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Straßenfeger: Deutsche TV-Klassiker und ihre Musik
Angus Gunn antwortete auf Angus Gunns Thema in Filmmusik Diskussion
HEINRICH FEISCHNER Rasante, jazzige Big-Band-Nummern über den Vor- oder Abspanntiteln waren vor einigen Jahrzehnten für die Vertonung von TV-Serien oder -Spielfilmen sehr beliebt. Das klang meißt griffig und angemessen reißerisch, ließ aber in vielen Fällen eine eigenständige musikalische Identität vermissen, und im Rückblick klingen tatsächlich manche der damaligen Overtüren austauschbar. Aber es gab auch Komponisten deren Arbeiten differenzierter und individueller gestalten waren. Einer dieser Komponisten ist der 1961 verstorbene Heinrich Feischner, der es verdient hätte, mal einen kleinen Schritt aus der Vergessenheit herauszutreten. Denn seine Filmmusiken habe ich bei meinen Streifzügen durch die deutsche TV-Geschichte als kleine Kunstwerke wahrgenommen, denen ich hier diesen Beitrag widmen möchte. BEI ANRUF - MORD verfilmt das Drehbuch des Hitchcock-Klassikers mit deutschem Cast erneut. Wie zu der Zeit nicht unüblich, besteht der gesamte Score aus kaum mehr als der knapp zweiminütigen Abspannmusik, und der Komponist nutzt die Gelegenheit die unheilvollen Machenschaften rund um das Mordkomplott in schaurig-schönen Klängen noch einmal in Erinnerung zu rufen. SCHRITTE IN DER NACHT ist ein düsteres Paranoia-Drama, das auf einer Geschichte von Robert Arthur (Urheber der "drei ???") beruht. Feischner kommentiert Erik Schumanns Irrwege durch nächtliche Gassen und eine feindselige Umwelt mit einer ruhigen, aber wirkungsvollen Jazzkomposition, bei der die Klarinette eine nervöse Attitüde ins Spiel bringt. DER GEISTERZUG ist ein komödiantisches Krimi-Kammerspiel mit mildem Mystery-Touch. Nette Kaffee- und Kuchenunterhaltung, aber nicht mehr. Die stimmungsvolle Musik mit leicht burleskem Einschlag ist nach einer Minute schon wieder vorbei, und mehr kommt im ganzen Film auch nicht vor. https://vimeo.com/284349367 -
Straßenfeger: Deutsche TV-Klassiker und ihre Musik
Angus Gunn antwortete auf Angus Gunns Thema in Filmmusik Diskussion
Nein, die "Rih-Melodie" stammt nicht aus dieser Serie. Das Pferd Rih hat in KARA BEN NEMSI EFFENDI kein eigenes Thema, jedenfalls ist mir keines aufgefallen. -
Straßenfeger: Deutsche TV-Klassiker und ihre Musik
Angus Gunn antwortete auf Angus Gunns Thema in Filmmusik Diskussion
Martin Böttcher: KARA BEN NEMSI EFFENDI 1973 wurde erstmals diese vom ZDF produzierte Karl-May-Serie ausgestrahlt. In 26 Episoden von jeweils rund 25 Minuten Länge werden die Orient-Reisen von Kurdistan über den Balkan bis zur finalen Konfrontation mit dem Schut filmisch aufgearbeitet. Und dies geschieht auf eine ebenso unterhaltsame wie spannende Art und Weise. Dabei unterscheidet sich Günter Gräwerts Regiestil grundlegend von den bekannten Kinoadaptionen. Vielmehr fühle ich mich in der Art der Umsetzung an die alten Karl-May-Hörspiel-Platten von "Europa" erinnert. Obwohl in Bulgarien, Tunesien und dem spanischen Almeria gedreht, werden die Landschaften niemals plakativ in epischer Breite in den Mittelpunkt gestellt, sondern sind organischer Bestandteil der Handlung. Gräwert konzentriert sich auf die Charaktere, auf die ausgedehnten, amüsanten Dialoge zwischen Kara Ben Nemsi und seinem Begleiter Hadschi Halef Omar und die zum Teil skurrilen Nebenfiguren. Das gibt den Episoden eine beinahe kammerspielartige Atmosphäre, wobei aber auch die Aktions- und Suspense-Sequenzen mit viel Gespür für Stil und Timing inszeniert worden sind. Karl-Michael Vogler und Heinz Schubert mögen erstmal eine ungewöhnliche Wahl für die Hauptrollen sein, doch stimmt die Chemie zwischen den beiden vom ersten Moment an perfekt. In Erinnerung bleiben auch die zahlreichen Nebenrollen wie Richard Lauffen als Mohammed Emin, Günter Lamprecht als Wirt oder auch Dieter Hallervordens einfältiger Statthalter. Martin Böttcher ist mit seiner Musik ein ganz großer Wurf gelungen. Entsprechend der effektvoll entschlackten Inszenierung hat sich auch Böttcher von den schwelgerischen Streicherteppichen und den massigen Blechbläsern der Kinofilme verabschiedet und beschränkt sich auf ein kleines Ensemble, das mit einschmeichelnder Titelmelodie und knarziger E-Gitarre den Western-Scores von Morricone nahesteht. Wah-Wah-Läufe und exotische Percussionarrangements tragen ebenso zur Atmosphäre bei wie jene mechanisch-krachenden Akkorde, die z. B. auch der japanische Komponist Masaru Sato für Kurosawas "Sanjuro" einsetzte. Mit dem Abspann der letzten Episode ("Rih") klingt diese sehr stilvolle Serie mit einer wunderschönen, elegischen Mundharmonikaversion des Hauptthemas aus. KARA BEN NEMSI EFFENDI ist gerade von Pidax erneut in einer Komplettedition herausgebracht worden. Wer es jedoch auf den Soundtrack abgesehen hat, der sollte nach der Erstauflage Ausschau halten, denn leider hat Pidax die Audio-CD mit der Musik nicht mehr mit an Bord. Oder halt nach dem alten Tarantula-Album. -
Natürlich ist Mißbrauch ein Verbrechen und gehört bestraft, darin sind sich wohl alle einig. Aber es wird im Zuge dieser "meetoo"-Kampagne vieles in den selben Topf geworfen, was nicht zusammenpaßt. Im Fall von Weinstein beispielsweise nennt sich das "Besetzungscouch", und die gibt es vermutlich schon seit Filme produziert werden. Das ist nicht schön und man kann es moralisch verwerflich finden, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die betroffenen Frauen keine andere Wahl gehabt haben. Das sind keine kleinen Kinder, und ich traue einer erwachsenen Frau soviel Selbstbewußtsein zu, Weinsteins aufdringliche Angebote einfach abzulehen. Aber da war wahrscheinlich der Karriere-Gedanke im Hinterkopf zu stark, und im Nachhinein kann man ja immernoch prima in die Opferrolle schlüpfen. Hauptsache der Filmvetrag ist erstmal eingetütet. Das ist ja schon wieder so eine unsägliche Verharmlosung. Ja, das ist schon Scheiße, dass jetzt meine Karriere den Bach runtergeht, dass ich meine Familie verloren habe, dass sich meine Freunde von mir abwenden, dass ich gesellschaftlich erledigt bin, alles irgendwie suboptimal. So´n Mist aber auch. Da gebe ich mir am besten die Kugel (was im übrigen auch schon passiert ist) Leuchtet mir auch nicht ein. Was hat denn das (erwachsene) Mißbrauchsopfer bisher daran gehindert, den Vorfall zur Anzeige zu bringen? Sind die Türen des Polizeireviers nur zu Zeiten von "meetoo"-Aktionen geöffnet? Ich vermute, dass zur Zeit einfach die Sensibilität in der Bevölkerung gegenüber diesem Thema am Größten ist, und dass man sich jetzt der maximalen medialen Aufmerksamkeit sicher sein kann. Ein tatsächliches Mißbrauchsopfer wird nicht zehn bis zwanzig Jahre den passenden Zeitpunkt abwarten.
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Aber selbstverständlich ist das so. Solche Anschuldigungen sind keineswegs Bagatellen. Die können Existenzen zerstören und haben dies auch schon oft genug getan. Dazu braucht man nicht mal nach Amerika schauen. Siehe Kachelmann, siehe Türk. Und das sind jetzt nur zwei Namen, die mir spontan dazu einfallen. Kachelmann hat sich einigermaßen von der Affäre erholt, aber seine Fernsehkarriere ist stark angeschlagen. Und hat man mal wieder irgendwas von Andreas Türk gehört? Der bekommt im TV kein Bein mehr auf den Boden, obwohl sich auch bei ihm die Anschuldigungen als falsch herausgestellt haben. Eine Frau hat die Möglichkeit jeden Mann mit der bloßen Anschuldigung der Vergewaltigung oder auch nur sexuellen Nötigung gesellschaftlich und finanziell zu ruinieren, und es gibt genug Frauen, die narzisstisch und skrupellos genug dazu sind um im Zuge der Berichterstattungen in den Medien den Ruhm abzusahnen. Solchen Verleumdungskampagnen wären doch Tür und Tor geöffnet. Und es ist ja bereits in vollem Gange, wie man sieht. Lohfink hat´s erst kürzlich auch auf diese Weise versucht, und auch ihre Geschichte wurde als Fake enttarnt. Ihre Strafe betrug 10 oder 20.000 Euro, was absolut lächerlich ist, wenn man die Auswirkungen für den Beschuldigten und den skrupellosen Vorsatz bedenkt. Aber mit dem Presserummel um ihre Person und dem damit verbundenen Popularitätsschub dürfte sie ein Vielfaches eingenommen haben. Ziel erreicht.
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Vladimir Godar - HUDBA K FILMOM MARTINA SULIKA Der slowakische Schauspieler und Regisseur Martin Sulik dreht seit über 20 Jahren Filme, von denen die meisten beim westlichen Publikum kaum bis garnicht bekannt sein dürften. Seine Protagonisten müssen sich den unumgänglichen Widrigkeiten des Lebens stellen und durchleben menschliche Schicksalsdramen. Wobei Sulik seine Alltagshelden gerne mit surrealen Erscheinungen und mit skurrilen Ereignissen konfrontiert, die sich als Gespenster des Unterbewußtseins interpretieren lassen. So zumindest ist mein Eindruck von Suliks filmischem Schaffen, nachdem ich mich ein wenig Im Netz umgesehen und ein paar biographische Informationen zu ihm und seinem Werk zusammengeklaubt habe. Denn auch ich gehöre zu den Menschen, die leider noch nie einen Film dieses Regisseurs gesehen haben, obwohl der eine oder andere schon im deutschen Fernsehen ausgestrahlt worden sein soll. Aber auch auf dem DVD-Markt sieht es zur Zeit schlecht aus, sich seine Filme in einer verständlichen Sprache zu beschaffen. Dafür ist aber seine Zusammenarbeit mit dem Komponisten Vladimir Godar auf einer sehr schönen und hörenswerten CD dokumentiert. Das Coming-of-Age-Drama TENDERNESS (deutsch: "Die Zärtlichkeit") von 1991 ist mit zwei Stücken vertreten, die mit einem kleinen Streicherensemble eingespielt wurden. Es folgen drei Stücke aus EVERYTHING I LIKE (deutsch: "Alles was ich mag"), die eine wiederum von Streichern interpretierte Ragtimemelodie einer wunderschönen, spröden und fragil-melancholischen Klavierweise gegenüberstellen. THE GARDEN ("Der Garten") von 1995 ist der wohl bekannteste Film des Regisseurs. Das Drama eines Mannes, der sich aufs Land zurückzieht und es dort im Garten seines Großvaters mit skurrilen Phantasiegestalten zu tun bekommt, begleitet der Komponist mit einem hypnotischen Klangteppich, dessen fein verwobene Ziselierungen erst bei genauem hinsehen, bzw. hinhören, offenbar werden. Auch hier sind die Streicher die dominierende Instrumentengruppe. Eine 16-Jährige Schülerin auf surrealer Reise zu ihrer Mutter gibt es in ORBIS PICTUS zu sehen. Godar erweitert das Ensemble durch eine weibliche Stimme, die mit betörendem Vokalisengesang den sieben Tracks eine eigene Identität gibt. Abschließend werden noch 14 Tracks aus THE LANDSCAPE (deutsch: "Krähwinkel") gereicht. Hier wird die musikalische Palette behutsam etwas erweitert, etwa durch das Einbeziehen osteuropäischer Folklore, oder Passagen mit Piccoloflöte, Dudelsack und Trommeln, was unweigerlich zu militärischen Assoziationen führt. Ein sehr empfehlenswertes Album, das Vladimir Godar als versierten Dramaturgen ausweist, der es versteht, Seelenzustände musikalisch zu sezieren. Obwohl jeder der fünf Scores eine eigene Individualität besitzt, läßt sich die CD dank ihrer durchgehend kammermusikalischen Besetzung und der stilistischen Ähnlichkeiten auch bruchlos am Stück durchhören. Einziger Pferdefuß an der Zusammenstellung ist die relative Kürze vieler Stücke, aber das tut dem überaus positiven Gesamteindruck letzten Endes keinen Abbruch. Hier das letzte Stück aus THE GARDEN, das sehr gut die Stimmung und stilistische Ausrichtung des gesamten Albums wiederspiegelt: Vielen Dank an Ataraxus für den Tipp und das Zur-Verfügung-stellen dieser Filmmusik-Perle.
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Straßenfeger: Deutsche TV-Klassiker und ihre Musik
Angus Gunn antwortete auf Angus Gunns Thema in Filmmusik Diskussion
Genau das ist es. Die allgemein verächtliche Haltung gegenüber deutschen Produktionen, insbesondere des Fernsehens, haben wir nur der Entwicklung der letzten Jahre zu verdanken. Es ist sehr schade, dass dabei alles was älter ist, von den meißten Konsumenten nicht mehr wahrgenommen wird. Der Schauspieler Horst Frank hat kurz vor seinem Tod, Ende der 90er Jahre, noch ein Interview gegeben, in dem er bereits den qualitativen Niedergang deutscher Fernsehproduktionen beklagte. Und er meinte damals schon, die Leute seien im Laufe der Jahre systhematisch entwöhnt worden. -
Aber diese Aufnahmen betrafen nur die Instrumentalparts, oder irre ich mich da? Ich habe mich immer gefragt, ob diese Einspielungen wirklich von den beiden selber gemacht wurden, oder ob das jemand anders verbrochen hat. Vielleicht war das auch ein rechtliches Problem? So oder so hat man den Songs damit wirklich keinen Gefallen getan.
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Straßenfeger: Deutsche TV-Klassiker und ihre Musik
Angus Gunn antwortete auf Angus Gunns Thema in Filmmusik Diskussion
TEUFELSMOOR Diese 6-teilige Mini-Serie von 1982 kannte ich bisher gar nicht, habe sie mir am Wochenende komplett angeschaut und bin immernoch mehr als beeindruckt. Es geht um die Besiedlung und die wirtschaftliche Erschließung jenes niedersächsischen Landstriches, dem man dereinst den Namen Teufelsmoor gegeben hat. Im Jahre 1760 verdingt sich Johann Kehding dazu, an der Kultivierung und wirtschaftlichen Erschließung des Moores teilzunehmen. Die folgenden Episoden zeigen jeweils einen Abschnitt aus dem Leben der nachfolgenden Generationen der Kehdings bis in die Gegenwart und erlaubt sich am Ende sogar noch einen Blick in die Zukunft. Das ist alles unglaublich authentisch inszeniert. Besonders die anfänglichen Episoden, die die schwierigen Lebensbedingungen des 18. und 19. Jahrhunderts darstellen sind großartig und in ihrem rauen, nichts beschönigenden Charakter ungeheuer spannend. Gelegentlich schleicht sich sogar auf skurrile Weise ein mytisches Flair ein (z.B. in der Folge mit dem Meteoriteneinschlag). Einige Grausamkeiten sind auch nicht ohne, und die Szene, die die Schlachtung eines Schafes zeigt, ist wirklich grenzwertig und kaum zu ertragen. Ich hoffe mal, dass es sich dabei um einen Filmtrick gehandelt hat, ganz sicher bin ich aber nicht. Gesprochen wird in plattestem Norddeutsch, wobei sich eine zweite Tonspur mit Überstimme dazuwählen läßt, die die wichtigsten Handlungspunkte zwischendurch in Hochdeutsch zusammenfaßt. Die Musik stammt von Jens-Peter Ostendorf, der u.a. auch Hark Bohms Jugenddrama YASEMIN vertont hat. Das Hauptthema hat einen epischen Charakter, während der Score ansonsten mehr auf ruhige, melancholische Klänge setzt. Ich frage mich wirklich immer wieder, woher der schlechte Ruf herrührt, der der deutschen Filmlandschaft im Allgemeinen anhaftet. An Serien wie dieser kann es nicht liegen. -
Du willst die ganze Box durchgehen? Respekt. Hoffentlich habe ich Dir jetzt nicht ins Konzept gepuscht. Bin gespannt...
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Hans-Martin Majewski: SCHACHNOVELLE Weil der österreichische Rechtsanwalt und überzeugte Antifaschist Werner von Basil sich weigert, Auskunft über die Kirchenschätze zu erteilen, die er im Auftrag des Bischofs vor den Nazionalsozialisten in Sicherheit bringen soll, wird er von der Gestapo verhaftet und wochenlang in Einzelhaft gehalten, um ihm, dem Intellektuellen, die "geistige Nahrung" zu entziehen und somit zu vermürben. Mit einem in die Zelle geschmuggelten Buch über berühmte Schachpartien hält er sich über Wasser und steigert sich in einen wahnhaften Zustand, bis er seine Umgebung nur noch in schwarz-weißen Feldern wahrnimmt. Nach seiner Befreiung besiegt er sogar den amtierenden Schachweltmeister. Die Novelle von Stefan Zweig habe ich, wie viele andere auch, zunächst als Schullektüre kennengelernt. Die Verfilmung von Gerd Oswald nimmt ein paar Änderungen und Erweiterungen vor, die der Novelle letzten Endes zwar ihre außerordentliche Dichte nehmen, aber im Dienste eines anspruchsvollen Unterhaltungsfilmes durchaus Sinn machen. So wird der Personenkreis um den von Hans-Jörg Felmy gespielten Gestapo-Mann Berger und dessen Freundin (Claire Bloom) erweitert, was leicht in einer Schmonzette hätte enden können, doch sind die Rollen so gut geschrieben, dass es für die Verfilmung tatsächlich eine Bereicherung bedeutet. Trotz gemischter Kritiken gilt der Film heute zurecht als Klassiker. Kritisiert wurde vor allem Curd Jürgens, dessen physische Präsenz man als ungeeignet für die Rolle empfand. Ohne Jürgens Leistung schmälern zu wollen, denn er spielt wirklich hervorragend, hätte ich mir die Besetzung tatsächlich auch andersherum vorstellen können - also Felmy in der Rolle des Gefangenen und Jürgens als sein Gegenspieler. Hätte funktionieren können. Ja, es wäre vielleicht sogar die bessere Entscheidung gewesen. Aber auch so bleibt SCHACHNOVELLE ein großer und wichtiger deutscher Filmklassiker, der eine interessante Variation der literarischen Vorlage anbietet. Die Titelmusik ist bemerkenswert. Verzerrte, elektronisch erzeugte Klänge weisen bereits in der Vorspannsequenz auf die trostlose Isolation hin, die der Protagonist im Laufe der Handlung noch zu erwarten hat. Ganz ähnlich wie die kalten, von jeder Wärme und Harmonie befreiten Klangexeperimente, die Majewski in DIE BRÜCKE einsetzt, und die dort einen ähnlichen Zweck erfüllen. Die eindrucksvollsten musikalischen Momente finden sich jedoch in den Sequenzen der Einzelhaft, was auch daran liegt, dass bis dahin nur sehr wenig dramatische Musik eingesetzt wird. In gleichem Maße wie sich von Basils Geisteszustand verwirrt und in die schwarz-weiße Schachwelt flüchtet, bringt Majewski unbequeme bis aggressive Jazz-Elemente sehr effektiv mit ein. Außerordentlich konzentriert und hochdramatisch, zeigt sich hier mal wieder, dass gerade kurze Filmmusiken oft sehr effektiv sein können, sowohl was ihre Wirkung im Film angeht, wie auch als eigenständige Hörerfahrung. Für mich eine der besten deutschen Filmmusiken überhaupt. Für DIE BRÜCKE, bei der Majewski keine Musik in eigentlichen Sinne verwendete, gab es den Preis der deutschen Filmkritik und den Bundesfilmpreis in Gold, und ich frage mich, ob das wirklich gerechtfertigt war. Denn es ist offensichtlich, dass dort in erster Linie das Konzept, die Idee als solche und weniger die Komposition, geehrt wurde. So wirksam und neuartig dieses Konzept bei dem Bernhard-Wicki-Klassiker auch gewesen sein mag; die SCHACHNOVELLE ging leer aus und besitzt im Vergleich doch die künstlerisch wesentlich ergiebigere Musik, die im Film selber nicht weniger effektvoll agiert. Der komplette Score findet sich natürlich in der glorreichen, editorisch enorm aufwenigen Majewski-Box von ALHAMBRA, und die 1-2 Minuten kakophonischer Geräuschcollagen aus der BRÜCKE sind auf der liebevoll gestalteten BEAR-FAMILY-CD "Deutsche Filmkomponisten Folge 10" enthalten.
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AUCH DIE ENGEL ESSEN BOHNEN Das New York der 30er Jahre ist Schauplatz dieser unterhaltsamen Krimikomödie, die mit stilbewußter Ausstattung, spürbarer Spielfreude aller Beteiligten und einigen gelungenen Gags zu überzeugen weiß. Als Ersatz für Terence Hill wurde hier Giuliano Gemma verpflichtet, der seinen Part so trefflich ausfüllt, dass man Hill kaum vermißt. Der Titelsong ANGELS AND BEANS ist mal wieder ein Volltreffer. In der Filmversion von Kathy & Gulliver gesungen, kann er mit einer besonders schrägen Instrumentierung verblüffen. Die Combo scheint, zumindest teilweise, synthetischer Natur zu sein. Zu quietschigen Bläser-Imitationen gesellt sich dann noch diese Lockruf-Pfeife mit der sich Entenlaute imitieren lassen, was eine höchst vergnügliche Swing- oder Ragetime-Parodie ergibt. Der übrige Score ist dagegen mit einem ganz traditionellen Ensemble gemacht und bietet neben authentisch anmutendem Jazz-Amabiente mehrere herrliche Instrumentalversionen von ANGELS AND BEANS. AUCH DIE ENGEL MÖGEN´S HEISS In der Fortsetzung ist wiederum Giuliano Gemma dabei, dafür mußte für den verhinderten Bud Spencer Ersatz beschafft werden, und den fand man in dem schwedischen Sportler Ricky Bruch. Der macht seine Sache zwar sichtlich bemüht, verfügt aber nicht annähernd über Buds Leinwandpräsenz oder dessen Charisma. Das macht diesen Film im Ganzen, trotz einiger gelungener Momente, deutlich schwächer als seinen Vorgänger. Die De-Angelis-Brüder sind allerdings auch hier wieder allerbester Laune, und haben eine Musik gezaubert, von der bisher nur der Titelsong WHY IS EVERYONE SO MAD erschienen ist. Dieser Song wurde, wie so viele andere auch, in den 90er Jahren in einer würdelosen Fassung mit unerquicklichen, elektronischen Klängen verramscht. Auf dem GREATES-HITS-Sampler von RCA ist er jedoch in seiner Originalgestalt enthalten. https://www.youtube.com/watch?v=vxKotopPdZI Habe mir jetzt ´ne Konzertkarte für den 5.10. in Berlin gesichert, inklusive anschließender Aftershow-Party. Sonst noch jemand dabei?
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Das kann ich mir gut vorstellen. "Nachtblende" und "Meine Nächte..." haben mich beide nicht abgeholt, fand ich sehr schwierig. "Die öffentliche Frau" war deutlich besser. Mehr kenne ich nicht von ihm, aber "Der silberne Planet" wäre vielleicht noch interessant, zumindst habe ich schon Vielversprechendes darüber gelesen.
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Der Haentzschel-Sampler scheint mir von den drei vorgestellten der vielversprechendste zu sein. Interessant ist aber auch die Sache mit dem umgeschnittenen Ende von "Via Mala". Das wußte ich noch garnicht. Die Fassung, die ich von diesem Film kenne ist diejenige, die man auf archive.org besichtigen kann. Und das müßte demnach die DDR-Schnittfassung sein. Aber irgendwie erzählt jede der drei Verfilmungen die Geschichte ein bißchen anders. "Via Mala" mit Carl Wery ist aber so oder so wirklich sehenswert und er Froebe-Fassung überlegen. Sollte unbedingt mal auf DVD erscheinen.
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Zunächst mal eine kleine Korrektur aus dem vorhergehenden Text, vorletzter Abschnitt: Das auf der RCA-CD fehlende Stück heißt natürlich nicht "Dreams Adventures" sondern "Dreams Memories". Kein Artikel ohne Flüchtigkeitsfehler. Stört mich selber sehr, aber die fallen mir immer erst dann auf, wenn´s zu spät ist. Nun zu was Neuem: SAVANA VIOLENTA gehört zu den sogenannten "Mondo"-Filmen. Jenes reißerische, auf Sensationslust spekulierende Genre, das sich den Anspruch des Dokumentarischen gibt und das 1964 mit dem weltweiten Erfolg von MONDO CANE seinen Anfang nahm. SAVANA VIOLENTA habe ich bis heute nicht gesehen, da er nicht so ohne weiteres in einer brauchbaren Fassung zu beschaffen ist, und vor allem weil er ein erhebliches Maß an Tiersnuff enthalten soll, wovon ich dann doch lieber Abstand nehmen möchte. Daher sei hier mal das "Lexikon des internationalen Films" zitiert: "In allen Teilen der Welt gefilmte, meißt abstruse, ekelerregende Ereignisse, die belegen sollen, dass der Mensch die schlimmste aller heutigen Bestien sei. Einige amüsante Tierbeobachtungen sind nur Lückenfüller." Die Musik läßt sich dagegen auch ohne Gewissensbisse goutieren, ist sie doch wie immer melodisch eingängig und im Gegensatz zum Film zum größten Teil von ausgesprochen friedvollem Charakter. Das Anfangsthema SAVANA zieht mit Streichern, sanfter Rhythmusbegleitung, wortlosem Chor und akzentuierenden Trompeten vier Minuten lang seine Bahn wie ein gemächlich dahinfliessender Strom im Sonnenuntergang. Das beschwingte LET´S SING A SONG wird von einem Kinderchor mit orchestraler Unterstützung interpretiert, TERREMOTO bringt das SAVANA-Thema in einem herrlichen Arrangement für Solo-Gitarre und sehr behutsam eingesetzten Streichern. Weitere Inkarnationen dieser Melodie sind u.a. das spanisch eingefärbte, tempramentvoll-mitreißende SUBENDA, das mit Sitar und Männerchor ausgestattete GANGE, das humorvolle ELEFANTI MARINI und das amerikanische Hoedown-Thema CHINGHILAI E BABBUINI. Sehr warmherzig ist auch die nach Gospel klingende ANTHEM-Hymne, wogegen LA MORTE CHE RIDE das einzige Stück dieses Soundtracks ist, in dem sich die reißerische, grausame Seite des Films musikalisch zeigt: Langgezogene, beunruhigende Streicherflächen, die immerwieder von aggressiven Crescendos seitens der Percussions und des Blechs unterbrochen werden. Sehr wirkungsvoll. Die CD von CAM ist inzwischen rund 20 Jahre alt. Eine erweiterte Neuauflage würde ich sehr begüßen. Von Zeit zu Zeit begegnen einem Teile dieser Musik auch in anderen Filmen. So macht z.B. der spanische Paul-Naschy-Reißer THE WEREWOLF ausgiebigen Gebrauch von LA MORTE CHE RIDE. Und der Uploader des IRONMASTER-Themas war anscheinend nicht darüber im Bilde, dass es sich hierbei um den Track GANGE aus SAVANA VIOLENTA handelt, sonst hätte er das Stück dort entnehmen können anstatt es direkt vom Filmton zu ziehen: https://www.youtube.com/watch?v=s4gugYCKcIg Und das ungemein entspannende Titelthema: https://www.youtube.com/watch?v=qUjiyZ9FEpY
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Dann vergiß aber auch SKY BANDITS nicht. Ist bei Tarantula immernoch für läppische 12 Ocken zu haben. Anscheinend ein Ladenhüter, weil nicht Williams draufsteht.
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Ich höre gerade folgendes Album...(Teil 2)
Angus Gunn antwortete auf Marcus Stöhrs Thema in Filmmusik Diskussion
Manchmal entdeckt man in der eigenen Sammlung noch fast vergessene Schätze. Ewig nicht mehr gehört und aus einer Laune heraus eingelegt: In ON THE THRESHOLD OF SPACE geht es um wissenschaftliche Flugexperimente, die bis "An die Schwelle des Orbit" führen. Und was für ein phantastischer Score, den Lyn Murray hier geschrieben hat. Ohne Heroismen, die bei dem Thema eigentlich zu erwarten wären, sondern eine hochdramatische und bis zur letzten Note mitreißende Filmmusik. Großartig! Der Sawtell ist aber auch nicht zu verachten. Was THRESHOLD an musikalischem Patriotismus fehlt, gleicht HUNTERS locker mit einem glorreichen Heldenmarsch wieder aus. Könnte von Alfred Newman sein, und das gilt auch für die überaus sinnlichen Streicherorgien beim Liebesthema. Den Luftkämpfen verleiht Sawtell mit druckvollen Hörnern die nötige Wucht. Und als Rausschmeißer gibt es noch einen famosen, westernmäßigen Trailersong der HUNTERS. He flies just like a bird of pray, he hungers for a kill each day, one day soon he´ll have to pay...the Hunters! - Das treibt direkt den Testosteronspiegel in die Höhe. - Zwei Spitzenscores auf einer CD, heute wiederentdeckt. -
Andrej Korzynski - POSSESSION Als Marc (Sam Neill) in seine Heimat Berlin zurückkehrt, stellt er fest, dass seine Frau Anna (Isabelle Adjani) nicht mehr dieselbe ist. Sie wirkt verstört, oft geistesabwesend und neigt dazu sich selber die Haut aufzuritzen. Marc versucht herauszufinden, was in der Zeit seiner Abwesenheit geschehen ist, hat zunächst ihren Liebhaber (Heinz Bennent) in Verdacht, bis die Spur in ein schäbiges Wohnhaus nahe der Berliner Mauer führt, in dem eine abstoßende Tentakelkreatur haust, mit der Anna ein sexuelles Verhältnis hat. Extreme zwischenmenschliche Beziehungen waren schon immer ein zentrales Motiv in den Filmen des polnisches Filmemachers Zulawski, und POSSESSION bietet neben seiner vordergründig erzählten, höchst geschmacksunsicheren Horrorgeschichte (die dem Film in mehreren Ländern massive Zensurprobleme einhandelte) natürlich vielfältige Interpretationsmöglichkeiten. Dabei ist der Inszenierung eine eigentümliche, morbide und doch sehr naturalistische Atmosphäre zu eigen, zu denen auch die trostlosen berliner Schauplätze beitragen. Aus seinen Darstellern holt Zulawski unglaubliche Leistungen heraus. Gerade bei Adjanis Szene im U-Bahn-Tunnel ist wirklich alles aus. Eine derartig obsessive Darstellung von monströser Besessenheit würde man der sonst oft so unterkühlt agierenden Schauspielerin kaum zutrauen. Ein surreales Meisterwerk fernab ausgetretener Mainstream-Pfade. Die Musik des experimentierfreudigen Komponisten Korzynski ist vor ein paar Jahren erstmals und komplett beim rührigen Label "Finders Keepers" erschienen und muß mit Vorsicht genossen werden. Denn wie schon beim Film selbst ist auch auf musikalischer Seite eine ähnliche Aufgeschlossenheit seitens des Konsumenten notwendig. Der Score wurde in erster Linie mit elektronischem Equipment erstellt, wobei in einigen Stücken, wie OPETANIE oder ORCHESTRAL THEME, auch echte Streicher zum Einsatz kommen, die tragisch-nihilistische Melodien zum synthetischen Klangbrei intonieren. Das erzielt schon eine gewisse Wirkung, und auch den übrigen Tracks mit ihren mysteriösen Klangeffekten, den skurrilen Drehorgel-Motiven und dem rocklastigen Titelthema ist eine ganz eigenwillige Stimmung zu eigen. Trotzdem wird dieser Soundtrack, so lobenswert eine Ausgrabung wie diese auch ist, von den meisten, und da schließe ich mich selber nicht aus, als zu anstrengend und inkohärent empfunden werden. Interessant, ja, aber als autonomer Score mitunter schwer verdaulich und daher nur unter ausdrücklichen Vorbehalten zu empfehlen. https://www.youtube.com/watch?v=N-EdPGg3Em8
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Eben. Gerade bei einem Volk, das sich sonst wie kaum ein anderes rühmt, zu den finsteren Kapiteln seiner Vergangenheit zu stehen, finde ich es genauso blödsinnig Propagandafilme zu verbieten (bzw. nur unter besonderen Umständen vorzuführen), wie ich es fände deren musikalisches Erbe aufgrund der äußeren Umstände ihrer Entstehung zu ignorieren. Das nur als Gedankenspiel am Rande. Ich will das jetzt auch nicht weiter vertiefen, und eine CD-Edition ist ja nun in der Tat höchst unwahrscheinlich. Aber man sieht ja an den überraschend aufgetauchten Musikschnipseln, dass letzten Endes nichts in Stein gemeißelt ist. Danke an scorefun für dieses interessante Fundstück. Der "Strandausflug"-Ausschnitt hat tatsächlich eine phantastische Musik, OPFERGANG werde ich mir definitiv noch anschauen, allerdings nicht auf YT, was ich nur dann tue, wenn´s sonst keine andere Möglichkeit gibt, sondern ordnungsgemäß von DVD. Diese Capriccio-CD-Reihe ist damals irgendwie völlig an mir vorbeigegangen. Dein Text macht allerdings neugierig, und ich bin gespannt, was da noch kommt.
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Warum eigentlich? Ja, es würde möglicherweise aus der einen oder anderen Ecke Empörung hervorrufen, aber selbst in unseren hypersensiblen Zeiten kann ich mir nicht vorstellen, dass die Neu-Einspielung einer Filmpartitur Anlaß für größere Turbulenzen gäbe, selbst wenn es sich dabei um JUD SÜSS (sehr guter Score im übrigen) und andere Vorbehalts- und Propagandafilme handeln würde. Im Gegenteil würde ich sogar einen erheblichen Werbeeffekt prophezeien. Über die geschichtlichen Begleitumstände ließe sich dann ja in einem Booklet aufklären. Also ich sehe da überhaupt keine Bedenken. OPFERGANG muß ich mir mal anschauen, wenn der hier so angepriesen wird.
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Oh, das ist ja wieder was für mich! Den vorgestellten Sampler kenne ich nicht. Es ist wirklich so, dass es sehr wenig Aufnahmen deutscher Filmmusik aus den 30er bis 50er Jahren gibt, und wenn dann wurden sie oft direkt der Filmtonspur entnommen. Von daher ist so eine CD schon eine lobenswerte Sache, auch wenn die Beschränkung auf Revuenummern, Schlagermelodien und seichten Orchesterschmalz (was hat eigentlich "Meuterei auf der Bounty" da verloren?) sicher zu wünschen übrig läßt. Es gäbe aus dieser Epoche noch viel mehr zu entdecken. Wohlan, der erste Schritt ist getan. Es gibt viel zu tun...
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Ah, man muß nur tiefgründiger forschen. Sehr schön, danke, Krabat!
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Alfi Kabiljo - NIKOLA TESLA Schon seit einem Jahr auf dem Markt und noch kein einziger Track auf Youtube zu finden. Offenbar ein selbst von Filmmusik-Fans völlig unbeachtetetes Werk zu einer aufwendigen, kroatischen Mini-Serie über den berühmten Physiker. Kabiljos Score hätte mit seinem großen Melodienreichtum und seinem sinfonischen Atem unbedingt mehr Aufmerksamkeit verdient. Eigentlich ließe sicher jeder der 32 Tracks als leuchtendes Beispiel präsentieren, deswegen möchte ich hier lediglich auf eine persönliche Auswahl an denkwürdigen Stücken hinweisen. Die OPENING CREDITS verströmen bei aller epischen Wucht auch eine unüberhörbare Tragik und besitzen schon fast eine Attitüde des Unheilvollen. PASSAGE TO AMERICA ist ein großartiges, mit Streicher-Ostinato unterlegtes und vielfältig ausgeschmücktes Stück "Reise"-Musik. BROTHER´S FUNERAL ist nicht minder episch orchestriert und dabei von geradezu niederschmetternder Schwere. Ebenfalls für viel Abwechslung sorgen die folgenden Tracks, wo Kabiljo jedem der von Tesla bereisten Städte ein eigenes Thema zuordnet und dabei jeweils auf etwas Charakteristisches zurückgreift. Eine tänzerisch-burleske Variete-Nummer für PARIS, einen royalen Walzer für LONDON, ein auf Jazzstrukturen aufbauendes Thema für NEW YORK. PRAGUE erhält ein ausladendes streicherbetontes Thema, das ein wenig an John Barry erinnert. Am eindrucksvollsten ist die sinfonisch ummantelte Czardas für BUDAPEST, die natürlich nicht zufällig an den Stil eines Miklos Rozsa denken läßt. Richig packend wird es in SECOND WORLD WAR, "which shows the composers playing with bits of famous partisan and allied songs´ themes within a very sharp rhythm of the strings, imprisoned in dissonant chords." (Zitat aus dem Booklet) und MOTHER´S FUNERAL gerät mit seiner traurig-schwermütigen, solistischen Streicherstimme zum ergreifendsten Stück des Scores. Ganz große Filmmusik von überschäumendem Einfallsreichtum und ungewöhnlicher Themenvielfalt.
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MANNAJA - DAS BEIL DES TODES Irgendwann, es muß noch in den 80ern gewesen sein, da kündigte RTL Plus im Nachtprogramm diesen Italo-Western an und ich konnte es kaum erwarten endlich mal eine andere musikalische Seite der De-Angelis-Brüder kennenzulernen, und die vernichtende Kritik im zeitgenössischen Filmlexikon, in der vor allem die ausufernde Brutalität bemängelt wurde, steigerte nur meine Neugier auf dieses "üble" Zelluloid-Machwerk. Ich war dann auch wirklich schwerst beeindruckt. Es war nicht nur äußerst düstere Atmosphäre, die Sergio Martino in seiner Inszenierung erzielte, sondern vor allem auch die Musik mit ihrem balladesken Titelsong und den gespenstischen Sphärenklängen (gerade in der Eröffnungssequenz, in der ein Mann durch eine nebelverhangene Sumpflandschaft gehetzt wird) die mir einen neuen Horizont eröffneten, waren mir doch bis dahin nur die Meisterwerke von Leone und Corbucci bekannt. In MANNAJA begegnete mir erstmals eine andere Art von Italo-Western - ein dreckiges, kleines, doch mit sicherer Hand inszeniertes B-Movie, das auch noch einen ganz anderen musikalischen Ansatz aufwies. Ohne Orchester, ohne Deguello-Trompeten, sondern mit kleinem Solisten-Ensemble höchst effektiv umgesetzt. Ich machte mich also unverzüglich auf der Suche nach einer Soundtrack-LP und wurde bei Hubert (hier im Forum als Bastet bekannt) fündig, der damals noch seinen Vertrieb in Telgte hatte und den ich schon von diversen Filmbösen her kannte. Die 7 Tracks auf dem Vinyl-Album (nur A-Seite) boten dann auch tatsächlich genau das, was zu erwarten war, deckten sämtliche Facetten des Scores ab. Der Titelsong WOLF ist jene unvergessliche, mit whiskeygeschwängerter Bass-Stimme interpretierte Ballade, die im Film mehrmals eingesetzt wird. OK COWBOY ist ein wunderschönes, pastorales Zwischenspiel für Gitarre, Mundharmonika und Flöte, gefolgt von THE UNKNOWN, jenem geisterhaften Klanggebilde aus der Pre-Title-Sequenz. Es folgt ein ungemein flotter Folklore-Tanz namens CHEERFUL SALOON, der im Film einen sehr effektvollen Einsatz hat, als ein von Vallers Schergen ausgeführtes Massaker mit eben jenen fröhlichen Klängen kontrapunktisch zusammenmontiert wird. DREAMS MEMORIES beinhaltet jene schroffen, kalten Mundharmonika-Akkorde die z.B. den Suspense in der Pokerszene unterstützen. SNAKE ist der zweite Song des Films, der im letzten Viertel nochmal eine völlig neue Melodie einführt. Mit der ruhigen, wunderbar melodischen Instrumentalversion des Titelsongs TO THE ADVENTURE klingt das Album aus. Die CD-Versionen bieten natürlich Erweiterungen des Soundtracks, wobei auf der RCA-Ausgabe das Stück DREAMS ADVENTURES fehlt und das Programm dort auch etwas zu repitiv ausgefallen ist. Die Cometa-CD bietet eine bessere Zusammenstellung und berücksichtigt z.B. auch die Instrumentalversionen von SNAKE. Schade ist nur, dass es die Abspannmusik bisher auf keinen der drei Tonträger geschafft hat. Da werde ich wohl auf eine zukünftige Deluxe-Edition warten müssen. Ein sehr gelungener Score, der mit bergenztem Instrumentarium auskommt und dabei auch von synthetischen Klängen Gebrauch macht, die seine besondere Atmosphäre trefflich unterstützen. Die Vinyl-LP gehört seit dem zu den wohlgehüteten Schätzen in meiner Sammlung, und Film wie Musik haben für mich einen ganz persönlichen Kultstatus inne.
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ORZOWEI besitzt in der Tat einen äußerst markanten und originellen Titeltrack. Anscheinend hat man hier noch drei weitere Tracks aufgetrieben, die auf der bisherigen CD fehlten. Die Serie hieß bei uns WEISSER SOHN DES KLEINEN KÖNIGS und ist bei Pidax auf DVD erschienen. Interessant ist, dass eben dieser ORZOWEI-Titelsong erst ab der 4. Episode zum Einsatz kommt (und im Gegensatz zur CD in englischer Sprache gesungen). Die ersten drei Episoden starten mit einem völlig anderen, funkigen Synthesizer-Stück, das auch seinen Reiz hat, aber auf dem Album fehlt. Auch einige andere in der Serie eingesetzte Stücke, die zum Teil stark nach De Angelis klingen, finden sich nicht auf der CD. Im Booklet vermutet man Archivmusik. Bin gespannt, was die neuen Tracks bringen, aber auf die alte CD ist allein schon deshalb nicht zu verzichten, weil dort der wirklich geniale Score zum Camorra-Drama IL MARSIGLIESE mit an Bord war.