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Angus Gunn

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  1. In seinem zweiten Leinwandeinsatz gegen den organisierten Drogenhandel führt Kommissar Rizzo die Spur nach Bangkok und Hongkong. Ihm zur Seite steht der Amerikaner Barella (Al Lettieri) und ein kleiner Waisenjunge namens Yoko, dessen Mutter vom Kartell getötet wurde. Obwohl die Story eigentlich ganz brauchbar ist und mit dem Jungen Yoko auch eine anrührende Nebenhandlung erzählt wird, ist der Nachfolger (und das gilt auch für die folgenden Teile) längst nicht mehr so stimmig wie es der Origianlfilm war. Zu bemüht auf Prügelklamauk ist die Inszenierung ausgerichtet, die aber immerhin nette exotische Schauplätze bietet. Eingerahmt wird der Score natürlich wieder vom entspannten Piedone-Thema. Das urbane Getümmel exotischer Großstädte findet seine Entsprechung im orchestral-funkigen "Piedone a Hongkong" und in "Silkin Street". Dazwischen tummeln sich Tracks mit exotischem Einschlag, vor allem der mit fernöstlichem Istrumentarium eingespielte "Antichi Templi" mit seinem mystischen Flair weiß zu gefallen. Ansonsten gibt es jede Menge handfester Action- und Suspense-Krimimusik, vom gemächlichen "Appostamento" bis zum wilden "Inseguimento". Klasse Score, der auch wieder wenig Hinweise gibt, dass es sich hierbei um eine Komödie handelt. Seltsam, dass hierzu (wie auch zu den nachfolgenden Teilen) damals keine Langspielplatte angeboten wurde, sondern lediglich eine Single. Material wäre genügend vorhanden gewesen.
  2. Kommissar Rizzo ist ein alter Hase bei der neapolitanischen Polizei. Er hält wenig von Schußwaffengebrauch, drückt bei kleinen Gaunereien gerne ein Auge zu und bekommt aufgrund seiner eigenwilligen Methoden stets Ärger mit seinem Vorgesetzten, der ihn vorübergehend sogar vom Dienst suspendiert. Trotzdem ermittelt er gegen eine skrupellos agierende Rauschgiftbande. SIE NANNTEN IHN PLATTFUß ist eine komödiantische Variante des "Poliziotteschi", des italienischen Polizeifilms der 70er Jahre, ironischerweise inszeniert von Stefano Vanzina, der dem Genre nur ein Jahr zuvor mit "Das Syndikat" maßgeblich den Weg geebnet hat. Auch PIEDONE LO SBIRRO hält sich mit Klamauk noch weitgehend zurück und erzählt seine im Grunde ernsthafte, zum Teil sogar recht brutale Handlung um Drogenhandel in Neapel mit gut inszenierten Actionszenen und erlaubt seinem Hauptdarsteller auch Emotionen zu zeigen. Für mich Bud Spencers bester Alleingang. Viel Freude macht auch die Filmmusik-CD, die mit den Tracks 1-10 zunächst das ursprüngliche Album präsentiert. Das Piedone-Thema ist natürlich auf den Rizzo-Charakter zugeschnitten und fließt wunderbar sanft durchs Ohr. Es taucht später noch in einer wehmütigen Variante mit Flöte und Gitarre auf ("Piedone is sad"), die in den emotional berührenden Szenen eingesetzt wird. Daneben sind es vor allem die groovigen Source-Music-Tracks, die einen Großteil des Albums ausmachen. Von diesen hat vor allem das eingängige "Piedone e Ferramonti" einen starken Score-Charakter und könnte glatt als eigenständiges Poliziotteschi-Hauptthema durchgehen. Die angehängten Bonus-Tracks (11-20) bieten alternative Versionen, eine hübsche Modifikation des Hauptthemas mit Akkordeon und vor allem mehr vom suspensebezogenen Score. Was auf der CD aus rechtlichen Gründen fehlt ist die eigentliche Titelmusik, bei der das Piedone-Thema von Santo & Johnny auf der Steel Guitar interpretiert wird, ein seinerzeit sehr populäres Künster-Duo. Diese Aufnahme findet sich nach wie vor nur auf einer 1973 erschienen Single, während auf der LP (und somit auch auf der CD) die von De Angelis mit Akustikgitarre eingespielte LP-Version zu finden ist.
  3. Jeder bescheißt jeden in diesem rustikalen, prügelfreudigen Western-Klamauk um echte und falsche Goldminen. Ob das alles nun auch lustig ist, kann jeder für sich selbst entscheiden. In einem gut besetzten Kino der 70er Jahre war das sicherlich eine vergnügliche Sache, zumal das Handwerkliche, wie immer bei Regisseur Castellari, stimmt. Das Titelstück SOUNDS AND VOICES setzt sich mit seinem Gitarren- und Schlagzeugrhythmus, der weiblichen Vokal-Begleitung und der attraktiven Melodie unmittelbar im Gehörgang fest. Von diesem Thema folgen nicht weniger pfiffige Varianten mit Banjo, Mundharmonika oder Klavier. In den SQUARE-DANCE-Tracks spiegelt sich der Klamauk-Anteil wieder, mal als beschwingter Saloon-Tanz, mal mit kindisch-kalauernden Motiven, bei denen man sich ein breites Grinsen kaum verkneifen kann. Highlight ist aber WENDY, ein wirklich hübsches, verspielt-romantisches Thema für das weibliche Gauner-Duo, bei dem dann auch mal die Streicher einsetzen. Auch wenn der Titeltrack mehrmals in unterschiedlicher Länge wiederholt wird, ein größtenteils amüsantes, originelles Album, das alleine schon wegen WENDY ins Regal gehört.
  4. Zwei Komödien aus den Jahren 1977 bzw. 1979 deren gemeinsames Merkmal unter anderem der Schauspieler Renato Pozzetto ist, in der Commedia Italiano zu der Zeit ein oft gesehenes Gesicht. TRE TIGRI CONTRO TRE TIGRI besticht mit einem außerordentlich unterhaltsamen Score mit orchestral ausgebauten Folklore-Themen. Schon der Eröffnungstrack erfreut mit Saxophon, Tango-Rhythmus und einem mittendrin drauflosknödelnden Operettentenor. Es folgen beschwingte Stücke mit ansteckend vergnügter Akkordeon-Begleitung, ein episch angehauchter Track mit Streichern über Trommelrythmen, skurrilen Suspense, eine hektische Verfolgungsjagd bei der vor allem das Schlagwerk gefordert ist und auch mal ein kurzes melancholisches Zwischenspiel. In AGENZIA RICCARDO FINZI PRATICAMENTE DETECTIVE wird dem Titelhelden ein wiederum sehr einprägsames, zum Mitpfeifen animierendes Thema von augenzwinkernder Lässigkeit an die Seite gestellt. So gehört sich das für einen Comedy-Detektiv-Charakter. Selbiges Thema durchzieht als roter Faden die 11 Tracks, wobei mir vor allem die langsamere Blues-Version in Track 15 gefällt. Die Suspense-Anteile könnten dagegen auch einem ernsthaften Poliziotteschi jener Tage entsprungen sein. So begegnet uns mehrmals ein simples Spannungsmotiv, das vor allem in Track 20 zum mitreißend-funkigen Actionthema hochkocht. Für De-Angelis-Fans eine prächtige CD ohne nennenswerte Schwächen.
  5. Ja, an diese Reihe hatte ich auch gedacht, und daran auch damals gewisse Hoffnungen bezüglich Eichhorn geknüpft. Wirklich ein Jammer.
  6. Bernhard Eichhorn: SCHLOSS HUBERTUS Mal wieder Zeit für einen unveröffentlichten Score aus deutschen Landen. So kitschig und zugegebenermaßen auch langweilig die Ganghofer-Verfilmung SCHLOSS HUBERTUS auch sein mag - die Musik von Bernhard Eichhorn ist grandios, dynamisch, mitreißend. Ich weiß nicht, warum es niemals einen Musik-Querschnitt durch das Schaffen dieses Komponisten gegeben hat. Eichhorn hat bis in die 70er Jahre hinein so viel gemacht, vor allem für Käutner. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es dazu nichts mehr in den Archiven gibt.
  7. THE FOG war bei mir auch in der engeren Wahl. REEL 9 mag sicher das "horribelste" Stück des Albums sein, aber ich finde auch alle anderen wirklich schön und atmosphärisch perfekt auf dem Punkt. Gerade die Abspannmusik hat mir seinerzeit sehr gefallen. Dieses geheimnisvolle, aber auch melancholische Thema mit dem unablässig-klopfenden (Klangholz)-Takt. Als ich mir damals als Jugendlicher die Schallplatte gekauft hatte, habe ich sie rauf- und runtergespielt, auch wenn ich zuerst etwas irritiert war wegen der kleinen Änderungen. Damals hatte ich noch keine Ahnung von Film- und Albumversion. Auch die Abspannmusik hätte ich gerne in der gleichen Schlichtheit gehabt, wie sie mir vom Film her vertraut war. Statt dessen war sie etwas mehr herausgeputzt und auch noch als TITELMUSIK auf der Schallplatte ausgewiesen (es war die deutsche Colosseum-Pressung), was mich noch jahrelang verwirrt hat. Sehr treffend finde ich die Formulierung im Silva-Booklet: "The music for THE FOG is cloaked in an aura of beauty." So sehe ich das auch.
  8. Hugo Friedhofer: THE HARDER THEY FALL Nicht jeder Schauspielerlegende ist eine würdevolle Abschiedsvorstellung von der Leinwand (und aus dem Leben) vergönnt. Im Fall von Humphrey Bogart besteht in dieser Hinsicht aber kein Grund zur Klage, handelt es sich bei SCHMUTZIGER LORBEER doch um ein durch und durch starkes, von Mark Robson straff und kompetent inszeniertes Milieu-Drama, das allerdings trotz seiner hohen Qualität wenig beachtet zu werden scheint. Es geht um den naiven Amateur-Boxer Toro Moreno, der zwar eine beeindruckende Statur hat, aber als Boxer wenig Talent besitzt. Sein Manager ist der skrupellose Ned Benko (Rod Steiger), der sein Vermögen mit fingierten Boxkämpfen gemacht hat, und der auch Toro auf diese Weise zum umjubelten Champion aufbaut. Sportreporter Eddie Willis (Bogart) kämpft mit seinem Gewissen, als er bemerkt, dass Toro eiskalt ausgenutzt und um seinen Anteil betrogen werden soll. Ein wahrlich unglamouröser, ernüchternder Blick hinter die Kulissen, mit einem wie immer großartig aufspielenden Rod Steiger, dem als gewissenloser Benko keine Methode zu brutal ist, seinen Sportlern ihren persönlichen Ehrgeiz auszutreiben. Unglamourös ist auch die Musik von Hugo Friedhofer, die einen für ihn nicht ungewöhnlichen, unterkühlten Charakter hat. Da sie bisher nirgendwo veröffentlicht worden ist, habe ich die Musik der ersten vier Minuten mal hochgeladen. Man beachte auch das prägnante Trompetenmotiv (etwa bei 2.20), als Bogart erstmals auf der Bildfläche erscheint und dass seinen Charakter auf sehr subtile Weise hervorhebt.
  9. Für mich wäre es EYE OF THE DEVIL von Gary McFarland. Harfensolo, gespenstische Chöre, Jagdhornmotive, voll ausgeschöpftes Orchester und ein ganz eigenwilliges Flair. Melancholisch, schaurig, beklemmend, bisweilen aggressiv. Dramatische Höhepunkte sind Track 9 (The Grave in the Forest) als Deborah Kerr im Wald von Kuttenträgern umzingelt wird, und natürlich der finale Opfergang David Nivens (Track 14, 15, 16) bei dem sich auch der Score mit einem unablässig sich im Kreis drehenden Motiv orgiastisch steigert. Ist aber eine schwere Wahl, und, wie schon jemand angemerkt hat, auch ein Stück weit tagesabhängig.
  10. Ist das der mit der Kletterei auf der Autokinoleinwand? Den habe ich mal gesehen, ist aber schon 20 Jahre her. Bei Boisset klaffen bei mir sowieso noch riesige Lücken, aber es fehlt ja auch noch eine Menge von ihm auf dem DVD-Markt.
  11. Das ist mir auch aufgefallen. Ich habe hier die alte DVD, die nur die deutsche Kinofassung enthält. Bei dieser Verfolgungsjagd gibt es auch ein paar Sekunden vorher schon einen sehr merkwürdigen Schnitt. Ich denke aber, das sind keine beabsichtigten Kürzung, sondern Filmrisse. Da fehlen einfach ein paar Sekunden in der Kopie. Das sieht man auch an den Verschmutzungen rund um die Schnittstellen und die holprigen Tonsprünge. Ich finde dieses authentische Zelluloid-Flair allerdings gerade bei solchen Filmen sehr angenehm. Und die deutschen Vorspanntitel haben auch ihr ganz eigenes Flair, selbst wenn es in diesem Fall der Titel einer späteren Wiederaufführung ist (Buddy fängt nur große Fische).
  12. Eben. Und daran hapert es bei mir leider. Hatte zwar mal zwei Jahre französisch in der Schule, aber ich glaube, heute könnte ich nichtmal mehr in Frankreich eine Currywurst bestellen. David Raksin: FALLEN ANGEL Den abgebrannten Presseagenten Eric Stanton (Dana Andrews) verschlägt es in eine kleine Küstenstadt. In einem Diner bestellt er sich von seinem letzten Geld einen Imbiss. Umschwärmte Attraktion in diesem Lokal ist die Kellnerin Stella (Linda Darnell). Um an Geld zu kommen, übernimmt Eric ein wenig PR-Arbeit für die Bühnenshow von Professor Madley, der in der Stadt als Wahrsager auftritt. Dabei lernt er die aus wohlhabendem Hause stammende June Mills (Alice Faye) kennen, die sich sofort für ihn interessiert. Eric ist seinerseits hinter Stella her, doch die stellt finanzielle Ansprüche, bevor sie sich mit ihm einläßt. Daraufhin wendet er sich wieder June zu, in der Absicht sie nach der Hochzeit um ihr Erbe zu prellen. Doch seine Pläne zerfasern, als Stella ermordet wird. Premingers zweiter Noir mit Dana Andrews ist wiedermal ein Meisterwerk. Linda Darnell kommt die Rolle der Femme Fatale zu, obwohl sie zwar moralisch fragwürdig, aber nicht vorsätzlich böse handelt. Alice Fayes Charakter ist hier der unschuldige, tugendhafte Gegenpol inmitten der sie umgebenden Verkommenheit. Und in diesem Zusammenhang ist auch die Filmmusik interessant. Raksin ignoriert nämlich fast völlig die Dramatik, die in dieser fatalen Dreiecksbeziehung liegt. Er beginnt mit einer packenden, aber neutralen Overtüre und begleitet die folgende Tragödie dann mit dem bluesigen "Slowly", das mal instrumental und mal in gesungener Form aus den Lautsprechern des Diners kommt. Score im eigentlichen Sinne gibt es sehr wenig, und wenn, dann als säuselndes Liebesthema für die Beziehung zwischen Eric und June. Und genau so läßt Raksin den Film auch ausklingen, mit den sämigen Schußakkorden seines "Slowly"-Songs, obwohl das Ende eigentlich ein Ende mit sehr bitterem Beigeschmack ist. Doch das spiegelt sich nicht in der Musik wieder, die sich wie ein sarkastischer Kommentar auf ein vergiftetes Happy-End ausnimmt. Sehr wirkungsvoll. Der Score ist erstmals auf dem PREMINGER-AT-FOX-Set (meiner Meinung nach eine von Kritzerlands Großtaten) erschienen und enthält auch eine im Film nicht verwendete, von Alice Faye gesungene Version von "Slowly". There is nothing quite like Raksin in noir mode and FALLEN ANGEL is a Raksin classic.
  13. Nach dem französischen Film habe ich mich vor einiger Zeit schonmal umgesehen. Aber der ist wohl nach wie vor nicht zu beschaffen. Eine japanische Version brauche ich weniger, und in einer Romantic-Comedy-Fassung möchte ich die Geschichte eigentlich auch nicht erleben.
  14. Französischer Pantoffelkino-Abend: DER MAULWURF (1982) In einer Straßenbahn mitten in Zürich wird ein Mann von Terrorsiten erschossen. Es stellt sich heraus, dass dieser Mann für einen französischen Spionagering gearbeitet hat. Spionage-Vergangenheit hat auch Sebastien Grenier (Lino Ventura), der sich aus dem Geschäft zurückgezogen hat und nun als Anlageberater arbeitet. Er wird von einem jovial auftretenden, aber nebulösen Staatsbeamten (Michel Piccoli) kontaktiert, der ihn auffordert, die Arbeit des Getöteten fortzusetzen. Außerdem habe Greniers Lebensgefährtin Kontakte zu linksradikalen Kreisen. Weitere Anschläge folgen, und Grenier gerät in ein undurchsichtiges Spionage-Komplott. Französische Filme haben oft einen auffallend naturalistischen Anstrich und eine ganz eigene Atmosphäre. So auch hier. Trotz seiner relativen Aktionsarmut fesselt DER MAULWURF mit einer interessanten Geschichte, glaubwürdigen Charakteren, starken Dialogen und einer sicheren Regie (Yves Boisset) mit Sinn fürs richtige Timing. Actionszenen gibt es wenige, und wenn, dann sind sie kurz, impulsiv und niemals selbstzweckhaft. Dass Greniers Ermittlungen irgendwann in eine rein persönliche Angelegenheit umschlagen, ist eigentlich nur eine Frage der Zeit. So kommt es dann auch. Aber es ist kein Hollywood-Kino, und das Ausleben privater Rachegedanken könnte eventuell ein bitteres Ende nehmen. Starker Film! Den melancholisch-düsteren Morricone-Score mit dem stampfenden Marsch mochte ich immer schon sehr gerne. DER ERBARMUNGSLOSE (1970) Im Gegensatz zum "Maulwurf" besitzt LA HORSE eine denkbar übersichtliche Handlung. Gutsbesitzer Maroilleur (Jean Gabin) führt ein strenges Regiment auf dem Familien-Bauernhof. Ausgerechnet hier deponieren Rauschgifthändler ihr Heroin-Paket. Das läßt sich "der Alte", wie er überall genannt wird, nicht gefallen. Er sieht rot, schüttet das Heroin (Slang-Ausdruck: Horse) weg und legt sich mit der Bande an. Mal abgesehen von seinen formalen Qualitäten tut sich der Film durch seine eindeutige Stellungnahme hervor. Das Leben ist sicherlich nicht leicht unter der Fuchtel des verknöcherten, stockkonservativen, aber bedingungslos prinzipientreuen Maroilleur. Doch wenn es darauf ankommt, ist auf ihn Verlaß. Familie und Besitz verteidigt er bis aufs Blut gegen den Feind von Außen, wozu sein Anhang kaum fähig zu sein scheint. Insbesondere sein Enkel Henri ist als verweichlichter 68er-Spross gezeichnet, dem man nichtmal die Verantwortung über den Gartenteich zutrauen würde. Eine simple Geschichte, die aber ihre Aktualität nicht verliert, und die auch und gerade heute auf die politische Situation angewandt werden kann und zur Diskussion herausfordert. Interessant und stimmig umgesetzt.
  15. NO MAN OF HER OWN (1950) Die Musik von Hugo Friedhofer habe ich weiter oben schon gewürdigt. Dieser Tage habe ich nun auch den Film gesehen und möchte dazu auch ein paar Zeilen verfassen. Es geht also um die schwangere Helen Ferguson, die von ihrem Freund sitzengelassen wird. Er speist sie zynisch mit einem Zugticket ab. Ihr Leben liegt in Scherben. Auf der Fahrt nach New York kommt es zu einem schweren Zugunglück. Helen überlebt, bringt im Krankenhaus ihr Kind zur Welt und ergreift die Chance, die Identität einer Toten anzunehmen, mit der sie sich vorher im Zug bekannt gemacht hatte. Als Patrice Harkness wird sie nun von der Familie ihres ebenfalls bei der Katastrophe umgekommenen "Ehemannes", die ihre "Schwiegertochter" nun zum ersten Mal sehen, sehr liebevoll aufgenommen. Als ihr Ex dahinterkommt, beginnt er sie zu erpressen. Die Handlung ist vielschichter, als ich es hier wiedergebe, und der Film hat mich wirklich begeistert. Elegant inszeniert, und spannend von der ersten bis zur letzten Minute, obwohl sich der noir-typische Erpressungsplot erst im letzten Drittel ergibt. Barbara Stanwyck ist phantastisch in der Rolle der verzweifelten Mutter, die nicht nur emotional von einer Stresssituation in die nächste gerät. Lyle Bettger ist als ihr Ex-Freund an Kaltschnäuzigkeit schwer zu überbieten und mit seiner neuen Flamme verhält es sich nicht besser. Da haben sich zwei gefunden. Die Ausgangssituation ist freilich stark zusammenkonstruiert und bietet eine Angriffsfläche für all jene, die Hitchcock einmal als Wahrscheinlichskrämer bezeichnet hat. Aber hat man den Plot einmal als schicksalhafte Fügung akzeptiert, ist NO MAN OF HER OWN ein außergewöhnlich starkes, nachtschwarzes Drama, das sich durchaus genießen läßt wie ein guter Hitchcock. Und wer gräbt jetzt mal die deutsche Kinofassung aus?
  16. Der Film hat mich schon zu Jugendzeiten sehr beeindruckt, und die Titelmusik hat mich damals schon gefesselt. Das Stück bremst dann ja auch mit dem Zug ab, bleibt aber sehr dramatisch. Wir wissen sofort, dass da kein gewöhnlicher Zug in dem kleinen Nest ankommt, und dass sich die Einwohner auf eine Menge Trouble gefaßt machen können. Und vielleicht sollte man noch lobend erwähnen, dass die Musik auf der CD in vollem Stereo erklingt. Für eine Aufahme von 1954 wahrlich ein Luxus.
  17. Mir ist aufgefallen, dass De Angelis ihr Vertonungshandwerk ungefähr seit 1980 herum sehr effizient gestaltet haben. Die älteren Soundtracks bestehen i.d.R. aus individuell eingespielten Tracks. Zwar natürlich auch Varianten der selben Melodien, aber jedes Stück der Filmszene entsprechend arrangiert. Das ist grundsätzlich so, nicht nur bei Komödien. Deswegen lassen sich auch die Alben aus dieser Zeit so gut durchhören. Sei es nun "Signor Robinson", "Zwei Himmelhunde" oder auch "Zorro". Aber ab 1980 kann man zunehmend beobachten, dass etwa eine handvoll Stücke eingespielt wurden und der Rest am Mischpult entstanden ist. Die Stücke werden dann einfach vorzeitig aus- oder eingeblendet, oder auch ineinander überblendet, wie´s gerade in der Szene paßt und wie es eben z.B. beim "Bomber" der Fall ist. Das ist sicherlich eine zeitsparende Methode und man kann ihnen da auch keinen Vorwurf machen, denn dieses Flickwerk war wohl nie für eine Tonträger-Veröffentlichung vorgesehen.
  18. Das ist ja auch gar nicht ungewöhnlich in der Filmmusik, wenn man sich so umsieht. Bill Conti, der mir schon öfter durch zwanglose, bodenständige Statements aufgefallen ist, meinte zu einer Frage nach der Verwendung der Panflöte in seiner Karate-Kid-Musik: "I´m not a research-musicologist kind of guy. Look, Puccini wrote Madame Butterfly - was that Japanese? No, it´s what he thought Japanese was. He came to America, looked around New York harbor, didn´t like it, and went home - but he still wrote Girl Of The Golden West. (...) Yes, I use taiko drums and pan flute, but this is my Japan - I´m the man, and this is what Japanese music is to me." Und zur Panflöte: "It could be anything! Asian sure, but also Middle Eastern, Indian - put it on Mars, and you´ll say, ´Yeah, that´s cool´."
  19. Auch von mir vielen Dank für die interessanten Interview-Ausschnitte! Andre Previn: BAD DAY AT BLACK ROCK Der Stromlinienzug hält in einem gottverlassenen, staubigen Provinznest in der US-amerikanischen Wüste. Kriegsversehrt, und im perfekt sitzenden Anzug, steigt ein Fremder aus, der sofort das Misstrauen der anwesenden Provinzler weckt. John MacReedy nimmt sich ein Zimmer im örtlichen Hotel, wird dabei von einem besonders unangenehmen Zeitgenossen bedrängt, läßt sicher aber nicht provozieren. Erst als MacReedy anfängt, unangenehme Fragen zu stellen und sich nach einem verschollenen Japaner erkundigt, droht die Situation zu eskalieren. STADT IN ANGST gibt sich mit seinen rund 80 Minuten Laufzeit und der reißerischen Eröffnungssequenz den äußeren Anschein eines typischen B-Movies aus jenen Tagen. Doch mit dem herausragenden Schauspieler-Ensemble und der wie immer glänzenden Regie von John Sturges, ist ein exzellenter Noir-Kriminalfilm gelungen, angesiedelt in einem Western-Kaff zur Nachkriegszeit, und zur Abwechslung mal in Farbe, der seine beträchtliche Spannung konsequent bis zum Ende durchhält. Unbedingt empfehlenswert! Eigentlich vertont Andre Previn hier fast ausschließlich Spannungsmomente. Das einzige Thema dieser Musik, eine nüchterne, die Beharrlichkeit des von Spencer Tracy gespielten Charakters wiedergebende, recht simple Tonfolge, durchzieht in mannigfaltigen Varianten den gesamten Score. Ausladende Melodien, schwelgerische Romantik oder gar imposante Westernmotivik sucht man hier vergebens. Es gibt kein Schurken-Thema, noch nichtmal eines für die niedliche Anne Francis, der einzigen Frauenfigur des Filmes. Previn bleibt ganz und gar bei der Hauptfigur, eröffnet den Film mit einem reißerisch-packenden Main Title, begleitet Tracys Außenseitertum unter feindseligen Fremden und geht dabei sehr sparsam zu Werke. Gerade mal 20 Minuten währt der komplette Score, der punktuell geschickt über die Laufzeit verteilt, und gerade deshalb so effektiv ist. Abgerundet wird die Rhino-CD von Auszügen aus drei weiteren Scores aus den Jahren 1949/50: In TENSION (Zum Zerreissen gespannt) rackert sich Quimby (Richard Basehart) jede Nacht im Drugstore ab, um seiner attraktiven Frau (Audrey Totter) ein besseres Leben bieten zu können. Doch die hat für seine kleinbürgerlichen Ambitionen nur Verachtung übrig und wirft sich dem wohlhabenden Unternehmer Deager an den Hals. Als der später ermordet wird, fällt der Verdacht auf Quimby, der eine solche Tat zwar schon geplant, aber dann doch nicht ausgeführt hat... Die Musik ist eher ruhig und auf die verführerische Famme Fatale zugeschnitten. Das laszive Hauptthema wird meist vom Saxophon vorgetragen und bestimmt fast jeden Track der Suite. SCENE OF THE CRIME (Sumpf des Verbrechens): Ein Detective (Van Johnson) klärt den Mord an einem Kollegen auf, der vorher der Korruption verdächtigt wurde. Diesen Film habe ich bisher nicht gesehen. Bei der knapp 8-minütigen Suite ist vor allem die Titelmusik zu erwähnen, die mit Fanfaren, Hörnern und Streichern auf zeittypische Weise eine Hardboiled-Kriminalgeschichte skizziert. Previns typischer Stil ist hier bereits deutlich auszumachen. Ein besonderes Highlight sind aber die abschließenden 12 Minuten aus CAUSE FOR ALARM (Grund zur Aufregung). George ist totkrank und wird zu Hause von seiner Frau gepflegt. Er neigt zur Paranoia und ist davon überzeugt, dass seine Frau ihn betrügt, und dass ein Mordkomplott gegen ihn im Gange ist. Er schreibt einen Brief an den Staatsanwalt, in dem er seine Frau des geplanten Mordes beschuldigt. Kurz darauf verstirbt George an einem Infarkt, und der Brief ist bereits auf dem Postweg. Ein kurzweiliger, kleiner Thriller, der im Detail zwar weniger glaubwürdig ist, sich aber dank Loretta Youngs überzeugender Darbietung über die Runden rettet. Schauplatz ist nicht die anonyme Großstadt, sondern sonnendurchflutetes Vorstadtmilieu, in dem nichts den neugierigen Blicken der Nachbarschaft verborgen bleibt, was dem Film einige interessante und ungewöhnliche Aspekte sichert. Die Musik ist melodramatisch-düster. In die kleinstädtische Pastorale drängen sich bedrückende, streicherlastige Passagen. Sehr gelungen auch die Einsätze der Solo-Violine, vor allem im intensiven NO HOPE. Ein amüsanteres Motiv gibt es in AUNT CLARA zu hören, das im Film so aber gar nicht vorkommt, wenn ich mich da jetzt nicht irre. Eine tolle Suite, und ein Höhepunkt der CD, mit der sich Previn mit damals gerade mal 20 Jahren bereits als versierter Tonsetzer für dramatische Stoffe empfiehlt.
  20. Ist es denn überliefert, warum die Zusammenarbeit nach PATHS OF GLORY endete? In einem Interview auf YT erzählt Fried von seiner Arbeit mit Kubrick. Demnach hatte er beim ersten Film noch völlig freie Hand, bis Kubrick dann von Film zu Film immer genauere Vorstellungen vom jeweiligen Score bekam. Warum es letzten Endes auseinanderging, erfahren wir aber nicht.
  21. EIN UNDING DER LIEBE Georg Bleistein ist nicht gerade vom Schicksal begünstigt. Er wächst bei seiner Tante und seiner Großmutter auf. Kindlich-naiv von Charakter, massig und übergewichtig von Statur, schlagen ihm oft Unverständnis und Aggressionen entgegen. Nach einer Auseinandersetzung mit dem Vorarbeiter verliert er seinen Job in einer Großküche. Seine puritanische Tante entdeckt beim Hausputz die Pornohefte in seinem Zimmer und setzt ihn vor die Tür. Er kehrt der Provinz den Rücken und macht sich in der großen Stadt auf die Suche nach seiner Mutter, die er noch nie kennengelernt hat. Bleistein ist ein Mensch, der in unserer Welt keinen Platz findet. Jeder Versuch, der tristen Isolation zu entkommen, endet im Fiasko. Sein Schicksal ist erschütternd, und bleibt konsequenterweise von der Gesellschaft letzten Endes unbeachtet. Das macht ihn zu einer der tragischsten Figuren der deutschen TV-Geschichte. Der aus dem Iran stammende Autor Sohrab Shahid Saless hat den Roman von Ludwig Fels adaptiert. Saless hatte eine Vorliebe für gebrochene, vereinsamte Charaktere in der modernen Kapitalgesellschaft. Mit EIN UNDING DER LIEBE ist erstmalig ein Film von Saless auf DVD zugänglich gemacht worden, obwohl der Autor in diesem Fall die Regie gesundheitsbedingt abgeben mußte. Das Ergebnis ist dennoch dank des erstklassigen Schauspieler-Ensembles, allen voran Erich Bar in der Hauptrolle, sehr eindringlich und zeigt mal wieder wie anspruchsvoll, radikal und fordernd deutsches Fernsehen vor gerade mal 30 Jahren noch sein konnte.
  22. TO HAVE AND HAVE NOT habe ich ungefähr seit meiner Jugend nicht mehr gesehen, könnte ich eigentlich mal wieder nachholen. Ich finde ihn auch stark, aber letzten Endes hinterläßt ein CRISS CROSS mit seiner tiefgreifenden Charakterentwicklung und natürlich dem niederschmetternden Ende bei mir den nachhaltigeren Eindruck. Gerald Fried: THE KILLING Unter Führung des erfahrenen Ganoven Johnny Clay schließen sich vier bisher unbescholtene Männer für einen Überfall auf die Kasse einer Pferderennbahn zusammen. So banal sich die Handlung liest, so brillant und fesselnd ist die filmische Umsetzung. Nach kurzen, aber präzisen Charakterskizzen widmet sich die zweite Filmhälfte in aller Ausführlichkeit der Ausführung des Coups, der aus verschiedenen Blickwinkeln und mit verschobener Zeitkontinuität erzählt wird. Ein Stilmittel, dass ein Tarantino ein paar Jahrzehnte später wieder aufgegriffen hat. Ein oft unbeachtetes, progressives, wildes Bravurstück das bereits auf Stanley Kubricks Status als Ausnahmeregisseur hindeutet. Den harschen Tonfall verdankt THE KILLING auch der ungewöhnlich schroffen, aggressiven Musik von Gerald Fried, die für romantische Zwischenspiele keine Atempausen vorsieht.
  23. Ich muß zugeben, ihn noch nie bewußt gehört zu haben. Wo wären denn außerdem noch Einflüsse von ihm in der Filmmusik zu finden? In dem zweiten verlinkten Stück mußte ich an manchen Stellen an Rosenthals Titelthema von ISLAND OF DR. MOREAU denken. Ist aber wahrscheinlich komplett falsch, nur eine spontane Assoziation.
  24. Franz Waxman: DARK PASSAGE / DIE SCHWARZE NATTER (1947) Dem unschuldig inhaftierten Vincent Parry gelingt die Flucht. Um unerkannt den wahren Schuldigen zu suchen, unterzieht sich Parry bei einem zwilichtigen Chirurgen (großartig: Housley Stevenson) einer plastischen Operation, die sein Gesicht völlig verändern wird. Doch bis die Narben verheilt sind, muß er Bandagen tragen, eine Weile wie Claude Rains in "Invisible Man" herumlaufen und so lange bei der ihm freundlich gesonnenen Irene Jansen (Bacall) untertauchen. Ein Film, der sich mit seinem ungewöhnlichen SF-Plot interessant machen möchte. Und dies schafft er dank Delmer Daves blendender Regie und zahlreicher visueller und dramaturgischer Spielereien auch ganz vorzüglich. So wird im ersten Drittel sehr viel mit subjektiver Kameraperspektive (aus Parrys Sicht) gearbeitet, und es dauert eine volle Stunde, bis die Verbände abgenommen werden und Parrys neues Gesicht (Bogart) zum Vorschein kommt. Unterhaltsam und spannend, wenn auch das letzte Drittel im Vergleich zu konventionell geraten ist und das hohe Niveau nicht ganz halten kann. Wer das Niveau auf jeden Fall hält ist Franz Waxman, der auch hier wieder mit den für ihn so typischen, schroffen und hitzigen Klängen glänzt. Die Titelmusik hat es, in recht ordentlicher Qualität vom Filmton gezogen, auf zwei Sampler geschafft. Ansonsten ist auch dies eine bisher unveröffentlichte Partitur.
  25. Miklos Rozsa: CRISS CROSS / GEWAGTES ALIBI (1949) Geldtransport-Fahrer Steve (Burt Lancaster) läßt sich von dem Gangster Slim Dundee in einen Raubüberfall auf seinen eigenen Transportwagen verwickeln. Auf diese Weise hofft Steve seine Ex-Frau Anna (Yvonne De Carlo) zurückzugewinnen, die inzwischen mit Slim verheiratet ist. Nach THE KILLERS ist dies der zweite Film, den Robert Siodmak mit Burt Lancaster gedreht hat. Und er steht seinem Vorgänger in nichts nach. CRISS CROSS nimmt sich Zeit für die Charakterstudie des äußerlich stämmigen, doch verletzlich wirkenden Steve, dessen verzweifelte Bemühungen um seine verflossene Liebe von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Einer der tragischsten Charaktere des klassischen Film Noir. Yvonne De Carlo gibt die berechnend handelnde Opportunistin, und Dan Duryea ist wie immer ein überzeugend schmieriger Schurke von unbehaglicher Brutalität. Was mir gar nicht so bewußt war, ist der Umstand, dass dies eine Filmmusik von Miklos Rozsa ist, die bis dato noch komplett unveröffentlicht geblieben ist. Nichtmal auf einen der einschlägigen Sampler hat es die Titelmusik geschafft. Die Handschrift des Meisters ist auch in dieser Komposition selbstverständlich unverkennbar.
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