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Soundtrack Board

Angus Gunn

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Alle Inhalte von Angus Gunn

  1. Filmbörsen-Ausbeute. Normalerweise kaufe ich keine Filme, die ich bereits in guten Editionen im Regal stehen habe. Aber wenn es sich um persönliche Lieblingsfilme handelt (die dann auch noch mit einem so tollen Cover bedacht wurden) dann werfe ich diese Regel gerne mal über Bord. CAPTAIN CLEGG (aka NIGHT CREATURES) ist ein großartiger, britischer Piratenfilm mit Schauermotiven. Der Score von Don Banks betont letztere und ist sehr dramatisch. Auf Tonträger hat er es bislang nicht geschafft, noch nicht mal auf jenen Hammer-Collection-CDs von GDI ist er vertreten.
  2. Heute auf der Filmbörse ergattert. Die neue Edition von Fulcis selbst für Italo-Western-Verhältnisse enorm grimmigen "Verdammt zu leben, verdammt zu sterben" präsentiert den Film endlich in einer würdigen, sorgfältig restaurierten Fassung. Normwandlungsartefakte wie in vorangegangenen Editionen sind Geschichte, und der deutsche Kinoton klingt klar und sauber wie nie zuvor. Einziger Pferdefuß sind die immernoch vorhandenen Passagen die nur im O-Ton vorliegen. Es wurde also nicht nachsynchronisiert, weshalb man mehrmals in die schlechter klingende italienische Tonspur geworfen wird. Dennoch kann man mehr als zufrieden sein, zumal auch das Bonusmaterial stimmt: In einem 20-minütigen Special weiß der sympathische Fabio Frizzi einige Anekdoten über den Werdegang von "Bixio-Frizzi-Tempera" und natürlich über die Arbeit an "I Quattro dell´Apocalisse" zu berichten. Demnach wurde der Film zunächst mit Songs von Bob Dylan getemptrackt, was für den jungen Komponisten erstmal mit großer Bestürzung zur Kenntnis genommen wurde, da er sich nicht in der Lage sah mit dem großen amerikanischen Songschreiber mitzuhalten. Natürlich begab man sich schließlich doch ans Werk und kreierte einen Score, mit dem Fulci sehr zufrieden war. Ridin´ on the dusty road together, four people who don´t know their destiny... Als Warnung vorweg: I QUATTRO DELL`APOCALISSE wird nicht jedermanns Zustimmung finden. Hörer, die ausschließlich traditionell auskomponierte Filmmusik gelten lassen, sollten an dieser Stelle nun die Lektüre dieses kleinen Esseys beenden. All jene, die auch mal andere Konzepte zulassen und populären Musikstilen nicht abgeneigt sind, dürfen gerne weiterlesen: Hauptthema ist der balladeske Song MOVIN´ON, der auch stilistisch die Richtung des Scores vorgibt. In einer Mischung aus Country, Westcoast und Folk mit einem Schuß Beatclub gibt es noch vier weitere Songs, die allesamt, mal instrumental, mal gesungen, ihren Platz im Film bekommen. Gitarrenlastig instrumentiert und interpretiert von "Cook and Benjamin Franklin Group", sind sie melodisch ansprechend, sorgen für Abwechslung auf dem Album und stehen im krassen Gegensatz zu der nicht unbeträchtlichen Gewalt in Fulcis Inszenierung. Der Film selber beginnt mit einem exzellenten, orchestralen Suspense-Motiv, als sich in der Stadt Unheil anbahnt, Revolver geladen werden und vermummte Gestalten in Fenstern erscheinen. Obwohl es einer der eindrucksvollsten musikalischen Momente im Film ist, fand sich ausgerechnet dieser Track seinerzeit nicht auf dem Vinyl-Album, weswegen er auf den CD-Editionen auch erst im Zusatzmaterial auftaucht. Überhaupt sind die spannungsorientierten Orchesterarrangements die heimlichen Höhepunkte des Scores, allen voran das aufpeitschende ON THE TRACES OF CHACO, aber auch das ruhige und sinistere SLOW VIOLENCE, das sehr effektiv in einer äußerst unerquicklichen, drastischen Szene eingesetzt wird. Der von Tomas Milian grandios verkörperte Antagonist Chaco bekommt mit dieser Musik wahrlich eine würdige akustische Begleitung verpaßt. BUNNY LOVE SONG ist degegen ein friedvolles, von Mundharmonika und Streichern getragenes Instrumentalstück, das dem einzigen weiblichen Charakter, der jungen Prostituierten Bunny, gewidmet ist. Die Sequenz, in der sie in einem schmuddeligen Schürfercamp ein Kind zur Welt bringt und die dort ansässigen Grobklotze zu Tränen rührt, ist eine der schönsten in Fulcis Oeuvre und zeigt, dass er auch ganz anders konnte. Der Soundtrack ist inzwischen zweimal auf CD erschienen, wobei beide Fassungen inhaltlich identisch sind. Die Tracks 1-14 sind das einstige LP-Programm. Dem folgen acht zusätzliche Tracks, die in der Neuauflage von Penta Music einzeln aufgedröselt, auf der Cinevox-CD von 1998 als OUTTAKES SUITE in einem einzigen Track untergebracht wurden.
  3. Zweifellos ist die Popularität dieser Musik dem Moonglow-Love-Theme zuzuschreiben. Es ist sicherlich ein hübsches Thema, das sich gut vermarkten läßt, mehr aber auch nicht. Duning war ein großartiger Dramatiker, und das spürt man bei PICNIC, wenn sich in die eigentlich romantisch gefärbte Partitur dramatische Zwischentöne einschleichen. Das ist schon gekonnt gemacht, wie er hier brodelnde Emotionen in Töne umzusetzen weiß. Empfehlen würde ich aber eher "Toys in the Attic", der einen ganz ähnlichen Ansatz hat, aber noch um einiges intensiver ist.
  4. Franco Bixio / Fabio Frizzi / Vince Tempera - LA PECCATRICE Dieser Film ist hierzulande nahezu unbekannt, da er nie für den deutschsprachigen Raum bearbeitet wurde. Und da auch die italienische DVD keine Untertitel anbietet, kann ich die Handlung nur oberflächlich wiedergeben. 1950: In abgelegener Provinz arbeiten sämtliche Bewohner eines sizilianischen Dorfes für den Minenbesitzer Turco. Auf dessen Land arbeitet auch die exotische Schönheit Debra, die sowohl von Turco wie auch von dessen Sohn begehrt wird. Es kommt zu einem Vater-Sohn-Konflikt, der die Lebensgrundlage des gesamten Dorfes gefährdet. Schon bald wird Debra der Hexerei bezichtigt, und die Frauen des Dorfes schreiten zur Tat. Ein ambitionierter Film mit tragischem Ausklang, dessen relativ schwache Regie leider das dramatische Potential nicht richtig zu nutzen weiß. Die Musik stammt von Bixio, Frizzi und Tempera, die in dieser Dreier-Formation in den 70er Jahren in allen möglichen Filmgenres unterwegs waren. Am bekanntesten sind sie wahrscheinlich durch ihre Zusammenarbeit mit Lucio Fulci, vor allem dessen großartig-nihilistischen Western "I Quattro dell´Apocalisse" und den exzellenten Giallo-Thriller "Sette note in nero". PECCATRICE ist ein anderes Kaliber, und es ist vermutlich der Obskurität des Filmes geschuldet, dass diese Musik bisher noch nicht auf CD erschienen ist. Der Score besteht im Wesentlichen aus zwei Themen. Eines wird im ersten Track als wehmütiges Streicherarrangement mit Klavierbegleitung und wunderbarem, konzertantem Finale vorgestellt. Das zweite ist in der Folkloremusik verankert und wird im Film als Titellied ("La Piccatura") vorgetragen. Gesungen wird es von der sizilianischen Folksängerin Rosa Balistreri, deren überaus markante Stimme auch von Ennio Morricone für das Mafia-Drama "Il Prefetto di Ferro" eindrucksvoll genutzt wurde. Beide Themen erhalten gefühlvolle Varianten, mal mit Holzbläsern und Gitarren, mal mit Klavier und Streichern. Hervorzuheben ist das ruhige, makellos-elegante "Omerta", das mit Maultrommel und Pfeifen ein wenig an Italo-Western-Klänge erinnert, was auch im Film gut zur kargen Landschaft paßt. Energisch und spannend ist "Uomini Zolfo", bei dem Maultrommel, Snaredrum und Streicher einen harschen Rhythmus vorgeben, den man in ähnlicher Form auch von Morricone her kennt, gleichermaßen skuril wie dramatisch. Vielleicht kein ganz großer Wurf, aber ein schöner, geschmackvoll komponierter und orchestrierter Score mit eingängigen Themen, der durchaus etwas Aufmerksamkeit verdient, und deswegen von mir hier mal vorgestellt wurde.
  5. 1100 Jahre vor Christus: Zu den kärglich spröden Klängen der einleitenden Musik schwenkt die Kamera von der Spitze einer felsigen Erhebung über eine unwirtliche Wüstenlandschaft bis zu einer Gruppe von Menschen, die sich samt ihrer paar Habseligkeiten und mitgeführtem Vieh durch diese Einöde hindurchbewegt. Es sind die von Moses geführten Stämme der Kinder Israels, die nach 40 Jahren das gelobte Land im Tal von Kanaan erreichen und sich dort niederlassen. So beginnt Roberto Rosselinis IL MESSIA, der sich auch im Folgenden sehr genau an die vier Evangelien hält. Gefilmt ist das Ganze in einem sehr nüchternen, geradezu trockenen Inszenierungsstil. Die Kamera fängt das Geschehen ohne erkennbare künstlerische Ambitionen ein, schwenkt wie improvisiert über die bukolisch ausgestatteten Szenarien, zoomt willkürlich Details heran, und Schnitte werden nur gesetzt, wenn´s gar nicht mehr anders geht. In Wirklichkeit ist das alles natürlich das Ergebnis einer exakt ausgearbeiteten Dramaturgie, die die allseits bekannte Geschichte in ein naturalistisches Gewand kleidet und auf publikumswirksamen Ausstattungsprunk, Actionszenen oder sonstigen Zierrat verzichtet. Selbst das königliche Domizil eines Herodes bietet nicht mehr fürs Auge als schlichte Lehmziegelwände, acht bis zehn Komparsen und dem Allernötigsten an Dekor, um die Handlung zeitgeschichtlich einzuordnen. Der größtmögliche Gegensatz zu einem Film wie "König der Könige" also. Der Vorläufer von IL MESSIA ist der ein paar Jahre vorher gedrehte TV-Mehrteiler GLI ATTI DEGLI APOSTOLI (siehe weiter oben), und die stilistischen Ähnlichkeiten in Mario Nascimbenes Musik sind offensichtlich. Der Erlöser selbst erhält durch die Klänge einer Flöte eine Art von Leitthema. Ein sehr einfaches, folkloristisches Motiv, ohne Echohall oder sonstiges konzertantes Brimborium, sondern schlicht und trocken intoniert. Dem gegenüber stehen eigenwillige, kakophonische Klangschöpfungen a la ONE MILLION YEARS B.C., etwa in einer recht schockierenden Szene, in der einem Stier demonstrativ vor versammeltem Volk Kopf und Beine abgeschlagen werden. Szenisch bedingte Musik wie murmelnde Chöre oder die Untermalung von Festivitäten sorgen hier und da für Kolorit, ansonsten wird mit Musik äußerst behutsam gewirtschaftet. Eine Veröffentlichung auf Tonträger hat es auch hier nie gegeben (Ausnahme: die Titelmusik auf dem 3-LP-Set "L´Impronta del Suono"). Wünschenswert wäre das allemal, denn es ist ein interessanter, spannender Score, klischeefrei und fernab von jeglichen Konventionen. Als Kontrastprogramm zu den Hollywood-Klassikern ist aber auch der Film selber eine Sichtung wert. Ausschließlich visuell orientiertes Publikum wird er kaum begeistern, Cineasten können sich an ihm abarbeiten.
  6. Wenn ein Regisseur einen (oder mehrere) Musiker engagiert, die aus einem ganz anderen musikalischen Umfeld kommen, und mit der Vertonung von Filmen sonst nichts zu haben, dann erwartet er (der Regisseur) i.d.R. keinen klassischen Filmscore, sondern möchte für seinen Film den Stil des jeweiligen Musikers anwenden, da er diesen als besonders geeignet empfindet. Das hat in der Filmgeschichte schon zu manch exzellenten Ergebnissen geführt (siehe Miles Davis´ "Fahrstuhl zum Schafott", Paul Giovannis "Wicker Man" u.v.a.) Tangerine Dreams SORCERER gehört in diesen glücklichen Reigen, denn die Stücke der deutschen Synthie-Rock-Formation geben Friedkins exzellentem "Lohn-der-Angst"-Remake eine ungemein dichte Atmosphäre, die die ohnehin schon starken Bilder enorm unterstützt ohne dabei zum Selbstzweck zu verkommen. Das erinnert, sowohl in Komposition wie auch in der suggestiven Wirkung an die besten Scores von John Carpenter. Ich bin sonst kein besonderer Kenner ihrer Werke und habe auch längst nicht alles gehört, aber von all dem, was mir aus ihrem späteren Filmschaffen so zu Ohren gekommen ist, hat nichts ein ähnlich strimmungsvolles Klangkolorit erzielt und war in manchen Fällen sogar arg unpassend (z.B. Firestarter). SORCERER dagegen bietet großartige Tracks, die sowohl im Film wie auch als Album aufs Trefflichste funktionieren.
  7. Es hat wohl zumindest Gespräche zwischen Hawks und Tiomkin über HATARI gegeben. So steht´s jedenfalls im Booklet zu lesen. Hawks war zu dem Zeitpunkt dem großen Golden-Age-Klang überdrüssig geworden. "Look, I don´t want one violin, I don´t want one cello, I don´t want any woodwind. I want native instruments or something else that you can think of." Antwort: "That´s a great idea, boss!" Am nächsten Tag rief Tiomkin an: "You were fooling, weren´t you?" Antwort Hawks: "You´re fired, Dimi." Ich mag solche amüsanten Geschichten. Die Wild Victory Whistles hört man direkt im Anschluß an die große Schießerei mit Burdettes Männern, also auf CD 2 zwischen Track 7 und 8. Und wenn ich mich nicht täusche, dann müßte es die Version von Track 26 sein. Die Harmonica Chords kann ich auch nicht zuordnen. Eigentlich können die ja nur von Stumpy kommen, wüßte aber nicht, wo der solche Töne von sich gibt.
  8. Ein Kriegsdrama von 1961 mit Mel Ferrer, dem verläßlichen Peter van Eyck und Ida Galli (später Evelyn Stewart) in einer ihrer ersten Rollen. Als im besetzten Bosnien ein Attentat auf einen deutschen Militärzug verübt wird, sieht das Kriegsgesetz vor, 30 Zivilpersonen aus dem Ort als Vergeltung hinzurichten, sofern sich der Täter nicht ermitteln läßt. Hauptmann Langenau (van Eyck) läßt also 30 Menschen selektieren, auf dem verschneiten Dorfplatz aufstellen und setzt das Ultimatum auf 16 Uhr fest. Auch wenn Regisseur Paolinelli den Stoff nicht immer ganz im Griff hat und sich bei manch einem Charakter zu sehr auf das Klischee verläßt, so ist ihm doch ein spannendes, mitunter intensives Drama gelungen, denn je weiter man sich dem Ablauf der Frist nähert, umso mehr liegen die Nerven blank. Und es dauert nicht lange, da wird auch jemand gefunden, den man als vermeintlichen Täter ausliefern kann. Bemerkenswert an diesem Film ist aber auch seine musikalische Ausgestaltung. Denn Paolinelli verzichtet nahezu gänzlich auf Musikuntermalung und kann sich das auch leisten. Lediglich das berühmte schottische Volkslied "Auld Lang Syne" hat in einem Arrangement für Orchester und Klavier seinen Auftritt, als es von einer Schallplatte abgespielt wird und für zwei Minuten die eisige, bedrückende Stimmung durchbricht. Komponist von LEGGE DI GUERRA ist, natürlich, Mario Nascimbene. Ob er für die Source-Music verantwortlich ist, kann ich leider nicht sagen, aber er hat das einzige Stück echter Filmmusik beigesteuert, das im gesamten Film zu hören ist. Es beginnt mit wortlosem Chor während der tragischen Bilder in den letzten Handlungssekunden und schwingt sich während des Abspanns zu einem ergreifenden, stark russisch gefärbten, Orchesterfinale auf. Auf Tonträger hat es diese Musik leider nicht geschafft. Der Film jedoch ist durchaus sehenswert und kann auf der DVD-Edition von "Filmjuwelen" begutachtet werden.
  9. Das finde ich ja großartig, dass Peter Hyams hier so viel Aufmerksamkeit bekommt. "Narrow Margin" habe ich tatsächlich seinerzeit im Kino gesehen (weil ich Capricorn One und 2010 so mochte). Ich weiß sogar noch, dass der im "Europa" auf der Graf-Adolf-Straße in Düsseldorf lief. Aber nicht im Kino 1, sondern in einem der kleinen Nebelsäle und war auch nach spätestens 2 Wochen wieder verschwunden. Dass es ein (mindestens genauso gutes) Original von Richard Fleischer gibt, wußte ich damals noch nicht, und bekam dieses auch erst sehr viel später zu sehen.
  10. Schon ewig (wahrscheinlich seit der CD-Veröffentlichung 2009) nicht mehr gehört und gerade sehr angenehm überrascht, wie gut die ist! King Vidors im 18. Jahrhundert angesiedelter NORTHWEST PASSAGE enttäuscht viele Zuschauer, die einen Film über die Entdeckung der Nordwestpassage, jene Schiffahrtsroute, die durch die kanadisch-arktischen Meeresstraßen führt und den Atlantik mit dem Pazifik verbindet, erwarten. Dieser erste Teil erzählt lediglich die Vorgeschichte, und macht uns mit dem von Spencer Tracy gespielten Major Rogers vertraut. Der finanzielle Mißerfolg (und angeblich auch Unstimmigkeiten zwischen Vidor und Tracy) sorgten dafür, dass der geplante zweite Teil leider nie inszeniert wurde. Aber auch mit dem halben Werk läßt sich´s gut leben, ist es doch ein aufwendiger, angenehm altmodischer Abenteuerfilm, der freilich auch die zeittypischen Klischees bedient. Herbert Stotharts Score wird von einem 60-köpfigen Orchester interpretiert (plus einem 60-stimmigen Chor in den Anfangs- und Schlußtiteln) und ist höchst unterhaltsam anzuhören. Dies liegt an der thematischen Vielfalt und der kompositorischen Finesse, mit der hier zu Werke gegangen wird. Stothart arbeitet mehrere Traditionals wie "Rule Britannia", "Over the Hills and Far Away" und "British Grenadiers" in seine Partitur mit ein, mit denen er mitunter auch leitmotivisch umgeht. Schon der MAIN TITLE / PORTSMOUTH HARBOUR ist ein mitreißender Opener, vollgestopft mit Fanfaren, Marschmotivik, Zitaten, dramatischen Streichern und Chor. Im Weiteren weiß Stothart mit immer neuen, abwechslungsreichen Varianten seiner Themen zu begeistern und die Klangfarben seines Orchesters optimal zu nutzen (in Track 2 kommt sogar eine elektrische Orgel zum Einsatz). Romantische Zwischenspiele, ein wenig Mickey-Mousing für die humoristischen Szenen, Stothart hat alles im Griff, und hier und da schimmert sogar WIZARD OF OZ durch. Wuchtige Orchestertutti sind dabei eher die Ausnahme, denn der Komponist weiß sich im Zaum zu halten, im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Max Steiner etwa, der mir persönlich oft zu üppig aufgetragen hat und damit übers Ziel hinausgeschossen ist. Die FSM-CD ist makellos und die Aufnahmen klingen für ihre Zeit (1940) geradezu sensationell. Dem 50-minütigen Score schließen sich 15 Bonus-Minuten an mit zwei alternativen MAIN TITLES, sowie Tracks, die nur noch von dem Music-and-Effects-Track gerettet werden konnten.
  11. Sehr schöne, detailfreudige Abhandlung, Mephisto! Dieses Intrada-Album gehört für mich zu den wichtigsten Veröffentlichungen der letzten Jahre, und das liegt hauptsächlich daran, dass RIO BRAVO damals wie heute nicht nur mein Lieblingswestern ist, sondern auch zu meinen Lieblingsfilmen generell zählt. Dass Tiomkin hier das Orchester so klein gehalten hat, habe ich als sehr angenehm empfunden, da mir schon so manch einer seiner Scores viel zu dick aufgetragen war. Hawks war wohl auch kein großer Freund solcher Orchesterorgien und hatte in dieser Hinsicht sicherlich einen positiven Einfluß auf seinen Komponisten. Später bei HATARI sind die beiden dann ja auch getrennte Wege gegangen, nachdem Tiomkin nicht mehr bereit war, Hawks´ Wünschen nach immer minimalistischeren Arrangements nachzukommen.
  12. LE SOLDATESSE ist ein Film des hierzulande völlig unterschätzten Regisseurs Valerio Zurlini, mit dem Nascimbene auch privat eine enge Freundschaft verband (siehe LA RAGAZZA CON LA VALIGIA). Ein Meisterwerk, ebenso unterhaltsam wie dramatisch packend, bei dem man sich wundern muß, dass es niemals, trotz Mario Adorf, eine deutsche Auswertung erfahren hat. Immerhin existiert eine brauchbare, englisch untertitelte DVD-Edition. Griechenland 1941: Mit den ersten Bildern des Filmes befinden wir uns mitten im Kriegsgeschehen. Die Vorspanntitel setzen ein zur dramatischen, von Trommeln akzentuierten Titelmusik. Ein Leutnant (Tomas Milian) bekommt den Auftrag, zwölf einheimische Frauen (u.a. Lea Massari und Anna Karina) mit einem Lastwagen auf mehrere Stützpunkte der italienischen Besatzungsarmee zu verteilen, um sie dort in Bordellen als Prostituierte arbeiten zu lassen. Zusammen mit dem als Fahrer eingeteilten Sergente Castagnoli (Adorf) macht man sich auf einen beschwerlichen Weg durch gefährliches Gebiet. Das erinnert ein wenig an den Plot von "Lohn der Angst", doch ist Zurlini weniger an vordergründiger Aktion interessiert (obwohl er auch diese virtuos beherrscht). Sein Augenmerk liegt auf den Charakteren, deren Geschichten und Beziehungen untereinander. BALLATA DEL CAMION ist eines der beiden Hauptthemen. Es steht, wie der Titel schon sagt, für den LKW, für das Trübsal und die Not, aber auch die Sehnsüchte und Hoffnungen, die er auf seiner Ladefläche transportiert. Und natürlich greift Nascimbene auf den charakteristischen Klang der Bouzouki zurück und entlockt ihr ein wunderbares Thema, irgendwo zwischen Weltschmerz und latentem Optimismus. Die einzige Person, die ein eigenes Thema zugeordnet bekommt, ist die von Marie Laforet gespielte Eftikia, die vom Drehbuch auch die ausführlichste Charakterisierung erhält. TEMA DI EFTIKIA ist sehr intim orchestriert, steckt voller Tragik und Schwermut und wird zunächst lediglich von Gitarre und Bouzouki dargeboten. In einem späteren Track (SIRTAKI DI EFTIKIA) auch ganz anmutig als Zusammenspiel von Klarinette und Gitarre. In ASSALTO AL CAMION und FUCILAZIONE DEI PARTIGIANI kehren Snaredrums und dramatische Orchestertutti zurück, bevor das Album mit dem hinreißenden, 5-minütigen INCONTRO DI MARTINO ED EFTIKIA allmählich ausklingt. Eine beseelte Filmmusik von großer Ausdruckskraft, die sich in zwei Fassung auf der CD von Beat Records befindet: Die Tracks 1-9 sind das originale RCA-Album in mono, die Tracks 10-18 sind dasselbe nochmal in stereo, diesesmal um 4-5 Minuten verlängert, da das Album hier und da etwas gekürzt war. Die wirklich komplette Filmmusik scheint das aber auch nicht zu sein, da BALLATA DEL CAMION im Film zunächst in einer Fassung mit Trompeten zu hören ist, die das Folkloristische stärker betonen. Diese Trompeten fehlen auf der CD, es muß also wenigsten eine alternative Einspielung dieses Stückes geben, oder die Trompeten wurden separat aufgenommen und später hinzugemischt. Aber das ist nur eine Kleinigkeit, die ich hier interessehalber noch erwähnen wollte. Da SOLDATESSE ein relativ kurzer Score ist, war noch Platz auf der Scheibe, und der wurde mit 10 beschwingten Tracks aus VADO A VEDERE IL MONDO, CAPISCO TUTTO E TORNO ausgefüllt. Dabei handelt es sich um eine 8-teilige, komödiantische Mini-Serie von 1973 um ein weltenbummlerisches, italienisches Paar. Der Komponist begleitet die beiden Protagonisten bei ihren Reisen nach Ägypten, Japan, Hawaii und New York mit dem gut gelaunten SWING SWING, das mal als Bossa, mal mit Streichorchester und mal mit verspieltem Cembalo daherkommt. In der Titelsong-Version wird es auf stimmlich angenehme Weise von Kathy & Gulliver interpretiert, die dem einen oder anderen vielleicht von "Angels and Beans" her bekannt sind. Dazwischen gibt es das eingängige IL VIAGGIO, wahlweise mit Mundharmonika (Franco De Gemini) oder als FOLK BEAT. Eine hübsche Ergänzung zur Discographie des Maestros, aber die Hauptattraktion bleibt freilich LE SOLDATESSE, der in das Regal eines jeden Sammlers gehört, der sich auch nur am Rande mit italienischer Filmmusik beschäftigt, zumal es auch klanglich diesmal nichts zu meckern gibt.
  13. Lange Zeit in der Versenkung verschwunden und gerade wieder ausgebuddelt: VIELE KAMEN VORBEI ist eine Perle des deutschen Kriminaldramas, in teils poetischen Bildern aus unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt, und weit mehr als eine vordergründige Hetzjagd auf einen Frauenmörder. Die Musik von Peter Sandloff ist brillant, mal betörend schön klassizistisch und mal radikal modern, wie die Bilder, die sie begleitet. Man achte vor allem auf die psychologisch raffiniert ausgefeilte Musik während der nächtlichen LKW-Fahrt. Das hätte ein Paul Glass nicht besser hinbekommen, dessen Komposition zu "Bunny Lake is missing" mir noch am ehesten als Vergleich dazu einfällt. Für Sandloff gab´s dafür das Filmband in Silber, sowie den deutschen Kritikerpreis. 10 glorreiche Minuten von diesem Score finden sich auf Folge 6 der Reihe "Deutsche Filmkomponisten", auf der sich natürlich auch noch viele weitere Schätze befinden. Sollte man sich nicht entgehen lassen.
  14. DOCTOR FAUSTUS: Leider ist das beeindruckende "Helen´s Theme", meiner Meinung nach eines von Nascimbenes größten Würfen, nirgendwo zu finden, aber immerhin das düstere Hauptthema: LIEBE IN DER STADT: Der Track des "Fellini"-Albums aus dem Segment "Agenzia matrimoniale" (fehlt in der deutschen Synhronfassung):
  15. Zwei Filme aus der kriminalistischen Märchenwelt der swingenden 6oer. DICK SMART 2.007 ist von 1967 und natürlich ein Vertreter des Euro-Spy-Genres, wie sie seinerzeit im Schatten von James Bond wie Pilze aus dem Boden schossen. Lady Lister (Margaret Lee) hat fünf namhafte Nuklear-Wissenschaftler in ihre Gewalt gebracht um mit deren Hilfe Kohle in Diamanten zu verwandeln... oder so ähnlich. Das Album beginnt mit dem MAIN TITLE THEME, einer hübschen Big-Band-Overtüre mit exotischem Flair und "spacigen" Echoeffekten. Leider beläßt es Nascimbene bei diesem einen Thema, das im Folgenden fast jeden Track bestimmt, ob als SHAKE, als bongo-unterstütztes DICK SMART IN ACTION oder als BOSSA PARTY. Ein Schurkenthema gibt es leider nicht, es sei denn das etwas sinister klingende Motiv in Track 2 (DICK SMART INVESTIGATES) soll ein solches sein. Auch unternimmt Nascimbene keine Versuche, den charakteristischen Klang der James-Bond-Scores zu imitieren - oder doch? Wenn überhaupt, dann finden sich die Ähnlichkeiten in den Karibik-Tracks von Monty Norman aus Dr. No. DISCOTHEQUE PARTY unternimmt einen Abstecher in rockigere Gefilde, und zum Abschluß gibt es dann noch das Hauptthema als italienisch gesungener END TITLE SONG. Das macht alles durchaus Spaß, ist aber sicherlich kein großer Wurf des Maestros, dem ich es anrechnen muß, auf jeglichen La-la-la- und Schubiduh-Gesang verzichtet zu haben, der ansonsten in diesem Genre zu der Zeit eigentlich omnipräsent war. SCENT OF MYSTERY ist im Jahre 1960 unter der Schirmherrschaft von Michael Todd jr. (Sohn von "Todd-AO-Michael) entstanden und war der Versuch, das "Smell-O-Vision"-Verfahren zu etablieren, bei dem durch angebrachte Düsen Gerüche in den Kinosaal geleitet wurden, die mit der jeweiligen Handlungssequenz übereinstimmten. Trotz Denholm Elliot, Peter Lorre und Liz Taylor wollte davon aber niemand was wissen, weswegen der Film als Totalflop in der Versenkung verschwand. Das Album ist mit seinen 35 Minuten Laufzeit allerdings eine ganz vergnügliche Sache. Es steht in einer Linie mit ähnlich gelagerten Scores von Komponisten wie Riz Ortolani oder George Duning, die zu der Zeit ebenfalls im Bereich der gehobenen Unterhaltung tätig waren und dabei so elegant-verspielte Werke zustande brachten. Es gibt spanisches Lokalkolorit, das drollige STREET STROLL - MALAGA SHOE SHINE BOY, den relaxten DIANA DORS BLUES, das humorvolle, mit Autohupen angereicherte THE CHASE, quirlige Klarinettenklänge in BUTTERFLY und natürlich das aparte Hauptthema. Bruce Kimmel beschreibt es im Booklet auf diese Weise: "Nascimbene´s Score was just right, capturing the film´s light-hearted quality and it´s picturesque locations. The two big themes, "Scent of Mystery" and "The Chase", have glorious melodies, while the rest of the cues are colorful and fun, none more so than the opening cue that follows the zipping and zooming butterfly into the garden of roses ..." Ganz so überschwenglich würde ich es nun nicht ausdrücken, aber letzten Endes fliessen beide Alben auf ihre Weise angenehm aber auch nicht besonders aufregend durchs Ohr.
  16. @ataraxus Ach du meine Güte! Nein, also bis in den Schlaf verfolgt mich sowas (bis jetzt) noch nicht. Vielleicht war das ja ein Hinweis aus anderen Sphären, wie wir doch noch an das Material herankommen... Von L´AMORE IN CITTA (Liebe in der Stadt, 1953) ist nie ein Soundtrack-Album erschienen. Es existieren lediglich drei Tracks auf dem 3-LP-Set "L´Impronta del Suono", welches sich leider nicht in meinem Besitz befindet. Sowie ein einzelner Track auf dem Doppel-Album "Tutto Fellini" von CAM. Das ist natürlich ein bißchen mager, zumal dieser eine Track bei CAM kaum mehr als ein Stück Hintergrundambiente im Tanzmusikstil der Zeit ist, aber das gibt mir immerhin die Gelegenheit, den wirklich sehenswerten Film hier mal vorzustellen. Bei diesem handelt es sich um ein Episodenfilm, der sich als ein Boulevardmagazin names LO SPETTATORE versteht, gemacht "mit Zelluloid und Objektiv, statt mit Druckerschwärze und Papier". Gedreht mit Laiendarstellern, die ihre eigenen, authentischen Geschichten und Schicksale unter namhaften Regisseuren nachstellen. Dabei liegen große Tragik und reine Lebensfreude dicht beieinander. Mario Nascimbene beginnt den Film mit einer großen, melodramatischen, aber neutralen Overtüre und schlägt von da an ruhigere und intimere Töne an. Die erste Episode ("Käufliche Liebe") von Carlo Lizzani erhält ein bluesiges Thema, das sich in variierender Instrumentierung durch die ganze Folge zieht. "Versuchter Selbstmord" wurde von Antonioni inszeniert und verzichtet (mit Ausnahme zweier kurzer Momente Sourcemusic) völlig auf Musik. Menschen, die vom Weltentaumel in verzweifelte Situationen getrieben wurden und sich mit Suizidgedanken tragen. Interviewausschnitte, verknüpft mit den für Antonioni so typischen, kargen, symbolbeladenen Bildern. Dino Risis "Paradies für 3 Stunden" um das quirlige Leben in einem Tanzlokal ist dagegen weniger bemerkenswert. In der Fellini-Episode betritt ein junger Mann ein großes, heruntergekommenes Wohnhaus, in der Absicht die Seriosität einer Heiratsvermittlungsagentur zu überprüfen. Er geht durch schmuddelige, unpersönliche Gänge, fragt Mieter, die ihm begegnen, aber niemand weiß, wo sich diese Agentur befindet. Ein paar Kinder wollen ihn hinführen, er verliert sie aus den Augen, bis er schließlich, ganz unvermittelt, vor der Tür steht und von einem Herren mit Krawatte hereingebeten wird. Man spürt einen Hauch der surrealen Szenarien, die Fellini in späteren Jahren auf die Leinwand bringen wird. Und genau in dieser Szene befindet sich der Track des "Tutto Fellini"-Albums: Die Musik dringt aus den offenen Türen der Wohnungen durch die heruntergekommenen Flure des monströsen Mietshauses - zumindest im Originalton. Die deutsche Synchronfassung läßt das musikalische Ambiente einfach weg, wie übrigens auch den warmherzigen Streicherscore, der das später stattfindende Rendezvous zwischen dem jungen Mann und einer vermittelten Dame begleitet. "Caterinas Geschichte" berichtet von der jungen Caterina, die arbeitslos und zeitweise auf der Straße lebend, schließlich nicht mehr weiß, wie sie ihr Kind durchbringen soll. Die sehr melodische Musik dieser Episode atmet Schwermut und Melancholie und ist auch in der Synchronfassung erhalten geblieben. Um das Publikum nicht mit diesem Runterzieher zu entlassen, wurde zum Abschluß noch eine lebensbejahende Episode mit dem Titel "Die Italiener drehen sich um" angehängt. Eine flott geschnittene Collage ohne Dialoge von herumspazierenden Frauen und den vielfältigen Reaktionen der männlichen Bevölkerung, bietet Nascimbene die Möglichkeit, die Szenen mit mannigfaltigen, humorvollen Motiven und instrumentalen Schelmereien, die in slapstickhafter Manier miteinander verknüpft werden, zu begleiten. Fast ein wenig zu viel des Guten, aber ein netter Abschluß. Die deutsche DVD bietet den Film im O-Ton, sowie in der synchronsierten Fassung an. Bei der (guten) deutschen Bearbeitung stand man anscheinend, wie so oft, vor dem Problem, keine getrennten Musikspuren zur Verfügung zu haben, was dann zur Folge hat, dass die Musik der Fellini-Episode völlig fehlt. In anderen Episoden tritt dieses Problem weniger in Erscheinung, da dort Musik und Dialog überwiegend getrennt voneinander stattfinden und man so kaum in die Musik einzugreifen gezwungen war. Lobenswert ist auch, dass man nicht versucht hat, Archivmusik zu verwenden, oder Nascimbenes Score gar ganz auszutauschen (was keine Seltenheit gewesen wäre). Ein großer Vorteil der deutschen Fassung ist auch die wesentlich bessere Tonqualität, während die Musik im O-Ton schon stark verzerrt aus den Boxen dringt. Aber egal für welche Fassung man sich entscheidet, ein alleine schon durch die Antonioni-Episode sehenswertes, und in seinem konzeptuellen Ansatz vielleicht sogar einzigartiges Kleinod.
  17. WHEN DINOSAURS RULED THE EARTH & CREATURES THE WORLD FORGOT Nach der von mir noch im Teenager-Alter erworbenen LP ONE MILLION YEARS B.C. (siehe weiter oben), kam ich natürlich um den Soundtrack des vier Jahre später entstandenen WHEN DINOSAURS RULED THE EARTH nicht herum. Schon allein das imposante Covermotiv versprach spektakuläre Dinosaurier-Action, blonde Steinzeit-Amazonen und war ein unwiderstehlicher Blickfang. Sogar derselbe Komponist war wieder mit an Bord, der mich mit seiner Urzeit-Sinfonie zum Vorgänger schon einmal in seinen Bann geschlagen hatte. Und es funkionierte auch ein zweites Mal. Nascimbene kopiert hier aber keineswegs die Musik des Erstlings, sondern wählt einen ganz klassischen, sinfonischen Ansatz und verzichtet fast völlig auf seine zuvor so wirkungsvoll integrierten Klangexperimente. Diese sind im Films sehr wohl zu finden, doch sind sie hier sparsamer und losgelöst vom eigentlichen Score im Film eingesetzt. Der Titelmusik vorangestellt ist das MAIN THEME, das in aller epischer Breite vorgestellt wird. Es beginnt mit solistischen Fanfaren der Hörner, bevor die Streicher und schließlich der gesamte Orchesterapparat das auf einem Vierton-Motiv aufbauende Hauptthema einführen. Es ist jene Tonfolge, die sich durch den gesamten Score zieht und die auch Basis für alle anderen thematischen Entwicklungen sein wird. Im darauffolgenden MAIN TITLE geht es nicht minder epochal zur Sache. Die wortlosen Chorsätze haben hier (im Gegensatz zu ONE MILLION YEARS) einen eher triumphalen Charakter und könnten auch einer monumentalen Bibelverfilmung entsprungen sein. In der Eröffnungsszene wird ein Opferitual von einem kosmischen Ergeignis unterbrochen. In einem Feuerball entsteht ein neues Gestirn am Himmel: Der Mond, was auf Erden eine Springflut auslöst. Im hereinbrechenden Chaos gelingt der blonden Sanna die Flucht. Wäre auch schade um sie gewesen, denn sie wird von Playmate Victoria Vetri verkörpert. Nascimbene vertont diese Sequenz mit furios-mitreißender Aktionsmusik und gönnt dem Hörer im Anschluß eine Verschnaufpause mit dem lieblichen LOVE THEME. PURSUIT hantiert mit vielfältiger Percussion, orchestralen Suspense-Motiven und spitzt sich mit Hörnern und Trompeten höchst wirkungsvoll immer weiter zu. Mit dem prächtig-effektvollen CATACLISM und den biblischen Chören der END TITLES entläßt uns Nascimbene aus seiner Partitur. Ich bin geneigt diese Musik als meinen persönlichen Nascimbene-Favoriten zu bezeichnen, denn sie ist bis zur letzten Note stimmig und wird von "Legend" vorbildlich als orchestrale Suite von etwas über 20 Minuten präsentiert. Diese Konzentration auf das Wesentliche hat sicherlich einen erheblichen Anteil an dem überaus positiven Gesamteindruck, den dieser Score hinterläßt. Sicher, man hätte auch noch viel mehr Musik hinzufügen können, z.B. die Trommeln bei den Ritualen, das slapstickhafte Thema des Dinosaurier-Babys (das ebenfalls auf dem Vierton-Motiv beruht), die horriblen Klanggebilde beim Angriff der Riesenkrabben, diverses Suspense-Material und mehr. ONE MILLION YEARS hat auf über 30 Minuten hervorragend funktioniert, war aber auch thematisch reichhaltiger, DINOSAURS wäre eine Erweiterung mutmaßlich weniger gut bekommen. CREATURES THE WORLD FORGOT ist der dritte im Bunde der Hammer-Urzeit-Epen und wird auf der B-Seite der LP in ähnlich konzentrierter Form (acht Tracks mit einer Gesamtlänge von knapp über 20 Minuten) präsentiert. Der Film ist heute weitaus weniger bekannt als seine beiden Vorläufer, was an einem einzigen Umstand liegt: Um sich weitere teure Tricktechnik zu ersparen, ließ man die Steinzeitler diesesmal ihre Stammesfehden in einer völlig monsterlosen Welt austragen, was zur Folge hatte, dass der Film sang- und klanglos in der Versenkung verschwand und bei uns sogar allen Ernstes unter dem Titel SEX VOR SECHS MILLIONEN JAHREN durch die Lichtspielhäuser geschleift wurde. Die Musik hierzu ist spröder und thematisch weniger eindrucksvoll, aber dennoch nicht ohne Reiz. Das Orchester wurde deutlich entschlackt, der Chor ist völlig verschwunden. Statt dessen setzt Nascimbene auf vielfältige, urwüchsige Percussioneinsätze, mit denen er eigenwillige, rhythmische Strukturen erzeugt. In der Hinsicht ähnelt der MAIN TITLE demjenigen aus I MONGOLI, wo er stilistisch vergleichbar zu Werke geht. LIFE OF A TRIBE ist ein ruhiges Stück mit kargen, melancholischen Zwischentönen. Unter den Actiontracks ist ERUPTION OF THE VOLCANO der wirkungsvollste und wohl auch der Höhepunkt des Scores, der ansonsten mit seinen reduzierten Klangfarben und der weniger eingängigen Melodik das Schlußlicht im Steinzeit-Trio darstellt... Schlußlicht auf hohem Niveau versteht sich! Die CD-Edition von "Legend" enthält beide Alben, ONE MILLION YEARS, sowie DINOSAURS / CREATURES, und kann nur wärmstens empfohlen werden, da alle drei Scores in vorbildlicher Präsentation vorliegen. Der Klang könnte hier und da etwas transparenter und druckvoller sein, aber angesichts der tontechnischen Mängel vieler anderer Nascimbene-Soundtracks, kann man mit dieser CD eigentlich nur zufrieden sein. Abschließend auch hier wieder die Meinung der "Filmharmonischen Blätter", Ausgabe 008 von 1988: "Die beiden Soundtracks zu den Filmen WDRTE und CTWF sind eher in die konservative Musikrichtung einzuordnen, doch symphonisch bombastisch aufgebaut, bieten sie reizvolle Motive von hohem kompositorischem Niveau. Sie sind voller Originalität und lassen sich kaum mit dem Werk eines anderen Komponisten vergleichen. Nascimbene muß man hören und genießen."
  18. Von der legendären TV-Serie mit Peter Cushing existieren nur noch 6 Episoden, von denen Pidax nun die ersten zwei herausgebracht hat. Die weiteren sollen folgen. Da auch der deutsche Ton der Zeit zum Opfer gefallen ist, hat man den Filmen nun mit Hans Georg Panczak (Holmes) und Ekkehardt Belle (Watson) eine wertige neue Synchro spendiert. Tolle Filme, und eine höchst erfreuliche Veröffentlichung. Wer der Komponist der düster-dramtischen Filmmusik ist, konnte ich leider nicht eruieren, da hierzu jegliche Angaben (auch im Abspann selbst) fehlen. Eventuell Archiv-Musik?
  19. Francis Of Assisi & Doctor Faustus "There is some horrible electronic Wagnerian Theme Music, by Mario Nascimbene." - Da kam anscheinend bei der New York Times im Jahre 1968 jemand nicht mit dem experimentellen Ansatz zurecht, den der Maestro auch hier erfolgreich und sehr effektiv in seine Partitur einarbeitete. DOCTOR FAUSTUS basiert auf der Vorlage des britischen Dramatikers Christopher Marlowe, die natürlich ihrerseits eine Abwandlung des Ghoethe-Stoffes ist. Der Film erwies sich als künstlerischer wie kommerzieller Reinfall, doch Mario Nascimbene schrieb hierzu einen außerordentlich faszinierenden Score. Das in düsteren, schicksalsschwangeren Klangfarben gehaltene INTRODUCTORY THEME stellt mit schummrigen Streichern und gespenstischem Chor das Hauptthema vor. Mit APPARITION OF HELEN steht dem eine überirdisch schöne Melodie gegenüber, die aber aufgrund ihrer kargen Instrumentierung (Solo-Sopran: Lucia Vinardi und ab und zu angeschlagene Cembalo-Töne) auch eine große Tristesse verströmt. In HELEN´S THEME wird derselbe Effekt mittels einer Flöte erzielt (Solist: Severino Gazzelloni) dazwischen tummelt sich Zeitgenössisches wie z.B. mehrstimmige Gesänge im Stil der Epoche in MUSIC AT THE COURT. Interessant sind auch die beiden als BALLET und ANOTHER BALLET betitelten Stücke. Während das eine wie ein klassisches, fröhliches Minuet daherkommt, besitzt das andere eine sehr tragisch-elgische Note und läßt jeden tänzerischen Charakter vermissen, den man vielleicht bei diesem Titel erwartet hätte. Ein weiterer, wichtiger Aspekt bei DOCTOR FAUSTUS sind die Mono- und Dialoge. Richard Burtons Stimme, ausdrucksvoll Marlowes Texte deklamierend, wurde insgesamt vier Tracks hinzugefügt. Und das hat, in Kombination mit den düsteren Musikthemen, bei denen Nascimbene an markanten Textpausen dezente, aber wirkungsvolle Akzentuierungen setzt, eine unbestreitbar starke Wirkung. Die gespenstischen Musik-Geräusch-Collagen sind so symbiotisch mit den Dialogen verbunden, dass es tatsächlich fragwürdig ist, ob eine Trennung beider Elemente Sinn gemacht hätte. Doch zumindest das letzte Stück ELEVEN O´CLOCK SOUNDS beinhaltet ein Streicher-Motiv, dass ich auch gerne als autonomen Track auf dem Album gehabt hätte. Zum Finale hin schwingt sich das Orchester in einem letzten finalen Akt zu dramatischer Größe auf. Die Streicher greifen das Hauptthema wieder auf und lassen es erstmals episch erstrahlen, doch die begleitenden, bleischwer verhallenden Schläge setzten dem eine unentrinnbare Tragik entgegen. FRANCIS OF ASSISI ist dagegen ein historisches Drama mit religiösem Hintergrund. Da es sich um eine eher konventionelle Hollywood-Produktion handelt, verpaßt Nascimbene dem Ganzen auch einen entsprechenden Rahmen. Mit Chor und Orchester entspricht der MAIN TITLE ganz und gar den Anforderungen an die großen Historien- und Bibelepen jener Zeit, befindet sich damit aber nicht auf der Höhe eines Miklos Rozsa oder Alfred Newman. Seine Stärken spielt Nascimbene in den folgenden, sparsamer orchestrierten Stücken aus, wie dem gefühlvollen CLARE´S THEME, oder dem beseelten STIGMATA und streut dem Thema entsprechend sakrale Elemente ein. Aber trotz dem einen oder anderen Vorzug, werde ich mit FRANCIS OF ASSISI nicht so recht warm, dazu ist das thematische Material einfach zu schwach und die wirklich überzeugenden Einfälle, die seine Arbeiten sonst so charismatisch machen, zu dünn gesät. DOCTOR FAUSTUS dagegen macht das Album für den Nascimbene-Fan zu einer kaum verzichtbaren Angelegenheit. Klangliche Mängel müssen jedoch in beiden Soundtracks in Kauf genommen werden.
  20. Ich habe den Film mal auf Arte erwischt, das ist aber auch schon ein paar Jahre her. Meiner Erinnerung nach ist es auch so, dass der Score dort eher sparsam Verwendung fand. Das Booklet der CD (das ansonsten wirklich schön aufgemacht ist) schweigt sich ja auch komplett darüber aus, was den Einsatz des Scores im Film angeht. Und ja, es ist alles mal wieder zu lang geraten, aber andererseits finde ich die Aufteilung in Album (das in diesem Fall mit gerade mal 8 Minuten wirklich etwas kurz ist) und Komplettfassung grundsätzlich immer lobenswert. Man kann sich ja immernoch seine eigenen Highlights herauspicken. Aber wieso ist denn die US-DVD nicht empfehlenswert? Ich hatte selber mal überlegt, mir die zuzulegen, da diese auch noch "Estate Violenta", und englische UT dabei hat. Und mit NoShame habe ich eigentlich bisher sehr gute Erfahrungen gemacht. Danke für die Deguello-Korrektur. Es taucht in der CD-Trackliste tatsächlich ohne irgendwelche weiteren Angaben auf (und wird am Ende sogar in zwei zusätzlichen Mixen angeboten), da hatte ich automatisch an eine Neueinspielung gedacht. Das Riddle-Arrangement ist mir bekannt, habe es aber lange nicht mehr gehört.
  21. Das klingt ja ernüchternd... Da fragt man sich, was dieser starrköpfige Nachlaßverwalter davon hat, dass er auf dem ganzen Material sitzen bleibt... Aber immerhin schön zu sehen, dass einige Label noch retten, was zu retten ist, wie z.B: Valerio Zurlini ist ein Regisseur, den es noch zu entdecken gilt, ist sein Name doch neben den berühmten Meistern des italienischen Films heute fast völlig in Vergessenheit geraten. Zu Unrecht, denn sein dritter Spielfilm LA RAGAZZA CON LA VALIGIA ist ein wunderbares Kleinod, gleichermaßen künstlerisch ambitioniert, wie auch im Unterhaltungsgenre zu Hause. Erzählt wird die Geschichte des 16-jährigen Lorenzo, der aus reichem Elternhaus stammt und sich in die mittellose Sängerin Aida verliebt - was mir auch passieren würde, denn schließlich wird diese von der hinreißenden Claudia Cardinale dargestellt. Zurlini erzählt die eigentlich tragische Geschichte jedoch mit leichter Hand und verschmitztem Humor, was seinen Film so sympathisch und sehenswert macht. Für die Musik wählte Mario Nascimbene einen ungewöhnlichen Ansatz. Zwei (!) Instrumente bestreiten den kompletten Score, und zwar Gitarre (Mario Gangi) und Cembalo (Bruno Nicolai). Letzteres ist in erster Linie für das einleitende Thema zuständig, das mit einer gewissen Leichtigkeit daherkommt und sowohl von seiner Melodie wie auch durch die Instrumentierung der Barockmusik sehr nahe steht. Thema Nummer Zwei ist ruhig und melancholisch, dabei melodisch einprägsam. Nascimbene läßt seine beiden Themen freilich nicht stur repitieren, sondern spielt mit ihnen, kontrapunktiert und ergänzt das eine Thema durch das andere, läßt seine beiden Solisten wechselseitig mit- und gegeneinander musizieren, variiert Tonhöhen und Tempi, und entwickelt dabei auch kleinere Nebenmotive. In seinem Minimalismus ist das natürlich nicht für jeden etwas. Selbst der passionierte Nascimbene-Fan wird hier kaum etwas von dessen Personalstil erlauschen können. Der Zauber dieser Musik liegt in ihrer Einfachheit und ist in ihrer prosaischen Natur vielleicht dichter an Zurlinis Charakteren dran, als es so manch ein vollorchestrierter Filmscore sein könnte. Eingestreut und auf das Album verteilt sind außerdem ein paar Stücke Source-Music - Mambo, Folklore, Rock´n´Roll, und... das Deguello aus Rio Bravo von Tiomkin! Dieses wurde von Nascimbene ziemlich originalgetreu und mit brillantem Trompetensolo arrangiert (vielleicht waren die Rechte sonst zu teuer?) Es wird im Film von einer Schallplatte abgespielt und begleitet eine Szene, in der der junge Lorenzo Aida auf der Tanzfläche beobachtet. Ihre Blicke treffen sich, doch ihr Tanzpartner hat nur eine verachtende Bemerkung für Lorenzo übrig. Große Emotionen, und die ergreifendste Szene des Filmes. Die CD von Quartet startet mit sechs Tracks, die es zuvor bereits auf einer CAM-CD gab, und die wohl seinerzeit für ein unrealisiertes Vinyl-Album vorgesehen waren. Der komplette Filmscore samt eingestreuter Source-Music schließt sich dem an.
  22. Vor kurzem bei Kronos erschienen: Carlo Rustichellis Score zu einem mehrteiligen TV-Film von 1974 um den italienischen Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi (1807 - 1882). Thematisch vielseitiger Score in dezenter Orchestrierung und wunderbaren melodischen Einfällen. Das Titelthema wird im ersten Track in friedlicher, verspielter, folkloristischer Form vorgestellt, interpretiert von Gitarre, Spinett, Flöte und dezentem Streicherhintergrund. Später wird es in nobler, erhabener Form noch das ein oder andere Mal wieder aufgegriffen. Daneben gibt es herrliche Stücke von folkloristisch-tänzerischem Charkter, Düster-dramatisches mit leichtem Morricone-Touch, das westernartige VERSO IL RIO GRANDE und ein gefühlvolles zweites Thema, das in Track 2 (BENTO VA) erstmals vorgestellt wird und das in Track 13 (L´ULTIMA BATTAGLIA) einen besonders tragischen Charakter annimmt. Die CD ist lobenswerterweise in zwei Segmente aufgeteilt. Die Nummern 1-14 präsentieren das alte Vinyl-Album und lassen sich ganz wunderbar durchhören. Danach wird es sperriger, denn mit den Tracks 15-55 (!) folgen die zusätzlichen, auf dem Album fehlenden Stücke, die zu einem erheblichen Teil aus wenig ergiebiger Suspense-Musik bestehen und oftmals eine Länge von unter einer Minute haben. Trotzdem gibt es immer wieder auch in diesem Bonus-Segment kleinere Höhepunkte zu verzeichnen, wie z.B. die mit konzertanten Klavierläufen angereicherten Tracks 26 & 53 oder die düstere Cembalo-Stimmung in Track 37. Es ist Kronos anzurechnen, dass sie das Album in seinem ursprünglichen Schnitt belassen haben, denn es ist absolut hörenswert und der wichtigste Anschaffungsgrund für diese CD. Die übrigen Tracks werden als archivarische Ergänzung natürlich auch gerne mitgenommen.
  23. Danke für die netten Worte, Jungs! Ja, man predigt hier weitgehend vor leeren Bänken, aber es ist ja nicht so, dass ich das widerwillig machen würde. Was Nascimbene angeht, sehe ich da noch einigen Nachholbedarf, nicht nur hier im Forum, sondern auch diskographisch. Es ist zwar schon eine Menge erschienen, das kann man nicht anders sagen, aber viele (auch wichtige) seiner Filmmusiken sind schon seit Ewigkeiten OOP oder liegen nur in schlechter Tonqualität vor. Vielleicht ist das ja ein Grund dafür, warum Nascimbene unverdientermaßen so wenig Interesse entgegengebracht wird. Und natürlich sterben die älteren Sammler-Generationen allmählich aus, und die nachrückenden haben kein Interesse mehr an den alten Filmen und deren Musik, was sehr schade ist und ein ganz neues Phänomen, dass sich meiner Beobachtung nach in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten so entwickelt hat.
  24. ONE MILLION YEARS B.C. Composed and conducted by Mario Nascimbene, heißt es auf der Soundtrack-CD. Music and Special Musical Effects Compsed by Mario Nascimbene, heißt es im Vorspann des Filmes, und das ist ein sehr treffender Credit, denn der Komponist findet hier mehr als genug Gelegenheiten seine experimentellen Klangschöpfungen effektiv anzuwenden. Die Filmmusik-LP von Intermezzo war seinerzeit meine erste bewußte Berührung mit der musikalischen Welt des italienischen Maestros und hat mich nachhaltig beeindruckt, weshalb ich diesen Score heute auch nur mit einer gewissen Verklärung abhandeln kann, worunter die Objektivität möglicherweise etwas leidet. Film wie Album beginnen mit der Cosmic Sequence, einem fulminanten und höchst ungewöhnlichen, knapp 4-minütigen Eröffnungstrack. Im Zeitraffer sehen wohnen wir der Entstehung unseres Planeten bei. Kosmische Gase, die sich verdichten, der Urknall, die Erde, die vorläufig nur aus Feuersbrünsten und Lavaströmen besteht, bis Sintfluten die Oberfläche abkühlen. Bis hierhin begleitet Nascimbene das Geschehen ausschließlich mit einer in seinem Mixerama-Studio aus myriaden von übereinandergeschichteter und verfremdeter Geräusche und Instrumentierungen (teilweise meint man, Harfenklänge herauszuhören) in detaiierter Feinarbeit ausgearbeiteten Klangkulisse. Erst nach zwei Minuten setzen die Vorspanntitel ein und damit auch der konventionellere Teil der Partitur. Über die tosenden Urgewalten legt sich der pompöse Klang von Nascimbenes Hauptthema. Ohne Streicher, dafür mit wuchtigem Blech und eingängiger Melodie, ist es eines seiner gelungensten epischen Themen, gleichermaßen schroff wie kraftvoll. "Eine Welt am frühen Morgen der Zeit. Eine harte, eine trostlose Welt", meint der Chronist zu Beginn, und zu kargen Felsenlandschaften hören wir urzeitlich anmutende Klanggebilde, bevor ein von mir nicht zu idenfizierendes Blasinstrument in allertiefster Tonlage erneut die Titelmelodie anstimmt. Im Film höchst effektiv und auch als Album eindrucksvoll in seiner Fremdartigkeit. Rauhe Sitten herrschen bei den Urmenschen, die musikalisch durch ein höchst ungewöhnliches, zum Teil aus zweckentfremdeten Gegenständen bestehendes Instrumentarium charakterisiert werden. U.a. sind es Steine, die, rhythmisch gegeneinandergeschlagen, eigenwillige thematische Strukturen erzeugen. Als es zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei rivalisierenden Brüdern kommt, stürzt Tumak (John Richardson) vom Felsen. Für tot gehalten und ausgestoßen, muß er sich von nun an alleine durchschlagen. Der Moment, in dem er in eine ihm unbekannte, endlose Steinwüste aufbricht, wird von Nascimbene mit dem ersten kurzen Orchestertutti, samt Chor, kommentiert. Tumaks Reise führt ihn durch gefährliches Terrain. So wird er hinterrücks von einer riesigen Eidechse behelligt, die ihn bis zu einer Höhle verfolgt. Die Bewegungen der Echse unterlegt Nascimbene mit einem monströsen, schleifenden Geräusch, und er ist damit so erfolgreich, dass es mir in Jugendzeiten mächtig Respekt vor dem Urvieh eingeflößt hat. Auf dem Album befinden sich diese Effekte allerdings nicht, was auch wenig Sinn gemacht hätte. Der später im Film auftauchende Muschelstamm macht einen deutlich sympathischeren und fortschrittlicheren Eindruck als die Steinwüstenbewohner und wird mit einem neuen Thema für klassisches Orchester und Chor bedacht. Und erstmals kommt es auch mit Streichern, flauschigen Flöten und ätherischen Frauenstimmen zu pastoralen Momenten. Natürlich verknallt sich die Stammesschönheit Loana (Raquel Welch) ausgerechnet in den Grobklotz Tumak, was zu neuen Konflikten führt. Sie setzen ihre Reise von nun an gemeinsam fort, und es wird zu Konfrontationen beider Stämme kommen, was Nascimbene die Möglichkeit gibt seine Themen und Motive parallel zu führen und miteinander zu verflechten. Dies macht er sehr geschickt und konzentriert sich mit melodischem Einfallsreichtum stets auf die Dramatik der Geschichte und ihre Figuren. Vordergründunge Actionmusik gibt es in dem Sinne nicht, die zahlreichen, von Ray Harryhausen blendend getricksten Dinosaurierangriffe bleiben unmusikalisch. Bernard Herrmann hätte das freilich völlig anders gemacht, und es ist reizvoll sich vorzustellen, wie er wohl diesen Film vertont hätte. Beim finalen Vulkanausbruch schließlich kehrt das Hauptthema in seiner anfänglichen, urwüchsig-wuchtigen Gestalt noch einmal zurück, diesmal von schrillen Tönen begleitet, die zusätzliche Dramatik ins Spiel bringen. Wilde Geräuschcollagen leiten das triumphale Orchesterfinale ein, das in aller epischer Breite und sinfonischer Kraft das Hauptthema und das Thema des Muschelstammes zu einem organischen Ganzen vereint. Ein glorreiches Ende, nicht nur für den Film, sondern auch für das Album, das den Score in filmchronologischer Reigenfolge präsentiert und bedenkenlos empfohlen werden kann. Zum Abschluß noch der Kurzkommentar aus den "Filmharmonischen Blättern" (Ausgabe 7 von 1987), die die LP seinerzeit etwas nüchterner bewerteten: "Auch dieser neueditierte Soundtrack gehört zu den besseren Arbeiten des experimentierfreudigen italienischen Komponisten. Auch wenn die Filme schrecklich anzusehen waren, die Musik ist allemal interessant." Naja, immerhin... Die CD-Edition von Legend enthält außerdem die Soundtracks der beiden artverwandten Hammer-Produktionen "When Dinosaurs Rouled the Earth" und "Creatures the World Forgot", doch dies ist eine andere Geschichte uns soll ein ein anderes Mal erzählt werden...
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