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Ist das wirklich so? Ich war damals (bei der Fernsehausstrahlung) von der Musik im Film beeindruckt, eben weil sie so anders und herausfordernd war. Gerade gegen Ende, als der Drache seine Bahnen über die Felsen und Bergspitzen zieht, da ist es die Musik, die ihm einen so archaischen, unheilvollen Charakter verpaßt. Es ist allerdings schon länger her, seit ich den Film zuletzt gesehen habe, und ich mag mich da irren. Aber meiner Erinnerung nach ist das Finale komplett mit Musik ausgestattet. Vielleicht kann das hier jemand bestätigen bzw. dementieren? Als Album ist DRAGONSLAYER effektvoll und spannend. So sollte sich Drachenmusik anhören. Vermithrax wäre stolz auf das Thema, dass North für ihn geschrieben hat.
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Bei SAN PASQUALE BAYLONNE PROTETTORE DELLE DONNE handelt es sich um eine Sex-Komödie wie sie seinerzeit in Italien populär waren. Diese hier hat unseren Sprachraum nie erreicht. Ob das ein großer Verlust ist, kann ich nicht beurteilen. Mehr als sonst ist die Musik der De-Angelis-Brüder von italienischer Folklore durchdrungen. Das Titelstück ist ein charmantes, spirituelles Volkslied im Walzertakt, das noch in mehreren Varianten gereicht wird. Hübsch vor allem im Streicher-/Akkordeon-Arrangement. Daneben gibt es Musik zu Festivitäten und Paraden, sowie jede Menge Skurriles zwischen Suspense und Klamauk. Das muß man mögen, aber es ist im Großen und Ganzen schon recht unterhaltsam. PER GRAZIA RICEVUTA und TRASTEVERE bieten sich als Vergleich an, jedoch ohne dass deren Klasse erreicht werden würde. Auch in CANTERBURY N.2 und der Musik zur Marty-Feldman-Klamotte 40 GRADI ALL OMBRA DEL LENZUOLO finden sich Parallelen. Eine nette Ausgrabung von Quartet, und ein Score, der bislang noch gänzlich unveröffentlicht war.
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Ein Muß, ganz klar! Schön, dass nun peu a peu auch die Titel zur Gänze erscheinen, die auf den Universal-Samplern oft nur in Auszügen vertreten waren. ALLONS Z´ENFANTS kenne ich beispielsweise (bis auf eben jene Suite) noch nicht.
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Der amerikanische FILM NOIR von 1941 - 1958
Angus Gunn antwortete auf Angus Gunns Thema in Filmmusik Diskussion
Gerade auf DVD / BD erneut veröffentlicht: LAßT MICH LEBEN (1958) Barbara Graham führt ein moralisch fragwürdiges Leben. Sie treibt sich im Nachtclub-Milieu herum, schlägt sich mit Prostitution und Trickbetrügerei durch, sitzt eine Haftstrafe wegen Meineides ab (was ihr später zum Verhängnis werden wird) und heiratet den morphiumsüchtigen Barkeeper Henry, mit dem sie auch einen kleinen Sohn bekommt. Sie wird in weitere kriminelle Aktionen hineingezogen. Als eine alte Frau bei einem Überfall erschlagen wird, landet Barbara vor Gericht. Ihr droht der Tod in der Gaskammer. Der Film hält sich an die tatsächlichen Ereignisse, die von dem Journalisten Edward Montgomery (im Film von Simon Oakland dargestellt) dokumentiert wurden, wobei Grahams Beteiligung an dem Mord in der Realität umstritten ist. Der Film folgt den Berichten Montgomerys und zeichnet das Bild eines tragischen Justizirrtums. Susan Hayward spielt Graham als reizbare, impertinente aber charakterstarke Frau. Bis zu ihrer Verhaftung ist der Film ein hitziges, nachtschwarzes Milieudrama in einem Klima völliger moralischer Verkommenheit, eingehüllt in Johnny Mandels enthemmte Jazz-Kompositionen. Danach beginnt Grahams Leidensweg durch die Gerichtsprozesse bis hin zum letzten Gang in die Gaskammer. Die Inszenierung wird ruhiger, und auch beim Score treten zunehmend reflexive Motive in Erscheinung. Zu kalten, unbequemen Klängen wird die Hinrichtung quälend langwierig und in allen Details vorbereitet. Als schließlich das Gas aufsteigt wählt Mandel ein klinisch kaltes, gespenstisches Klanggeflecht. Ein jenseitiges Signal, das den eintretenden Tod anstimmt. Ein erschütternder Film. Erschütternd ist aber auch die deutsche Tonspur der neuen Auflage, die die bekannten Stimmen in falscher Geschwindigkeit fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Das Ergebnis mehrerer Normwandlungen in Laufe der Jahre? -
DER RUF DES NORDENS (Nunzio Malasomma, 1929) Zwei rivalisierende Männer, eine rauhbeinige Mannschaft und eine Frau auf Such-Expedition im Polarmaar. Ein interessanter Stummfilm mit Luis Trenker, der vor allem durch seine authentischen Aufnahmen beeindruckt. Denn gedreht wurde tatsächlich im hohen Norden, im Eismeer der Arktis und auf Spitzbergen. Das Packeis, in dem das Schiff der Crew feststeckt, ist echt. Interessant ist aber auch die Präsentation auf der EMS-DVD. Es steht nur eine Tonspur zur Verfügung, und auf der haben die Epochen ihre Spuren hinterlassen. Die meiste Zeit läuft der Film völlig stumm. Ab und zu sind allerdings Ambiente-Geräusche wie Wind oder Wasserrauschen dabei - möglicherweise Überbleibsel aus der Tonfassung von 1934. Von dort könnte auch die Orchester-Musik stammen, die in einigen wenigen Sequenzen einsetzt. An mindestens einer Stelle ist aber auch eine 70er-Jahre-Synthie-Musik zu hören. Besonders bemerkenswert ist allerdings die Einführung durch Luis Trenker persönlich. Ich vermute, dass diese Ansprache bei einer um 1980 iniziierten Retrospektive aufgezeichnet wurde. Danach erzählt der bereits hochbetagte Trenker während des gesamten Films erstaunlich detaiiert und wachen Verstandes über die abenteuerlichen Dreharbeiten. Und diese Texte wurden nicht etwa nachträglich über die Bilder gelegt. Er erzählt wirklich live während der Vorführung. Der früheste Audiokommentar?
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DER MANN MIT DER GOLDENEN KLINGE (1966) ist ein Film, den es wiederzuentdecken gilt. Er scheint bislang, zumindest bei uns, lediglich in den 60er Jahren im Kino gelaufen und danach in der Versenkung verschwunden zu sein. Der Verleihtitel setzt auf ein schwungvolles Mantel-und-Degen-Abenteuer. Tatsächlich basiert dieser Film aber auf Victor Hugos DER LACHENDE MANN. Ein Roman, der Hugos bevorzugtes Thema der tragischen Liebe und unerfüllten Sehnsüchte eines Ausgestoßenen behandelt. Ein junger Mann, dem als Kind ein unveränderliches, bizarres Lachen ins Gesicht geschnitten wurde, verliebt sich in eine blinde Schönheit. Obwohl der Film von Sergio Corbucci hiervon lediglich die Grundidee übernommen hat, deutet das musikalische Arrangement auf eine ernsthafte, der Tragik und Grausamkeit der Geschichte angemessene Umsetzung hin. Und es gibt tatsächlich zwei Scores zu diesem Werk. Carlo Savinas im Film verwendete Komposition ist eine der beeindruckendsten, die ich von ihm bisher gehört habe. Das Hauptthema ist wuchtig, leidenschaftlich, tragisch. Ein weiteres Thema bietet einen leichteren, beschwingteren Gegenpol, ohne dass es die dräuende Gesamtstimmung trüben würde. Bei der Laufzeit von einer Stunde vielleicht etwas zuviel des Guten, aber dafür wirklich toll und mit voller Orchesterbesetzung umgesetzt. Ähnliches läßt sich auch über den abgelehnten Piccioni-Score sagen, der in einer 12-minütigen Suite das Album abschließt. Warum Piccionis Musik nicht angenommen wurde ist mir hinsichtlich ihrer Qualität unverständlich, zumal sie von der Stimmung her in eine sehr ähnliche Richtung zielt. Tatsächlich habe ich Piccioni selten so dramatisch gehört wie hier. Düstere Klangfarben dominieren von Anfang an, auch dann noch, wenn sich im letzten Drittel ein äußerst intensives, sehnsuchsvolles Geigen-Thema entwickelt, bevor sich die Suite noch einmal wild-dramatisch aufbäumt und zu einem fulminanten Ende findet. Ein spektakulärer Score, den ich sogar der Savina-Musik vorziehen würde (was aber auch an der sehr gut zusammengestellten Suitenform liegen kann). Und da auch Savina hier sehr inspiriert zu Werke gegangen ist, kann ich dieses Album nur guten Gewissens empfehlen.
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Ich kenne den Film nicht. Wäre denn da überhaupt mehr Musik möglich gewesen?
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Zwei neue Titel von Quartet. Was ist davon zu halten? LE CHAT besitzt eines meiner Lieblingsthemen von Sarde, allerdings scheinen hier hauptsächlich Source-Music und ein paar Sekunden-Schnipsel hinzugekommen zu sein. CESAR ET ROSALIE ist interessant, weil erheblich erweitert. Werde ich mir wohl beide holen.
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Ja, der hat sicher ein mitreißendes Titelthema, ist aber darüberhinaus weniger ergiebig. Meine erste Begegnung mit Piccioni war, wie oben schon geschrieben, der Film "Das Licht am Ende der Welt". Mein erster Tonträger muß dann "Sartana" gewesen sein, der auf der B-Seite einer Intermezzo-LP zu finden war. Zu der Zeit fing ich gerade erst mit dem Sammeln an und Italo-Western gehörten damals zu meinen bevorzugten Filmmusik-Trophäen. Und wo ich den gerade schon erwähne, kann ich auch direkt damit weitermachen: SARTANA - BETE UM DEINEN TOD ist ein unterhaltsam inszenierter, leichenreicher, aber ironisch gebrochener Italo-Western. Der Film war die eigentliche Geburtsstunde des von Gianni Garko verkörperten Sartana-Charakters, dessen Name ironischerweise von deutschen Verleihern für den früher entstandenen Garko-Film MILLE DOLLARI SUL NERO ersonnen wurde, und dann von den italienischen Produzenten übernommen wurde. Piccionis Western-Scores sind stets von ganz eigener Art und kaum mit den Werken anderer Komponisten in diesem Genre zu vergleichen, weder in Italien, noch in Amerika. Nicht jeder kommt damit klar. In den Amazon-Kommentaren ist von einem "saumäßigen Soundtrack" zu lesen. Oder von einer Musik "auf Saloon-Niveau" - was immer das heißt. Allerdings meine ich mich erinnern zu können, dass diese CD auch damals in Luc van de Vens Soundtrack-Magazin die schlechteste Bewertung bekam. Vermutlich wurden konventionellere Western-Klänge erwartet, aber Piccioni wandelt hier tatsächlich auf ganz eigenen Pfaden. Und so sind auch die zwei Hauptthemen dieses Albums so eigenwillig wie originell. Zum einen das anschwellende Sartana-Thema mit Blech und Orgel. Zum anderen das eingängige, lounge-jazz-geprägte SYCAMORE TRAILS, das in seiner entwaffnenden Lässigkeit gefällt. Auch spätere Varianten dieses Themas wie COMING TO THE POINT oder MEXICAN BORDERS gehören zu den Highlights des Albums. ANNELISE heißt das flauschige, aber auch wenig inspirierte Liebesthema, das schnell wieder vergessen ist. In einigen Tracks nutzt Piccioni bevorzugt das Fagott zum Erzeugen einer mysteriösen, spannungsfördernden Atmosphäre. Eine handvoll Saloon-Tracks sind natürlich auch vorhanden, und im kurzen THE GREEN VALLEY werden vorübergehend wuchtigere, fast epische Töne angeschlagen. Es ist nicht Piccionis bester Western-Score, aber er bietet gefällige Themen und relativ viel Abwechslung, dass auch die Laufzeit von immerhin fast einer Stunde ohne größere Flauten goutiert werden kann.
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Die 70er Jahre brachten eine ganze Schwemme von Filmen hervor, die dem Publikum das unmoralische Treiben hinter Klostermauern näherzubringen trachteten. Auslöser dieser Welle war vermutlich der Film DIE NONNE VON MONZA aus dem Jahr 1969, für den Ennio Morricone eine seiner anmutigsten Partituren geschrieben hatte. Aber auch Piero Piccioni empfand das Genre offenbar als überaus inspirierend, denn er legte ein paar Jahre später gleichwertig nach. Und das tat er mit der Musik zu DIE NONNE VON VERONA. Ein Werk, das sich zwar ebenfalls auf eine literarische Vorlage beruft, aber um einiges exploitativer angelegt ist, weswegen man sich über die beseelte und überaus kultiviert klingende Komposition fast schon wundern muß. Das Hauptthema ist ohne Zweifel eine von Piccionis schönsten und malerischsten Schöpfungen. In kunstvollen Verianten zieht es sich durch den gesamten Score und wird auch, in etwas abgewandelter Form, in den Nachfolge-Film DER NONNENSPIEGEL mit hinübergenommen. Die musikalischen Schwerpunkte liegen auf den Streichern, den Holzbläsern und der Orgel. Sakrale Frauenchöre runden das Bild ab, und in einem Track wechselt mal kurz Stimmung hin zu majestätischer Jagdhorn-Romantik.
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Natürlich bin ich nicht scharf drauf mich zu infizieren. Aber wenn´s passiert, dann ist es halt so. Das Risiko eines schweren Verlaufs schätze ich als gering ein. Und über lebensbedrohliche Verläufe denke ich gar nicht erst nach, denn permanente Angstzustände schwächen das Immunsystem ganz erheblich, das wird auch gerne übersehen. Allein deshalb halte ich es für sinnvoller, dem ganzen Schlamassel etwas gelassener gegenüberzutreten.
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DIE SPIONIN VON GIBRALTAR "Der wagemutige Einsatz einer Spezialeinheit von Kampfschwimmern (1940) ist hier wenig originell mit Spionage- und Liebesabenteuern garniert. Regisseur De Robertis, selbst ehemaliger Marineoffizier und Chef des italienischen Marinefilmdienstes, vermag immerhin einige militärische und technische Details kompentent ins Bild zu setzen." (Aus dem Lexikon des internationalen Films) Der Film ist mir unbekannt, und die Musik hat mich bei der Erstbegutachtung durchaus überrascht. Es ist nämlich ein reinrassiger Golden-Age-Score, der sich allen Verzierungen und Klangfarben bedient, die man von solch einer Musik erwarten darf. Mit einem ausladenden, maritimen Hauptthema, eingeflochtenen Orientalismen und einem einschmeichelnden Liebesthema. Hätte ich die Musik gehört ohne den Namen des Komponisten zu kennen, und lediglich mit dem Wissen ausgestattet, dass es sich um einen italienischen Film handelt, hätte ich vermutlich auf einen Vertreter der älteren Generation wie Cicognini oder Masetti getippt. Von Piccioni jedenfalls habe ich sowas nicht erwartet. Molto Bene!
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Ich habe nicht vor, mich impfen zu lassen. Bin sowieso bereits herzgeschädigt, da ich Anomalien in den Kranzgefäßen habe. Und da sind irgendwelche Nebenwirkungen durch Trombosen oder ähnliches das letzte, was ich jetzt brauchen kann. Wegen Covid mache ich mir dagegen keine großen Sorgen. Es sei denn, mein Alltag wird als Ungeimpfter soweit eingeschränkt, dass mir keine andere Wahl bleibt. Das fände ich wirklich bedenklich.
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Die Wahrheit ist nicht immer revolutionär. Ein Staatsanwalt wird durch einen gezielten Schuß auf der Straße ermordet. Inspektor Rogas ermittelt, und schon bald häufen sich ähnliche Todesfälle. Die Opfer sind stets hohe Amtspersonen und staatliche Würdenträger. Eine zeitlang konzentriert er seine Untersuchungen auf einen verschwundenen Apotheker namens Kress, der vor Jahren schonmal wegen eines versuchten Giftmordes fünf Jahre im Gefängnis saß. Doch die Dinge entgleiten seiner Kontrolle. Ein Komplott ist im Gange, und Rogas sieht sich einer allgegenwärtigen, diffusen Überwachung und Bedrohung ausgesetzt. DIE MACHT UND IHR PREIS ist ein sehr kalter, beinahe emotionsloser Film. Er beginnt in einer Kapuzinergruft mit authentischen Mumien und endet im Museum zwischen nicht minder leblosen Statuen. Zwischenmenschliches findet nicht statt, Rosi läßt seine Schauspieler bevorzugt in hohen, sterilen Räumlichkeiten agieren. Lino Venturas Rogas ist die einzige Figur, die gelegentlich Emotionalität erkennen läßt. Letzten Endes läuft der Film auf das deprimierende Porträt einer seelenlosen Überwachungsmaschinerie und auf politische Interessenskonflikte hinaus, die für das einfache Individuum undurchschaubar sind und bleiben. Interpretationsspielraum, auch hinsichtlich aktueller Entwicklungen, inklusive. Obwohl Rosi nichts ferner liegt, als mit herkömmlichen Polizeifilm-Klischees zu hantieren, erzeugt er eine stetige Unruhe, die sich mit zunehmender Laufzeit steigert. Tatsächlich ist gerade die zweite Filmhälfte von einer derart atemberaubenden Spannung, wie ich es nur selten erlebt habe. Geadelt wird dieses Meisterwerk von einer Riege exzellenter Charakterdarsteller von Alain Cuny bis Max von Sydow. DEAD FLOWERS heißt die schwer-dräuende, streicherlastige Titelmusik auf dem Album. Und wenn es eines Tracks bedarf, der die Atmosphäre des Films trefflich einfängt, dann ist es dieser. Mehr Score taucht im ganzen Film sonst nicht auf, obwohl sich noch zwei weitere, ähnlich dissonante Stücke angeboten hätten. Alles andere auf der CD ist Source Music, und selbst davon ist nur ein kleiner Teil im Film wiederzufinden. Guter, klassischer Big-Band-Jazz ohne exzentrische Abweichungen. Es gibt drei lässige, schön ausgearbeitete Sechsminüter (u.a. BLACK CONNECTION) mit Orgel und Saxophon in bevorzugten Solo-Parts, sowie das entspannte PROJECT FOR A DREAM, das auch in einer alternativen Streicher-Fassung angeboten wird. Unter Piccionis Jazz-Alben ist mir dieses ein angenehmer Zeitvertreib, auch wenn es freilich kaum die Stimmung des dazugehörigen Filmes wiederspiegelt.
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LE MANI SULLA CITTA (Hände über der Stadt): Edoardo Nottola ist Abgeordneter im neapolitanischen Stadtparlament und skrupellos agierender Bauspekulant. Bei den Arbeiten an einem von ihm iniziierten Wohnungsbauprojekt stürzt (in einer beklemmend realistischen Szene) ein angrenzendes Mietshaus ein. Es gibt Tote und Verletzte, und es stellt sich heraus, dass das Haus unzureichend gesichert war. Daraufhin gerät er ins Visier seiner politischen Gegner, die ihn auf diese Weise zur Rechenschaft ziehen wollen. Vergangene Korruptionsaffären werden aufgedeckt und veröffentlicht, doch Nottola ist nicht so leicht beizukommen und so steuert der Film auf ein zynischen Ende zu. Ein meisterhaft inszeniertes Drama von Francesco Rosi mit einem nicht minder genialen Rod Steiger in der Hauptrolle. Der Film beginnt (und endet) mit einer Hubschrauber-Persepektive über dem Häusermeer von Neapel. Die Titelmusik klingt nach Krimi, ist aufbrausend und aggressiv. Eigentlich ungewöhnlich für Rosi, der bei solchen politisch brisanten Themen doch musikalisch eher diskret zu Werke geht. Score gibt es im weiteren Verlauf des Films dann aber auch sehr wenig. Sehr viel weniger als sich auf der CD befindet, die natürlich sämtliche eingespielte Varianten des Themas bietet, abwechseld mit launigem Lounge-Jazz. Unterm Strich sind das 17 Tracks von recht repetitivem Charakter. Dennoch ein guter Score in sehr ordentlicher Klangqualität. In SALVATORE GIULIANO (Wer erschoß Salvatore G?) arbeitet Rosi einen authentischen Fall auf, der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch nicht lange zurücklag. Zum Teil griff er dabei auf Laiendarsteller zurück, die auch in die tatsächlichen Vorfälle involviert waren. Der Bandit Guiliano wird in einem Hinterhof tot aufgefunden. Anscheinend bei einem Polizeieinsatz in Notwehr erschossen. Als der Fall aufgerollt wird, kommen jedoch Details ans Licht, die eher auf eine gezielte Hinrichtung hindeuten und zu einem eng verzahnten Räderwerk zwischen Polizei, Mafia und Politik führen. Piccioni hat hierzu einen überaus ungewöhnlichen Score geschaffen, der mit langgezogenen, dissonanten Klangflächen und beklemmenden Motiven in tiefen Tonlagen zur Aufmerksamkeit zwingt. In einer begrüßenswerten Entscheidung wurde die Musik zu einer 14-minütigen Suite zusammengeschnitten, die sich wirklich sehr gut und interessant durchhören läßt, zumal sie sich auf der Zielgeraden zu einer richtigen Melodie entwickelt und in einem requiemartigen Thema ausklingt. Ein trotz oder gerade wegen seiner exzentrischen Art beeindruckender Score. Mein klarer Favorit unter den drei hier vertretenen Werken. Noch wagemutiger geht Piccioni bei IL CASO MATTEI zu Werke, der eine rein elektronische, enervierend hämmernde Klangkulisse bekommen hat, die ohne jeglichen Ansatz von Melodie, permanente Unruhe hervorzurufen im Stande ist. Erst in den letzten zwei Minuten mischt Piccioni die Klänge einer Jazzband hinzu, und es ist jene Collage, die dann auch Anknüpfungspunkt zu Rosis nächsten Film LUCKY LUCIANO ist, wo sie als Titelmusik Verwendung fand. Auch dieser Score wird auf dem Album als Suite präsentiert, die sicherlich kein Hörvergnügen im herkömmlichen Sinne ist. Als Studienobjekt jedoch durchaus von Interesse.
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SCHÖNE ISABELLA / C´ERA UNA VOLTA Ich weiß nicht, wie Carlo Ponti auf die Idee gekommen ist ausgerechnet Francesco Rosi den Regieauftrag für einen Märchenfilm (und Star-Vehikel für Sophia Loren) zu übertragen. Was im ersten Augenblick einfach nicht zusammenpaßt, erweißt sich im Ergebnis als charmante, volkstümelnde, von Rosis regulärem Kameramann Pasqualino De Santis sehr gut gefilmte Aschenputtel-Mär um zaubernde Hexen, einen schwebenden Mönch, einer Küken-Invasion und sieben Semmelklöße. Nicht nur aus meiner Sicht, auch nach Piccionis eigener Einschätzung ist diese Partitur eine seiner allerschönsten. Eine äußerst charmante und wunderbar melodische Musik mit einem hinreißenden Hauptthema (Prince Rodrigo). Gleichermaßen elegant wie lebhaft strahlt es mit den Hörnern auch die nötige Erhabenheit aus. Der Score ist bei GDM auf CD erschienen, allerdings würde ich zur FSM-Edition raten, die sowohl den LP-Schnitt der US-Version (mit der für den US-Markt konzipierten vorangestellten Song-Fassung des Themas) bietet, wie auch den kompletten Score in chronologischer Reihenfolge. Dieser ist um einiges umfangreicher und enthält u.a. mehr von den rhythmischen Turnier-Stücken und vor allem die komplette Musik zum Geschirrspül-Duell die bei GDM mittendrin einfach ausgeblendet wird.
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IL MOMENTO DELLA VERITA Diesen Film habe ich vor langer Zeit mal in der Fernsehausstrahlung gesehen, von daher ist er mir nicht mehr in allen Details präsent. Es geht um einen jungen Mann aus provinziellen Verhältnissen, der in der Strierkampfarena zum umjubelten Helden wird. Die Geschichte wird mit Pathos und psychologischem Unterbau erzählt, und natürlich sind die Kämpfe in der Arena auch metaphorisch zu verstehen. Kamera und Schnitt sind exzellent, werden zum Teil bewußt zerfahren eingesetzt, was den Eindruck von improvisiertem Dokumentarmaterial erzeugt. Tatsächlich ist hier nichts gestellt, und auch das Blut, das den Tieren aus Wunden und Mäulern läuft, ist echt, was diesen Film, so eindrucksvoll ich ihn damals auch fand, zu einem zwispältigen Erlebnis macht, bei dem man um die moralische Grundsatzfrage als Zuschauer nicht herumkommt. Die Filmmusik habe ich seinerzeit, noch bevor ich den Film gesehen hatte, durch die CAM-CD kennengelernt. Und noch heute verspüre ich eine gewisse nostalgische Zuneigung zu den Scheiben aus CAMs Soundtrack-Encyclopedia, war es doch jene Serie mit dem markanten Cover-Design und den spärlichen, holprig übersetzten Texten, die mir damals meinen ersten Zugang in die Welt südeuropäischer Filmmusik abseits der gängigen Titel erstmals ermöglichte. Mit schwerer Kirchorgel, satten Streicherflächen und Corrida-Fanfaren entfacht Piccioni eine aufwühlende Tour-de-Force, deren Melodik einfach atemberaubend ist. Dem Stierkämpfer wird hier nicht bloß gehuldigt, er wird geradezu in sakrale Sphären gehoben. Das ist grandios anzuhören und nach ca. 17 Minuten vorbei, denn man hat lobenswerterweise den Score in 7 aufeinanderfolgenden Tracks präsentiert, getrennt von den Jazznummern, die sich mit den Track 8-12 anschließen. Eine der essenziellen Piccioni-CDs!
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LA VIACCIA ist etwa ein Jahr vor SENILITA entstanden und behandelt das sehr ähnliche Thema von Liebe und Abhängigkeit, und auch hier führt der Weg für den männlichen Part in den Untergang, da die Frau in der Lage ist, in letzter Konsequenz aus opportinistischen Erwägungen zu handeln. 1885: Der junge Amerigo (Belmondo) lebt im Kreise seiner Familie in ärmlichen Verhältnissen in der italienischen Provinz. Nach dem Tod des Großvaters wird Amerigo in die Stadt geschickt, wo er in der Weinhandlung eines Verwandten eine Arbeit findet. Eines Tages lernt er die Prostituierte Bianca (Cardinale) kennen und verliebt sich in sie. Um sie weiterhin besuchen zu können, bestiehlt er seinen ausbeuterischen Arbeitgeber, was zu weiteren Konflikten führt. Für die Filmmusik adaptiert Piccioni hier Debussys RAPSODIA PER SAX E ORCHESTRA, was auch ganz wunderbar funktioniert. Die Debussy-Stücke ergänzen sich trefflich mit Piccionis eigenen Kompositionen, bei denen er sich diesmal mehr auf solistische Holzbläser-Einsätze und sehr düstere Klangfarben konzentriert. Samtige Streicherflächen, wie noch in SENILITA, gibt es hier nicht. Überhaupt ist die Musik hier um einiges spröder, besitzt weniger Oberflächenreize, und kommt so der trübseligen Stimmung von Bologninis Sozialdrama entgegen. Dennoch ein lohnenswertes Album, das auch diverse Source-Music-Tracks enthält, mit denen die Bordell-Szenen ausgestattet sind. Die deutsche Kinofassung des Films (Ohne O-Ton, mit deutschen Vorspanntiteln) ist auf einer empfehlenswerten DVD erschienen. Sauber abgetastet von einer gut erhaltenen Kopie, mit leichten Verschmutzungen, gelegentlich holprigen Übergängen bei Spulenwechseln und authentischem Zelluloid-Flair.
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In seiner früheren Schaffensphase hat Regisseur Mauro Bolognini mehrmals mit Piccioni zusammengearbeitet, bevor er später eher auf Morricone als bevorzugten Komponisten zurückgriff. Der junge Emilio (Anthony Franciosa) lebt mit seiner Schwester in einer Wohnung in Triest. Sein Leben verläuft bieder und ereignisarm, bis er sich in die attraktive Angiolina (Claudia Cardinale) verliebt, die einen selbstgefälligen Charakter besitzt und zu einem ungezwungenen Lebenswandel neigt. Emilio gerät in einen Sog aus Abhängigkeit und Eifersucht, den Bolognini ohne jede ironische Brechung mit der Schwere einer klassischen Tragödie inszeniert. Die stilvolle Schwarz-weiß-Fotografie und die beeindruckenden Schauplätze von Triest mit ihren barocken und neoklassizistischen Bauten, das ist schon eindrucksvoll. Aber auch eine erste, längere Kuß- und Konversationsszene der beiden Protagonisten weiß Bolognini ausdrucksstark (und ohne Musik) vor dem Hintergrund eines dampfenden Industriegeländes zu inszenieren. Die Musik ist bis ins Detail stimmig, warmherzig, aber stets von Zweifeln begleitet, zunehmend dramatisch und auf ein fatales Ende zusteuernd. Das Album folgt nicht der Filmreihenfolge. Es beginnt mit dem Stück MUSICA DELLA NOTTE, das im Film nach etwa der Hälfte der Laufzeit einsetzt und den von Argwohn und Kummer geplagten Emilio beim ziellosen Umherirren durch die nächtlichen Straßen begleitet. Ein Stück von großer emotionaler Spannung und Empathie, das auf höchst eindringliche Weise den Seelenzustand des Protagonisten auslotet. Ein zweites Thema wird vorstellig in einem schwerfälligen TANGO mit leicht grotesken Zügen. TEMA DI AMALIA ist ein elegisches Kleinod, das Emilios Schwester zugedacht ist, die im Film ebenfalls ein tragisches Schicksal erfährt. CHIMERA hantiert mit melancholischen, hallenden Klavierklängen, die zusammen mit der behutsamen Begleitung einen entrückten Charakter annehmen. In u.a. AMORE VANO und QUASI AMORE schließlich kommt das wunderbare Liebesthema in vollem Streicherglanz zur Geltung. Und noch eine Szene möchte ich herausgreifen: Nach der ersten Annährung, die gänzlich ohne Musik stattfindet, besucht Emilio Angiolina in ihrer Wohnung. Er steigt die verwahrlosten Treppen eines heruntergekommenen Mietshauses empor, wird oben von ihr und ihrer Mutter empfangen. Er stellt sich vor, es gibt etwas Unruhe mit herumspielenden Kindern. Sie bittet ihn in ihr Zimmer und schließt die Tür. In dem Moment setzt das Tango-Thema wieder ein, diesmal in einer helltönenden, sphärenhaften Variante (MUSICA DEL MARE). Er befindet sich nun am Ziel seiner Wünsche, in einer Art Zauberwelt, den tristen Alltag hinter der Zimmertür zurücklassend. Derlei clevere Musikeinsätze finden sich mehrfach im Film, den ich vielleicht nicht mehr zur Gänze zum italienischen Neorealismus zählen würde, der aber noch deutlich von diesem beeinflußt ist. Es sollte klar geworden sein: SENILITA ist mein absoluter Piccioni-Favorit. Zutiefst romantisch, aber gleichsam auch dramatisch und atmosphärisch unglaublich dicht, nach Piccionis eigener Aussage inspiriert von Debussy. Aber auch den Film sollte man sich nicht entgehen lassen.
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Da ich mich in letzter Zeit wieder vermehrt mit Piccionis Filmmusik beschäftige (an dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an Stefan), verspüre ich das Bedürfnis, mich zu einigen seiner Werke anerkennend zu äußern. Natürlich ist Piccioni jemand, der hier im Forum bisher wenig Beachtung gefunden hat, und das kann man ja ruhig mal ändern, zumal sich in seiner üppigen Filmografie sowohl Genre-Titel wie auch etliche anspruchsvollere, zum Teil vergessene, Perlen finden. Und freilich gehe ich da erstmal von persönlichen Präferenzen aus, wie z.B.: Ich weiß nicht mehr genau, im welchem Alter mir dieser Film von meinem Vater vorgeführt wurde, aber es war noch zu einer Zeit, als mir der Name Piccioni noch gänzlich unbekannt war. Die 35-mm-Kopie, die da in den heimischen vier Wänden zum Einsatz kam, wies die eine oder andere Klebestelle auf, war im Großen und Ganzen aber in einem sehr ordentlichen Zustand. Die Geschichte einer Piratenmeute, die sich auf einer Felseninsel einnistet, und mit dem Leuchtturmwärter Denton eine Hetzjagd im "Most Dangerous Game"-Stil veranstaltet, lag mit ihrem nihilistischen Duktus und den nicht unbeträchtlichen Grausamkeiten durchaus im Trend der Zeit und hatte mit den schwungvollen Seeräuberspektakeln vergangener Tage nicht mehr viel gemein. Mich hat es jedenfalls schwer beeindruckt, und der Film lief danach noch mehrmals über den Spulenturm unseres Bauer-Projektors. Piero Piccioni ist mir danach lange Zeit nie mehr begegnet. Ich verband seinen Namen ausschließlich mit jener unwirtlichen Insel auf der sich Kirk Douglas und Yul Brynner ihr erbarmungsloses Duell liefern. Mit den enervierenden, hypnotischen Stücken zu denen Douglas durch die felsige Landschaft gehetzt wird, mit den samtigen Streichern und Carillon-Klängen, mit denen Denton sich an seine verflossene Liebe Emily Jane zurückerinnert. Mit dem aufwühlenden Kongre-Motiv und natürlich mit jener ausladenden, romantisierenden, von Abenteuern und fernen Orten erzählenden Titelmusik. Papa ist dann vor ein paar Jahren gestorben. Und welches Musikstück wäre als Trauerbegleitung besser geeignet gewesen als dieses, das sowohl mit persönlicher Erinnerung verbunden ist, wie auch die angemessene Würde und Erhabenheit auszustrahlen vermag?