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Angus Gunn

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Alle Inhalte von Angus Gunn

  1. DIAL M hat auf mich auch einen eher zwispältigen Effekt. Auf der einen Seite liebe ich den Film (und natürlich Hitchcock im Allgemeinen) sehr, auf der anderen Seite war ich mit der Bateman-Suite auch immer gut bedient. Gefehlt hat mir lediglich die sehr dramatische Musik zum Telefon-Überfall selber, die nicht mit dem Tod des Attentäters endet, sondern danach noch mindestens eine Minute sehr dramatisch weiterläuft, wobei das meiste davon aber vom Telefongespräch zwischen Kelly und Milland überlagert wird und kaum zu hören ist. Ob das jetzt als Ganzes wirklich funktioniert, da bin ich mir auch nicht so sicher. Gewartet habe ich darauf zwar nicht unbedingt, aber die Investition ist es mir wert, da ich mir das Album sowieso kaufen würde.
  2. Majewski-Pausenfüller, Teil 2 Peer Raben: HAPPY BIRTHDAY, TÜRKE! Dies ist einer jener Fälle, bei dem ich damals nach der Fernseh-Ausstrahlung am nächsten Tag im Saturn war, um mir die CD zu kaufen. Aber nicht, weil der Film so toll war. Der solide Kriminalfilm um einen türkischen Privatdetektiv in Frankfurt wurde von Doris Dörrie mit Geschick und komödiantischem Einschlag inszeniert. Nicht wirklich herausragend, aber unterhaltsam. Es war die Musik von Peer Raben, die es mir angetan hatte. Der Komponist setzt hauptsächlich auf Solo-Instrumente, und die Streicher der Münchner Philharmoniker geben dem Score den orchestralen Unterbau. Die Synthesizer in LETTERS FROM HOME erzeugen ein melancholisches Flair der Einsamkeit. Harte Klavierakkorde und handgeschlagene Percussions erzeugen ein Motiv von eisiger Coolness in A TEENAGE PROSTITUTE und REVENGE. Einige interessante Klangcollagen unterstützen die Suspense-Sequenzen, und das Saxophon sorgt für laszive Zwischentöne. Zentrum der Komposition ist aber das wirklich brillante Hauptthema, das die lakonische Natur der Ereignisse wie auch des Protagonisten bestens einfängt. Es taucht in mehreren Variationen auf, hat einen hohen Wiedererkennungswert und erfreut mit immer neuen, einfallsreichen Instrumentierungskniffen. Besonders eindrucksvoll in der Titelmusik HAPPY BIRTHDAY, DETECTIVE! mit Schifferklavier (oder ist das eine Mundharmonika, oder beides?) wo es eine enorme Dynamik entwickelt. Über der Musik schwebt noch ganz unaufdringlich das Flair der späten 80er, und auch wenn der Film von 1992 ist, würde ich sie jetzt mal vorsichtig als einen der großen, europäischen (und weitgehend vergessenen!) Krimisoundtracks dieser Dekade bezeichnen, die sogar das Format eines Philippe Sarde erreicht. Auf der CD befinden sich außerdem jeweils ca. 15-minütige Suiten aus den Fassbinder-Filmen DIE DRITTE GENERATION und FAUSTRECHT DER FREIHEIT. Beide sind mit ihrem eher melancholischen Timbre und den zum Burlesken neigenden Stücken gerade in letzterem Titel stilistisch sinnvolle Ergänzungen zur "Hauptmusik".
  3. Halb so schlimm. Hauptsache, er kommt noch.
  4. Jauchzet, frohlocket, auf, preiset den Sarde / rühmet was heute Musicbox tat. ? (frei nach Bach)
  5. Solange Mephisto sein Majewski-Projekt unterbricht, erlaube ich mir mal mit einem Pausenfüller dazwischenzugehen. Michael Holm: HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT Dieser Film dürfte den Freunden des Exploitationkinos wohlbekannt sein. Nach dem weltweiten Erfolg des britischen Films WITCHFINDER GENERAL entstand unter der Schirmherrschaft von Adrian Hoven dieses berüchtigte Werk, dem bis heute sein Ruf als sadistisch-schäbiger Horrorschund vorauseilt. "Eine durchgängig erzählte Handlung findet man nicht. Kommen und Abgang von Personen bilden die Aufhänger für die zahllosen Brutralitäten, deren Darstellung man keinerlei humanistische Absichten unterschieben soll", wütete die Kritik. Oder: "Sehr naiver, doch mit Sadismus genüßlich spekulierender Film, der weder kritische Distanz noch Sinn für Geschmack verrät." Die Wahrheit sieht jedoch anders aus: Natürlich ist das Ganze sehr exploitativ angelegt, und die dargestellten Folter- und Hinrichtungsszenen sind in der Tat starker Tobak, aber die Besetzung ist durch die Bank exzellent, die Story hat sehr wohl mehr zu bieten, als es die Kritiker wahrhaben wollen, die malerischen Schauplätze sind von erlesener Schönheit und auch an der technischen Umsetzung gibt es nichts zu bemängeln. Gerade weil die Chemie zwischen Udo Kier und Olivera Vuco so gut funktioniert, bildet die Liebesgeschichte zwischen den beiden auch ein so glaubhaftes und dramatisches Fundament für die Geschichte. Drehort war u.a. Schloß Moosham im österreichischen Lungau, das ich selber mal besucht habe und nur weiterempfehlen kann. Ein fantastisches Bauwerk, das auch für die "Götz-von-Berlichingen"-Verfilmung mit Raimund Harmstorf als Kulisse verwendet wurde. Und es dient auch als Schauplatz des Hörspiels "Der Pakt mit dem Teufel" aus der legendären Grusel-Serie von H.G. Francis. Also gleich mehrere Gründe, da mal hinzufahren! Die Musik von Michael Holm besteht aus zwei Hauptthemen. Das süßlich-kitschige Liebesthema begleitet gleich zu Anfang den Titelvorspann. Eine Kutsche wird überfallen, die Frauen geschändet. Die Musik dazu mit ihrem lieblichen Timbre bildet einen merkwürdigen Kontrast zu den brutalen Geschehnissen auf der Leinwand. Zu dem prunkvollen Marsch, mit dem das Hexerthema beginnt, wird der von Herbert Lom großartig gespielte Lord Cumberland eingeführt. Die infernalisch kratzenden Streicher, die danach einsetzen, weisen unmißverständlich auf dessen teuflischen Charakter hin. Von Holm wirklich sehr wirklungsvoll umgesetzt, ist das Hexerthema sicherlich der Höhepunkt der Komposition. Die Quasi-Fortsetzung HEXEN - GESCHÄNDET UND ZU TODE GEQUÄLT erzählt eine eigenständige Geschichte ohne Bezug zu seinem Vorgänger und ist auch deutlich schwächer als dieser. Die Musik stammt aus dem Sonoton-Archiv, weshalb hier hochkarätige britische Komponisten wie Don Banks und John Scott mit jeweils einem Track vertreten sind. Natürlich geht dieser Score stilistisch in eine völlig andere Richtung und klingt eher nach einer zeitgenössischen Hammer-Produktion. Da ich seinerzeit an der CD-Produktion mitgewirkt habe, kann ich zu den Begleitumständen etwas sagen. Michael Holm hat sich bei unseren Recherchen als sehr umgänglich und hilfsbereit erwiesen, aber die ursprünglichen Originalbänder waren nicht mehr vorhanden. Laut Holm bestanden die Aufnahmen im Wesentlichen aus den beiden Tracks Liebesthema und Hexerthema, beides jeweils durchgängige Kompositionen von rund zehn Minuten Länge. Was noch vorhanden war, war halt eine Kopie der Filmtonspur mit der Musik, deswegen gibt es auf der CD nur diese auseinandergeschnittenen, den Szenen angepaßten Teilstücke. Im zweiten Film sind noch einige andere Musikstücke zu hören, die aber nicht mehr aufzufinden waren. Wenn´s nach mir gegangen wäre, hätte der letzte Track (ein Syntheziser-Stück namens Space Station) nicht den Weg auf das Album gefunden, denn er fällt stilistisch völlig aus dem Rahmen und dient im Film lediglich für zwei oder drei Sekunden als Geräuscheffekt. Nun ja, aber auch mit diesen Kompromissen ist es ganz nett geworden, meine ich.
  6. Na klar ist das was für den Angus? War mir bisher gar nicht bewußt, dass dieser Score so gesucht ist. Schönes LP-Cover. Gefällt mir. Der Film selber spricht mich jetzt nicht im selben Maße an, wie es die Werke von Rollin tun, aber ein sehenswertes, schön fotografiertes Kleinod ist er allemal.
  7. Rolf Unkel: DER RICHTER UND SEIN HENKER Ein Jahr bevor Heinz Rühmann in dem großartigen ES GESCHAH AM HELLICHTEN TAG einen Kindermörder überführte, erblickte eine andere Dürrenmatt-Verfilmung das Licht der Welt, jedoch nicht das der Kinoleinwände, sondern das der heimischen Bildschirme. DER RICHTER UND SEIN HENKER, der eine zunächst geradlinige Kriminalgeschichte erzählt, deren besondere Finesse sich erst gegen Ende offenbart, ist wieder eine jener verschollenen Pretiosen, die in der auch kulturell gar nicht hoch genug einzuschätzenden "Straßenfeger"-Edition aus den Archiven gerettet wurden. Es handelt sich dabei um einen sehr ordentlich und kompetent von Franz Peter Wirth ("Wallenstein") inszenierten, psychologisch stimmig untermauerten Krimi, der zwar nicht ganz an den Rühmann-Klassiker heranreicht, aber dennoch allemal sehenswert ist. Mit Karl Georg Saebisch präsentiert er außerdem einen Schauspieler in der Rolle des ermittelnden Kommissars, der aus meiner Sicht diese Rolle sogar besser ausfüllt, als es Rühmann tat. Die Musik stammt von einem der vergessenene Heroen deutscher Fernsehmusik. Rolf Unkels Kompositionen haben es niemals auf einen Tonträger geschafft, weder zu diesem Film, noch zu irgendeinem anderen. Ein Grund dafür wird sein, dass sich seine Filmmusik nicht mit einprägsamen Melodien anbiedert, und auch sonst keine Vorstöße in Richtung Plattenmarkt unternimmt. Sie sind meist von unaufdringlicher Art, eher zurückhaltend, wenn´s sein muß auch handfest dramatisch, aber keinesfalls massentauglich. Von 1972 bis 1979 verband ihn eine enge Zusammenarbeit mit dem großen Regisseur Fritz Umgelter, für den er mehrere Filme vertonte, wie z.B. den Historien-Klassiker DER WINTER, DER EIN SOMMER WAR oder das clevere Kriminaldrama DER VORGANG mit Horst Frank. DER RICHTER UND SEIN HENKER hat eine der farbigsten und dramatischsten Scores aus Unkels Feder bekommen. Für mich Grund genug, diese Musik hier in einem kleinen Zusammenschnitt vorzustellen, und bei der Gelegenheit natürlich auch den dazugehörigen Film zu würdigen. Die folgende Suite besteht aus der Titelmusik, dem anschließenden ländlichen Kleinstadt-Idyll und der Abspannmusik, wie immer von mir mit einer Schnittcollage unterlegt: https://vimeo.com/285152286
  8. THE RED PILL Ein Dokumentarfilm, der umso bemerkenswerter ist, wenn man um die Hintergründe seiner Entstehung weiß. Von einer feministischen Lobby produziert, begibt sich Cassie Jaye unter die Aktivisten der amerikanischen Männerrechtsbewegung, mit dem Ziel diese als frauenhassende Jammerlappen zu überführen. Es folgen Gespräche, Interviews und Recherchen, an deren Ende Jaye ihre eigene Meinung revidiert, und damit auch den Feminismus als das heuchlerische Konstrukt enttarnt, was es nunmal ist. Den fertigen Film mit exakt der gegenteiligen Aussage, die er eigentlich hätte haben sollen, hat Jaye dankenswerterweise an die Öffentlichkeit gebracht. Eine kleine Sensation, die den eingeschworenen Feministen-Zirkeln mal so richtig ans Bein pinkelt. Hochinteressant, wichtig und sehr unterhaltsam. Und immer dran denken: "There are no feminists in a burning building."
  9. Hab´s gerade mal selber überprüft und den ersten Teil quergeguckt. Ja, es ist tatsächlich eine Mischung aus beidem. Wobei die großen, wichtigen Musikpassagen (z.B. Vor- und Abspann, das Auslaufen der Schiffe) alle mit Ortolani vertont sind. Brandner bleibt da eher im Hintergrund. Seltsame Entscheidung, die da getroffen wurde. Ortolani wird im Vorspann als einziger Komponist genannt. Dies liegt aber wahrscheinlich daran, dass der englischsprachige Titel für die DVD genutzt wurde.
  10. Laut DVD-Booklet und Wikipedia fand die deutsche Erstaustrahlung in der ARD statt. Wenn die Brandner-Musik eine exklusive Sache vom WDR war, dann liegt hier eventuell der Hund begraben. Dann müßte es aber auch zwei Synchronfassungen geben, bei denen dann nur die die Musikspur ausgetauscht wurde. Wäre für mich im Moment die einzige Erklärung.
  11. Stefan, wo Du gerade den Columbus erwähnst, da ist mir eine Sache nicht ganz klar. Auf der DVD ist nämlich in der deutschen Synchronfassung ebenfalls der Ortolani-Score zu hören. Nicht dass ich was dagegen hätte, aber es hat mich irritiert und ist mir bis heute ein Rätsel. Ist der denn überhaupt jemals mit der Brandner-Musik ausgestrahlt worden? Ich kann mich da leider nicht mehr erinnern, welche Musik der früher im Fernsehen hatte.
  12. Peter Schirmann: DAS JAHRHUNDERT DER CHIRURGEN Diese nach Jürgen Thorwalds historisch korrekten Sachbuch-Bestsellern gedrehte Serie war 1972 erstmals in der ARD zu sehen. Berichtet wird in 19 in sich abgeschlossenen Folgen von bedeutenden Fortschritten in der Medizin im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Nicht immer erwartet die Protagonisten ein glückliches Ende. Die ersten schwerwiegenden Eingriffe bei Tumorentfernungen, der Kampf gegen das Kindbettfieber oder eine Blinddarmoperation - das alles war seinerzeit eine gefährliche Gratwanderung zwischen Leben und Tod und man kann wirklich froh sein in einer Zeit zu leben, in der ein Zahnarztbesuch so komfortabel verläuft wie heute. Dies alles wird in den jeweils 25-minütigen Episoden unterhaltsam und sehr spannend vermittelt. Die historischen Settings wurden detailfreudig und aufwendig ausgestattet, und auch schauspielerisch wurde hier wirklich aus dem Vollen geschöpft. Ich kann mich nur erneut vor "Pidax" verneigen, diesen wertvollen Schatz deutscher Fernsehgeschichte gehoben zu haben, auch wenn von einem alten Magentband gemastert werden mußte, weshalb die Bildqualität bei empfindlichen Zeitgenossen wohl auf Ablehnung stoßen wird. Der Komponist Peter Schirmann ist mir erstmals Mitte der 80er Jahre aufgefallen, als eine von Ihm vertonte Fassung des Stummfilm-Klassikers NOSFERATU ausgestrahlt wurde. DAS JAHRHUNDERT DER CHIRURGEN bekommt von ihm ein den epochalen Ereignissen angemessenes, würdevolles, orchestrales Thema zugedacht, das eine jede Folge stimmungsvoll einleitet und beendet. Ich habe hier mal wieder eine kleine Collage zusammengeschnitten, bestehend aus Anfangs- und Schlußmusik, sowie einer kurzen Dialogsequenz aus DIE EHE DES FORSCHERS mit dem wunderbaren Erich Schellow in der Rolle des Robert Koch: https://vimeo.com/285546847
  13. Das ist natürlich absolut verständlich, aber immernhin gab´s vor Kurzem doch auch diese "Ben-Hur"-Kompletteinspielung. Die war aus meiner Sicht zwar überflüssig, zeigt aber doch, dass es in Ausnahmefällen trotz allem noch möglich ist, Scores von monumentalem Ausmaß neu einzuspielen. Was das Kickstarter-Projekt angeht, so würden bei mir NIGHT OF THE HUNTER von Walter Schumann und Georges Aurics THE INNOCENTS meine Wunschliste anführen. Halte ich beide, trotz kaum bekannter Komponisten, eigentlich nicht für völlig unrealistisch. Und ich meine auch von beiden mal irgendwo gelesen zu haben, dass keine Originalaufnahmen mehr verfügbar seien.
  14. Ernst Brandner: BLUT UND EHRE 1982 wurde diese aufwendige, vierteilige Mini-Serie über den aufkommenden Nationalsozialismus produziert. Drei Familien, eine wohlhabend uns systemtreu, eine mit sozialdemokratischem Vater und eine jüdisch-stämmig, stehen im Mittelpunkt der Handlung. Die Söhne werden im Schulunterricht und in der Hitler-Jugend auf die neue Ideologie geeicht. Gegen seine Überzeugung fügt sich auch Vater Keller nach anfänglichem Wiederstand in das System und erlebt einen sozialen Aufstieg. Die Konflikte die dabei untereinander, auch innerhalb der Familien, entstehen, werden von einer großartigen Schauspieler-Riege glaubhaft und sehr dramatisch umgesetzt. Auch die Besetzung der Kinder und Jugendlichen erweist sich dabei als absoluter Glücksgriff. Ernst Brandners Filmmusik ist in den 80er Jahren als LP veröffentlicht worden. Die Musik ist von rein sinfonischer Struktur und enthält mit dem Hauptthema auch einen orchestral ummanteltes, glorifizierendes Marschmotiv. Tatsächlich ist die Art der Vertonung auffallend altmodisch. Wenn im Radio Wahlergebnisse verkündet werden, wird das von Brandner dramatisch-aufbrausend kommentiert, geküßt wird unter einem Himmel voller Geigen, und die erwähnten Märsche unternehmen keinerlei Versuch, auf die unheilvollen Seiten der Ereignisse aufmerksam zu machen. Wäre dieser Film in den 50er Jahren entstanden, so hätte man ihn wahrscheinlich auf diese Weise vertont, und das Hauptthema hätte auch jeden nationalsozialistischen Propagandastreifen veredeln können. Die sinfonische Begleitung wird aber nicht überstrapaziert, und das Konzept, die Handlung nicht aus kritischer Distanz, sondern aus der Perspektive der damaligen Zeit zu betrachten, geht letzten Endes auf. Und das liegt freilich auch an den Kompositionen selber, die auf hohem Niveau auch ein großartiges Höralbum abgeben. https://vimeo.com/284539954
  15. HEINRICH FEISCHNER Rasante, jazzige Big-Band-Nummern über den Vor- oder Abspanntiteln waren vor einigen Jahrzehnten für die Vertonung von TV-Serien oder -Spielfilmen sehr beliebt. Das klang meißt griffig und angemessen reißerisch, ließ aber in vielen Fällen eine eigenständige musikalische Identität vermissen, und im Rückblick klingen tatsächlich manche der damaligen Overtüren austauschbar. Aber es gab auch Komponisten deren Arbeiten differenzierter und individueller gestalten waren. Einer dieser Komponisten ist der 1961 verstorbene Heinrich Feischner, der es verdient hätte, mal einen kleinen Schritt aus der Vergessenheit herauszutreten. Denn seine Filmmusiken habe ich bei meinen Streifzügen durch die deutsche TV-Geschichte als kleine Kunstwerke wahrgenommen, denen ich hier diesen Beitrag widmen möchte. BEI ANRUF - MORD verfilmt das Drehbuch des Hitchcock-Klassikers mit deutschem Cast erneut. Wie zu der Zeit nicht unüblich, besteht der gesamte Score aus kaum mehr als der knapp zweiminütigen Abspannmusik, und der Komponist nutzt die Gelegenheit die unheilvollen Machenschaften rund um das Mordkomplott in schaurig-schönen Klängen noch einmal in Erinnerung zu rufen. SCHRITTE IN DER NACHT ist ein düsteres Paranoia-Drama, das auf einer Geschichte von Robert Arthur (Urheber der "drei ???") beruht. Feischner kommentiert Erik Schumanns Irrwege durch nächtliche Gassen und eine feindselige Umwelt mit einer ruhigen, aber wirkungsvollen Jazzkomposition, bei der die Klarinette eine nervöse Attitüde ins Spiel bringt. DER GEISTERZUG ist ein komödiantisches Krimi-Kammerspiel mit mildem Mystery-Touch. Nette Kaffee- und Kuchenunterhaltung, aber nicht mehr. Die stimmungsvolle Musik mit leicht burleskem Einschlag ist nach einer Minute schon wieder vorbei, und mehr kommt im ganzen Film auch nicht vor. https://vimeo.com/284349367
  16. Nein, die "Rih-Melodie" stammt nicht aus dieser Serie. Das Pferd Rih hat in KARA BEN NEMSI EFFENDI kein eigenes Thema, jedenfalls ist mir keines aufgefallen.
  17. Martin Böttcher: KARA BEN NEMSI EFFENDI 1973 wurde erstmals diese vom ZDF produzierte Karl-May-Serie ausgestrahlt. In 26 Episoden von jeweils rund 25 Minuten Länge werden die Orient-Reisen von Kurdistan über den Balkan bis zur finalen Konfrontation mit dem Schut filmisch aufgearbeitet. Und dies geschieht auf eine ebenso unterhaltsame wie spannende Art und Weise. Dabei unterscheidet sich Günter Gräwerts Regiestil grundlegend von den bekannten Kinoadaptionen. Vielmehr fühle ich mich in der Art der Umsetzung an die alten Karl-May-Hörspiel-Platten von "Europa" erinnert. Obwohl in Bulgarien, Tunesien und dem spanischen Almeria gedreht, werden die Landschaften niemals plakativ in epischer Breite in den Mittelpunkt gestellt, sondern sind organischer Bestandteil der Handlung. Gräwert konzentriert sich auf die Charaktere, auf die ausgedehnten, amüsanten Dialoge zwischen Kara Ben Nemsi und seinem Begleiter Hadschi Halef Omar und die zum Teil skurrilen Nebenfiguren. Das gibt den Episoden eine beinahe kammerspielartige Atmosphäre, wobei aber auch die Aktions- und Suspense-Sequenzen mit viel Gespür für Stil und Timing inszeniert worden sind. Karl-Michael Vogler und Heinz Schubert mögen erstmal eine ungewöhnliche Wahl für die Hauptrollen sein, doch stimmt die Chemie zwischen den beiden vom ersten Moment an perfekt. In Erinnerung bleiben auch die zahlreichen Nebenrollen wie Richard Lauffen als Mohammed Emin, Günter Lamprecht als Wirt oder auch Dieter Hallervordens einfältiger Statthalter. Martin Böttcher ist mit seiner Musik ein ganz großer Wurf gelungen. Entsprechend der effektvoll entschlackten Inszenierung hat sich auch Böttcher von den schwelgerischen Streicherteppichen und den massigen Blechbläsern der Kinofilme verabschiedet und beschränkt sich auf ein kleines Ensemble, das mit einschmeichelnder Titelmelodie und knarziger E-Gitarre den Western-Scores von Morricone nahesteht. Wah-Wah-Läufe und exotische Percussionarrangements tragen ebenso zur Atmosphäre bei wie jene mechanisch-krachenden Akkorde, die z. B. auch der japanische Komponist Masaru Sato für Kurosawas "Sanjuro" einsetzte. Mit dem Abspann der letzten Episode ("Rih") klingt diese sehr stilvolle Serie mit einer wunderschönen, elegischen Mundharmonikaversion des Hauptthemas aus. KARA BEN NEMSI EFFENDI ist gerade von Pidax erneut in einer Komplettedition herausgebracht worden. Wer es jedoch auf den Soundtrack abgesehen hat, der sollte nach der Erstauflage Ausschau halten, denn leider hat Pidax die Audio-CD mit der Musik nicht mehr mit an Bord. Oder halt nach dem alten Tarantula-Album.
  18. Natürlich ist Mißbrauch ein Verbrechen und gehört bestraft, darin sind sich wohl alle einig. Aber es wird im Zuge dieser "meetoo"-Kampagne vieles in den selben Topf geworfen, was nicht zusammenpaßt. Im Fall von Weinstein beispielsweise nennt sich das "Besetzungscouch", und die gibt es vermutlich schon seit Filme produziert werden. Das ist nicht schön und man kann es moralisch verwerflich finden, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die betroffenen Frauen keine andere Wahl gehabt haben. Das sind keine kleinen Kinder, und ich traue einer erwachsenen Frau soviel Selbstbewußtsein zu, Weinsteins aufdringliche Angebote einfach abzulehen. Aber da war wahrscheinlich der Karriere-Gedanke im Hinterkopf zu stark, und im Nachhinein kann man ja immernoch prima in die Opferrolle schlüpfen. Hauptsache der Filmvetrag ist erstmal eingetütet. Das ist ja schon wieder so eine unsägliche Verharmlosung. Ja, das ist schon Scheiße, dass jetzt meine Karriere den Bach runtergeht, dass ich meine Familie verloren habe, dass sich meine Freunde von mir abwenden, dass ich gesellschaftlich erledigt bin, alles irgendwie suboptimal. So´n Mist aber auch. Da gebe ich mir am besten die Kugel (was im übrigen auch schon passiert ist) Leuchtet mir auch nicht ein. Was hat denn das (erwachsene) Mißbrauchsopfer bisher daran gehindert, den Vorfall zur Anzeige zu bringen? Sind die Türen des Polizeireviers nur zu Zeiten von "meetoo"-Aktionen geöffnet? Ich vermute, dass zur Zeit einfach die Sensibilität in der Bevölkerung gegenüber diesem Thema am Größten ist, und dass man sich jetzt der maximalen medialen Aufmerksamkeit sicher sein kann. Ein tatsächliches Mißbrauchsopfer wird nicht zehn bis zwanzig Jahre den passenden Zeitpunkt abwarten.
  19. Aber selbstverständlich ist das so. Solche Anschuldigungen sind keineswegs Bagatellen. Die können Existenzen zerstören und haben dies auch schon oft genug getan. Dazu braucht man nicht mal nach Amerika schauen. Siehe Kachelmann, siehe Türk. Und das sind jetzt nur zwei Namen, die mir spontan dazu einfallen. Kachelmann hat sich einigermaßen von der Affäre erholt, aber seine Fernsehkarriere ist stark angeschlagen. Und hat man mal wieder irgendwas von Andreas Türk gehört? Der bekommt im TV kein Bein mehr auf den Boden, obwohl sich auch bei ihm die Anschuldigungen als falsch herausgestellt haben. Eine Frau hat die Möglichkeit jeden Mann mit der bloßen Anschuldigung der Vergewaltigung oder auch nur sexuellen Nötigung gesellschaftlich und finanziell zu ruinieren, und es gibt genug Frauen, die narzisstisch und skrupellos genug dazu sind um im Zuge der Berichterstattungen in den Medien den Ruhm abzusahnen. Solchen Verleumdungskampagnen wären doch Tür und Tor geöffnet. Und es ist ja bereits in vollem Gange, wie man sieht. Lohfink hat´s erst kürzlich auch auf diese Weise versucht, und auch ihre Geschichte wurde als Fake enttarnt. Ihre Strafe betrug 10 oder 20.000 Euro, was absolut lächerlich ist, wenn man die Auswirkungen für den Beschuldigten und den skrupellosen Vorsatz bedenkt. Aber mit dem Presserummel um ihre Person und dem damit verbundenen Popularitätsschub dürfte sie ein Vielfaches eingenommen haben. Ziel erreicht.
  20. Vladimir Godar - HUDBA K FILMOM MARTINA SULIKA Der slowakische Schauspieler und Regisseur Martin Sulik dreht seit über 20 Jahren Filme, von denen die meisten beim westlichen Publikum kaum bis garnicht bekannt sein dürften. Seine Protagonisten müssen sich den unumgänglichen Widrigkeiten des Lebens stellen und durchleben menschliche Schicksalsdramen. Wobei Sulik seine Alltagshelden gerne mit surrealen Erscheinungen und mit skurrilen Ereignissen konfrontiert, die sich als Gespenster des Unterbewußtseins interpretieren lassen. So zumindest ist mein Eindruck von Suliks filmischem Schaffen, nachdem ich mich ein wenig Im Netz umgesehen und ein paar biographische Informationen zu ihm und seinem Werk zusammengeklaubt habe. Denn auch ich gehöre zu den Menschen, die leider noch nie einen Film dieses Regisseurs gesehen haben, obwohl der eine oder andere schon im deutschen Fernsehen ausgestrahlt worden sein soll. Aber auch auf dem DVD-Markt sieht es zur Zeit schlecht aus, sich seine Filme in einer verständlichen Sprache zu beschaffen. Dafür ist aber seine Zusammenarbeit mit dem Komponisten Vladimir Godar auf einer sehr schönen und hörenswerten CD dokumentiert. Das Coming-of-Age-Drama TENDERNESS (deutsch: "Die Zärtlichkeit") von 1991 ist mit zwei Stücken vertreten, die mit einem kleinen Streicherensemble eingespielt wurden. Es folgen drei Stücke aus EVERYTHING I LIKE (deutsch: "Alles was ich mag"), die eine wiederum von Streichern interpretierte Ragtimemelodie einer wunderschönen, spröden und fragil-melancholischen Klavierweise gegenüberstellen. THE GARDEN ("Der Garten") von 1995 ist der wohl bekannteste Film des Regisseurs. Das Drama eines Mannes, der sich aufs Land zurückzieht und es dort im Garten seines Großvaters mit skurrilen Phantasiegestalten zu tun bekommt, begleitet der Komponist mit einem hypnotischen Klangteppich, dessen fein verwobene Ziselierungen erst bei genauem hinsehen, bzw. hinhören, offenbar werden. Auch hier sind die Streicher die dominierende Instrumentengruppe. Eine 16-Jährige Schülerin auf surrealer Reise zu ihrer Mutter gibt es in ORBIS PICTUS zu sehen. Godar erweitert das Ensemble durch eine weibliche Stimme, die mit betörendem Vokalisengesang den sieben Tracks eine eigene Identität gibt. Abschließend werden noch 14 Tracks aus THE LANDSCAPE (deutsch: "Krähwinkel") gereicht. Hier wird die musikalische Palette behutsam etwas erweitert, etwa durch das Einbeziehen osteuropäischer Folklore, oder Passagen mit Piccoloflöte, Dudelsack und Trommeln, was unweigerlich zu militärischen Assoziationen führt. Ein sehr empfehlenswertes Album, das Vladimir Godar als versierten Dramaturgen ausweist, der es versteht, Seelenzustände musikalisch zu sezieren. Obwohl jeder der fünf Scores eine eigene Individualität besitzt, läßt sich die CD dank ihrer durchgehend kammermusikalischen Besetzung und der stilistischen Ähnlichkeiten auch bruchlos am Stück durchhören. Einziger Pferdefuß an der Zusammenstellung ist die relative Kürze vieler Stücke, aber das tut dem überaus positiven Gesamteindruck letzten Endes keinen Abbruch. Hier das letzte Stück aus THE GARDEN, das sehr gut die Stimmung und stilistische Ausrichtung des gesamten Albums wiederspiegelt: Vielen Dank an Ataraxus für den Tipp und das Zur-Verfügung-stellen dieser Filmmusik-Perle.
  21. Genau das ist es. Die allgemein verächtliche Haltung gegenüber deutschen Produktionen, insbesondere des Fernsehens, haben wir nur der Entwicklung der letzten Jahre zu verdanken. Es ist sehr schade, dass dabei alles was älter ist, von den meißten Konsumenten nicht mehr wahrgenommen wird. Der Schauspieler Horst Frank hat kurz vor seinem Tod, Ende der 90er Jahre, noch ein Interview gegeben, in dem er bereits den qualitativen Niedergang deutscher Fernsehproduktionen beklagte. Und er meinte damals schon, die Leute seien im Laufe der Jahre systhematisch entwöhnt worden.
  22. Aber diese Aufnahmen betrafen nur die Instrumentalparts, oder irre ich mich da? Ich habe mich immer gefragt, ob diese Einspielungen wirklich von den beiden selber gemacht wurden, oder ob das jemand anders verbrochen hat. Vielleicht war das auch ein rechtliches Problem? So oder so hat man den Songs damit wirklich keinen Gefallen getan.
  23. TEUFELSMOOR Diese 6-teilige Mini-Serie von 1982 kannte ich bisher gar nicht, habe sie mir am Wochenende komplett angeschaut und bin immernoch mehr als beeindruckt. Es geht um die Besiedlung und die wirtschaftliche Erschließung jenes niedersächsischen Landstriches, dem man dereinst den Namen Teufelsmoor gegeben hat. Im Jahre 1760 verdingt sich Johann Kehding dazu, an der Kultivierung und wirtschaftlichen Erschließung des Moores teilzunehmen. Die folgenden Episoden zeigen jeweils einen Abschnitt aus dem Leben der nachfolgenden Generationen der Kehdings bis in die Gegenwart und erlaubt sich am Ende sogar noch einen Blick in die Zukunft. Das ist alles unglaublich authentisch inszeniert. Besonders die anfänglichen Episoden, die die schwierigen Lebensbedingungen des 18. und 19. Jahrhunderts darstellen sind großartig und in ihrem rauen, nichts beschönigenden Charakter ungeheuer spannend. Gelegentlich schleicht sich sogar auf skurrile Weise ein mytisches Flair ein (z.B. in der Folge mit dem Meteoriteneinschlag). Einige Grausamkeiten sind auch nicht ohne, und die Szene, die die Schlachtung eines Schafes zeigt, ist wirklich grenzwertig und kaum zu ertragen. Ich hoffe mal, dass es sich dabei um einen Filmtrick gehandelt hat, ganz sicher bin ich aber nicht. Gesprochen wird in plattestem Norddeutsch, wobei sich eine zweite Tonspur mit Überstimme dazuwählen läßt, die die wichtigsten Handlungspunkte zwischendurch in Hochdeutsch zusammenfaßt. Die Musik stammt von Jens-Peter Ostendorf, der u.a. auch Hark Bohms Jugenddrama YASEMIN vertont hat. Das Hauptthema hat einen epischen Charakter, während der Score ansonsten mehr auf ruhige, melancholische Klänge setzt. Ich frage mich wirklich immer wieder, woher der schlechte Ruf herrührt, der der deutschen Filmlandschaft im Allgemeinen anhaftet. An Serien wie dieser kann es nicht liegen.
  24. Du willst die ganze Box durchgehen? Respekt. Hoffentlich habe ich Dir jetzt nicht ins Konzept gepuscht. Bin gespannt...
  25. Hans-Martin Majewski: SCHACHNOVELLE Weil der österreichische Rechtsanwalt und überzeugte Antifaschist Werner von Basil sich weigert, Auskunft über die Kirchenschätze zu erteilen, die er im Auftrag des Bischofs vor den Nazionalsozialisten in Sicherheit bringen soll, wird er von der Gestapo verhaftet und wochenlang in Einzelhaft gehalten, um ihm, dem Intellektuellen, die "geistige Nahrung" zu entziehen und somit zu vermürben. Mit einem in die Zelle geschmuggelten Buch über berühmte Schachpartien hält er sich über Wasser und steigert sich in einen wahnhaften Zustand, bis er seine Umgebung nur noch in schwarz-weißen Feldern wahrnimmt. Nach seiner Befreiung besiegt er sogar den amtierenden Schachweltmeister. Die Novelle von Stefan Zweig habe ich, wie viele andere auch, zunächst als Schullektüre kennengelernt. Die Verfilmung von Gerd Oswald nimmt ein paar Änderungen und Erweiterungen vor, die der Novelle letzten Endes zwar ihre außerordentliche Dichte nehmen, aber im Dienste eines anspruchsvollen Unterhaltungsfilmes durchaus Sinn machen. So wird der Personenkreis um den von Hans-Jörg Felmy gespielten Gestapo-Mann Berger und dessen Freundin (Claire Bloom) erweitert, was leicht in einer Schmonzette hätte enden können, doch sind die Rollen so gut geschrieben, dass es für die Verfilmung tatsächlich eine Bereicherung bedeutet. Trotz gemischter Kritiken gilt der Film heute zurecht als Klassiker. Kritisiert wurde vor allem Curd Jürgens, dessen physische Präsenz man als ungeeignet für die Rolle empfand. Ohne Jürgens Leistung schmälern zu wollen, denn er spielt wirklich hervorragend, hätte ich mir die Besetzung tatsächlich auch andersherum vorstellen können - also Felmy in der Rolle des Gefangenen und Jürgens als sein Gegenspieler. Hätte funktionieren können. Ja, es wäre vielleicht sogar die bessere Entscheidung gewesen. Aber auch so bleibt SCHACHNOVELLE ein großer und wichtiger deutscher Filmklassiker, der eine interessante Variation der literarischen Vorlage anbietet. Die Titelmusik ist bemerkenswert. Verzerrte, elektronisch erzeugte Klänge weisen bereits in der Vorspannsequenz auf die trostlose Isolation hin, die der Protagonist im Laufe der Handlung noch zu erwarten hat. Ganz ähnlich wie die kalten, von jeder Wärme und Harmonie befreiten Klangexeperimente, die Majewski in DIE BRÜCKE einsetzt, und die dort einen ähnlichen Zweck erfüllen. Die eindrucksvollsten musikalischen Momente finden sich jedoch in den Sequenzen der Einzelhaft, was auch daran liegt, dass bis dahin nur sehr wenig dramatische Musik eingesetzt wird. In gleichem Maße wie sich von Basils Geisteszustand verwirrt und in die schwarz-weiße Schachwelt flüchtet, bringt Majewski unbequeme bis aggressive Jazz-Elemente sehr effektiv mit ein. Außerordentlich konzentriert und hochdramatisch, zeigt sich hier mal wieder, dass gerade kurze Filmmusiken oft sehr effektiv sein können, sowohl was ihre Wirkung im Film angeht, wie auch als eigenständige Hörerfahrung. Für mich eine der besten deutschen Filmmusiken überhaupt. Für DIE BRÜCKE, bei der Majewski keine Musik in eigentlichen Sinne verwendete, gab es den Preis der deutschen Filmkritik und den Bundesfilmpreis in Gold, und ich frage mich, ob das wirklich gerechtfertigt war. Denn es ist offensichtlich, dass dort in erster Linie das Konzept, die Idee als solche und weniger die Komposition, geehrt wurde. So wirksam und neuartig dieses Konzept bei dem Bernhard-Wicki-Klassiker auch gewesen sein mag; die SCHACHNOVELLE ging leer aus und besitzt im Vergleich doch die künstlerisch wesentlich ergiebigere Musik, die im Film selber nicht weniger effektvoll agiert. Der komplette Score findet sich natürlich in der glorreichen, editorisch enorm aufwenigen Majewski-Box von ALHAMBRA, und die 1-2 Minuten kakophonischer Geräuschcollagen aus der BRÜCKE sind auf der liebevoll gestalteten BEAR-FAMILY-CD "Deutsche Filmkomponisten Folge 10" enthalten.
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