unaufgeschlossenste Spezies unter allen Musikliebhabern ist, finde ich besonders traurig. Zeigt sich ja gerade wieder nebenan bei THE HATEFUL EIGHT.
  6. Momentan würde ich am ehesten zu Morricone halten, zumindest der erste Track hat mir schon mal gut gefallen. Wenn der Rest ähnlich grimmig-düster weitergeht, könnte das - entgegen meiner Erwartungen - ein Jahres-Favorit von mir werden. Ansonsten: SICARIO war zumindest im Film toll. Hat aber sicher keine Chance. Mal die Burwell-Sachen austesten.
  7. Ich würde von solchen Gassenhauer-Zusammenstellungen wirklich dringend abraten - das hat als Orientierung ungefähr so viel Wert wie ein Klingelton-Katalog.
  8. Und meiner TORA! TORA! TORA! - und mit STAR TREK konnte ich nie was anfangen, so gut der erste Score auch sein mag.
  9. Ich würde die vorklassische Musik mal hinten anstellen und mit den Sinfonien des 19. Jahrhunderts (ausgehend von Beethoven) anfangen. Leg dir die Dritte, Fünfte, Siebte und Neunte von Beethoven zu, und geh dann über Schubert (Unvollendete) zu Brahms (Vierte). Dann nimm dir die Programmmusik vor, die quasi den Gegenpol zur "absoluten Musik" der oben genannten Sinfonien bildet: Musik, die außermusikalische Programme ausdrückt. Hör dir Berlioz (Symphonie fantastique), ein bisschen was von Liszt und schließlich die sinfonischen Dichtungen von Richard Strauss an. Damit hättest du das 19. Jahrhundert schon mal im Groben überblickt. Am Übergang zum 20. Jahrhundert steht die Erweiterung und langsame Auflösung der Dur/moll-Tonalität. Hier empfehle ich auf der einen Seite die impressionistischen Werke Debussys (Nocturnes, La Mer), auf der anderen Seite die späten Sinfonien von Mahler (Neunte!) und von Schönberg das Streichsextett "Verklärte Nacht". Dann kannst du mal die freie Atonalität antesten (ebenfalls Schönberg: Fünf Orchesterstücke op. 16) und später die Zwölftonmusik (Suite für Klavier op. 25). Von da aus schlägt die Musik des 20. Jahrhunderts unzählige unterschiedliche Wege ein, die man sich in Ruhe nach und nach erschließen sollte. Dazu dann gerne an späterer Stelle mehr.
  10. Finde ich sehr schade, dass gerade du als Komponist eine so innovationsfeindliche Einstellung an den Tag legst. Gerade Künstler sollten doch eigentlich am aufgeschlossensten sein und interessiert an einem möglichst breiten, vielgestaltigen Spektrum künstlerischer Ausdrucksweisen.
  11. Schade um THE REVENANT. Kenne ihn zwar noch nicht, aber von dem erwarte ich mir durchaus was.
  12. Eben. Schnell durchlaufen lassen und dann in acht Minuten einen vagen Eindruck hingeschmiert. Man will ja unbedingt der erste sein. Leute, gewöhnt euch diese Review-Schnellschüsse ab. Klar, dass man keine Themen erkennt, wenn man einmal schnell drüber hört.
  13. Wie kann man einen 77-minütigen Score um 15:05 Uhr anschmeißen und bereits um 16:25 eine stichfeste Einschätzung zur Musik abgeben?
  14. Leider nicht in Deutschland verfügbar. Mag das mal jemand beschreiben, der die GEMA-Sperre überbrücken kann?
  15. Vom ersten ANATOMIE habe ich die Promo, von Ruhland signiert. Mag den Score sehr gerne, daher greife ich hier zu.
  16. Für mich jetzt umso interessanter. Leider schreibt Folk nur, was es alles in der Musik NICHT gibt - mich würde ja mal interessieren, was es konkret zu hören gab. Streichorchester? Elektronik? Collage?
  17. Jetzt fängt auch schon Quartet mit diesen sinnlosen Expandierungen an. (PS: In meinen Augen/Ohren war schon die Varèse-Deluxe-Ausgabe zu lang. Aber ich finde den Score generell arg überschätzt.)
  18. Wenn Williams ein 60-Minuten-Album konzipiert und dabei viel benutzt, was so nicht im Film zu hören ist (Konzert-Arrangements?), wird das schon seinen musikdramaturgischen Grund haben. Ich vertraue da eher dem Komponisten als dem reflexhaften Geschrei der Fans nach einem Doppel-und-Dreifach-CD-Set.
  19. Der Pemberton ist gesichtsloses Underscoring, aber die sonstige Auswahl finde ich nicht uninteressant. In THE REVENANT liegen alle meine Hoffnungen für den Rest des Jahres, und die Burwell-Morricone-Desplat-Kombi erfrischt mich gerade auch irgendwie. Jedes Jahr uninteressanter? Ich sehe diesen Trend so nicht.
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