Zum Inhalt springen
Soundtrack Board

Was habt ihr zuletzt gesehen?


Scorechaser
 Teilen

Empfohlene Beiträge

vor 3 Stunden schrieb bimbamdingdong:

Interessant; ich las bis jetzt sowohl, daß

A) der 2er ne 1:1 Kopie sei zum 1er und ein dürftiges Drehbuch bzw. ne dürftige Handlung hätte und andererseits aber auch las ich, daß

B) der 2erhandlungsmäßig und figurenmäßig Tiefgang hätte und sehr viel besser als Teil 1 sei.  

Alles eine Frage des Anspruchs und der Erfahrung 😉 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

  • 4 Wochen später...

Babylon von Damien Chazelle

Zusammenfassung: Wer Billderrausch und eine Frühgeschichte Hollywoods will, wird gut bedient, wer ausformulierte Figuren oder irgendeine Position oder Aussage sucht, ist hier falsch

Inhalt: Kalifornien, 1923 - das Stummfilmgeschäft läuft bestens, das große Geld sorgt für endlose Exzesse, aber auch zahllose Karriere-Chancen. Bereits ein gefeierter Star ist selbst schlimmsten versoffen noch charismatische Jack Conrad (Brad Pitt), mit purer Willenskraft, großem Einsatz und viel Talent wird aus der Party-Maus Nellie LaRoy (Margot Robbie) rasch eine gefragte Filmschauspielerin; der junge Mexikaner Manny Torres (Diego Calva) verknallt sich schwer in die junge Frau und wird über Nacht Conrads persönlicher Assistent, der immer weiter aufsteigt im Geschäft. Für den schwarzen Trompeter Sidney Palmer (Jovan Adept) ist es ruckeliger: Als Teil einer Band, die beim Dreh für Stimmung sorgt, ist er unterfordert und etwas gegängelt. Aber alle machen ihren Weg, mal zusammen, mal alleine, überstehen Drogen, Fusel, Bettgeschichten und - einige besser, andere schlechter - auch den Wechsel zum Tonfilm.

Kritik, Teil 1 - Echt gut: Margot Robbie war immer eine tolle und mutige Schauspielerin, aber es ist eine echte Freude, mit der sie hier spielt, ohne Halt und ohne Ängste, eigentlich immer auf voller Fahrt, wohin auch immer ihre Figur emotional geht. Und das ist keine kleine Leistung bei dem Drehbuch (s.u.).

Auch eine echte Freude, mit wieviel Leidenschaft (und Budget) Chazelle hier durch 10 frühe Hollywood-Jahre führt, sein Ideenreichtum ist bemerkenswert. Eine längere Sequenz beschäftigt sich mit dem Stummfilm-Dreh einer großen Schlacht, bei der der deutsche Regisseur mit den zahllose, renitenten Statisten, einem sturzbetrunkenen Jack Conrad und der Technik herumschlagen muss. Sehr schön dabei: Am Rand des Schlachtfelds sitzt ein großes Orchester, um das Getümmel musikalisch zu begleiten.

Kritik, Teil 2 - Naja-Schiene: Eine schlimme Achilles-Ferse des Films ist - anders als bei dem wunderbar stillen und nachdenklichen "First Man" und eher wie bei dem für meinen Geschmack schlimm überschätzten "La La Land" - leider das Drehbuch. Chazelle schafft es nicht, irgendeine erzählerische Linie in seinen Film zu bekommen, "Babylon" bleibt ein Bilderbogen und ein Plot-Büffet, bei dem alles dabei ist, the good, the bad & the ugly. Das ist besonders bitter, was die (vermeintlichen) Hauptfiguren des Films angeht: Einige verschwinden in dem überlangen (189 Minuten) Film für 20-40 Minuten komplett und kehren dann manchmal eher ruckelnd auf die Leinwand zurück. Dass Manny Torres hier im Mittelpunkt der Geschichte stehen soll(te), erschliesst sich kaum: Statt den Film aus seiner Perspektive zu erzählen, zeigt Chazelle alles, was ihm gerade einfällt, egal wie sehr das die Dramaturgie zerschiesst. Bei Margot Robbie funktioniert das fast noch, aber Sidney Palmer hätte gut und gerne herausgeschrieben werden können - seine 17 Minuten screen time lassen ihn Fußnote bleiben, der Film braucht ihn letztlich nicht. Das ist unschön, denn Zeit und Material hätte es genug gegeben.

Kritik, Teil 3 - Gerne nicht: Im Hollywood Reporter hatte ich vor der Vorführung etwas gelesen, nämlich dass Chazelle aus der Kritik an "First Man" - zu zurückhaltend, zu wenig (patriotisches) Pathos, zu viel Psychologie - die falschen Schlüsse gezogen habe und in "Babylon" permanent nur Schlüsselreize und Spektakel liefere. Das stimmt leider. Der Film will nur und regelrecht verzweifelt zerstreuen. Und das fällt ihm nicht nur wegen der bestenfalls skizzierten Figuren vor die Füße, sondern noch mehr, weil er keinen Tonfall findet oder halten kann. Es gibt hier viel Slapstick und Schenkelklopferei auf Farrelly-Niveau ("...und dann kackt dem Mann ein Elefant minutenlang auf den Kopp!"), viel Humor von brachial bis zynisch. Okay. Aber dann ist es eben nicht gut, wenn es im nächsten Moment um vermeintlich echte Emotionen gehen soll, um Versagens- und Verlustängste, um Einsamkeit. Solche Sachen wirken dann plakativ und verlogen.

Und es ist auch unerfreulich, dass hier alle jenseits des Quartetts im Mittelpunkt (oder "Mittelpunkt") nur Karikaturen bleiben, teils angeblich urkomische Verlierer (Lukas Haas als labiler Filmproduzent), teils groteske Monster (Tobey Maguires fiebriger Unterwelt-Boss), oder zum Abschuss freigegeben werden: Wenn der Kameramann in seiner stickigen Box im ungelüfteten Tonfilmstudio tot herauskippt, gibt es hier keinerlei Betroffenheit, das ist nur ein billiger Lacher.

Schlusswort: An Filmen über (das alte) Hollywood haben sich schon viele verhoben, auch die Coen-Brüder ("Hail, Cesar!"), obwohl es ja genug Recherche-Material gibt, nicht zuletzt Angers "Hollywood Babylon". Das und ein ernsthafter Blick auf die Zeit wäre hier schön gewesen. Bekommt Damien Chazelle leider aber nicht hin. Da frage ich mich letztlich, für welche Zuschauer:innen "Babylon" letztlich sein soll und wer für dieses Kuddelmuddel je das Budget (immerhin 80-120 Millionen Dollar) freigegeben hat. Insofern: Leider eine verpasste Chance.

Bewertung: 5 von 10

Babylon.jpeg

  • Like 1
  • Thanks 1
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Schönes Review. Hatte mich in der Tat auf den Film gefreut und so wie du das exzellente Buch von Kenneth Anger im Hinterkopf. Das hätte was werden können.....werd ihn mir wahrscheinlich trotz alledem angucken, da er ja doch seine Momente zu haben scheint.

Nochmals: tolle Rezi.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

  • 4 Wochen später...

Tár von Justin Field

Zusammenfassung: Eine spröde, einen aber immer wieder auch enorm in seinen Bann ziehende Geschichte über Macht, Arroganz und Missbrauch am Arbeitsplatz, hier sehr gekonnt im Kunst-Betrieb und der Welt der Klassik-Elite übertragen. Im Mittelpunkt eine großartige Cate Blanchett. 

Inhalt: Lydia Tár (Blanchett) ist ein gefeierter Star der Klassik-Szene, die ehemalige Konzert-Pianistin ist nicht nur eine hoch gefragte Top-Dirigentin, sondern hat auch federführend über eine Stiftung vielen jungen Musikerinnen wichtige Starthilfe gegeben. Für Tár könnte es nicht besser gehen: Die meinungsstarke Bernstein-Schülerin ist Stamm-Dirigentin der Berliner Philharmoniker und bereitet gerade eine Einspielung von Mahlers 5. Sinfonie für die Deutsche Grammophon vor, in Kürze erscheint in den USA ein Buch mit ihrem Blick auf die großen Komponisten, sie lebt mit ihrer Frau Sharon (Nina Hoss), erste Violinistin bei den Philharmonikern, und der gemeinsamen Tochter Petra im edlen Elfenbeinturm des gehobenen, gut bezahlten Kulturbetriebs.

Ein guter Mensch ist Lydia Tár nicht, mit Kolleg:innen, Musiker:innen und auch Schüler:innen verfährt sie hart, kalt und rücksichtslos, ihre persönliche Assistentin Francesca (Noémie Merlant), die sich rund um die Uhr um alle Belange Tors aufopfernd kümmert und der die Dirigentin schon lange den Aufstieg in eine tragende Rolle bei den Philharmonikern versprochen hat, behandelt sie wie eine Leibeigene. 

Doch Társ Idyll bekommt Risse. Die Nachricht vom Selbstmord einer Musikerin geht ihr nah und wirft auch für Andere Fragen auf. Andererseits findet sie rasch großes Gefallen an der russischen Cellistin Olga (Sophie Kauer), die sie mit ungewohnter Hingabe protegiert. Bald ist klar, dass das oder die Eine mit der Anderen zu tun hat, dass Lydia Tár gewohnheitsmäßig junge Musikerinnen auswählt und fördert, in einer Art und Weise, die nur wenig mit deren Talent und alles mit Társ Verlangen zu tun hat.

Am Ende des Films folgt eine Abrechnung und eine ungeheuer harte Strafe.

Kritik: Kalt und ausdruckslos ist Cate Blanchett, wenn wir sie am Filmanfang sehen, eisern, eisig analytisch, ungeheuer kompetent in ihren Bewertungen der Musik und des Musikgeschäfts. Gefühle sind für diese Lydia Tár nur ein künstlerisches Element. Keines ihrer Gespräche ist je wirklich persönlich, keine Sympathiebekundung (außer zu ihrer kleinen Tochter) wirklich herzlich. Es ist bemerkenswert wie die Blanchett, schauspielerisch mMn eh eine der wenigen sicheren Sachen im Filmgeschäft, mit minimalsten Blicken, Gesten und Betonungen so eindrucksvoll eine Frau, einen Typ zum Leben erweckt und, später, auch die Brüche und Verlogenheiten der Lydia Tár glaubhaft macht.

Regisseur Todd Field bekommt die Figur und ihre Welt auch gut zu fassen, sein Film spielt weitgehend in einer elitären, aber auch kalten Welt voller mid-Century-Design, in Hotelzimmern und hinter den Kulissen der Philharmonie. Irgendwann gibt es auch andere Szenerien - die zugemüllte Wohnung einer Nachbarin neben Társ Arbeitswohnung, das mit Andenken und Relikten eines älteren Philharmonie-Mitarbeiters, doch darauf blicken sie wie der Film zunächst eher mit Abscheu. Reich und schön ist das nicht.

Field erzählt seinen Film sehr spröde, aber auch sehr punktgenau, ihm gelingt es, fast beiläufig bringt er neue Tonfälle und Färbungen ein: Aus der Geschichte eines gefeierten, selbstbewussten Superstars wird die einer arbeitswütigen Künstlerin wird ein Thriller wird eine Enthüllung. Das funktioniert bemerkenswert gut. Und es ist auch toll, wie er die leider fast übliche Geschichte vom Machtmissbrauch durch erfolgreiche, wichtige Männer hier in der Übertragung auf eine erfolgreiche, wichtige Frau noch deutlicher und greifbarer macht, ohne reißerische Aufnahmen, ohne Hysterie. 

Schlusswort: Ein bemerkenswerter Film, der auch ein paar gute, für Laien wie mich faszinierende Einblicke in die Dirigenten- und Orchester-Arbeit und den Klassik-Betrieb liefert. Schönes Detail: In einem Vortrag vor Studierenden erwähnt Tár Jerry Goldsmith und seinen "Planet of the Apes". 

Bewertung: 8 von 10

  • Like 1
  • Thanks 2
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

  • 2 Wochen später...

THE CAR (Elliot Silverstein, USA 1977)

Elliot Silversteins THE CAR über ein dämonisches Auto wird gemeinhin als Variation auf frühe Spielberg-Filme wie DUEL oder JAWS gelesen, in denen ein unaufhaltsames, gesichtsloses Monster – Symbol einer abstrakten Ur-Kraft – Jagd auf Menschen macht. Naheliegend ist jedoch auch die Lesart als filmische Ausdeutung des mittelalterlichen 'Dies irae'-Hymnus, der das Jüngste Gericht thematisiert. Leonard Rosenman nutzt die im 13. Jahrhundert komponierte Melodie des Chorals als Hauptmotiv des Scores, während Regisseur Silverstein auf den Bild- und Tonebenen des Films die dritte Strophe des Hymnus-Textes verarbeitet:

3. Tuba mirum spargens sonum
Per sepulcra regionum
Coget omnes ante thronum.

Der schrille Klang der Posaune
Durch die Gräber der Regionen,
zwingt alle vor den Thron.

Der "schrille Posaunenklang", der das Jüngste Gericht und den endzeitlichen Kampf zwischen Gut und Böse ankündigt, manifestiert sich im durchdringenden Hupen des Autos, das Fensterscheiben zerbersten lässt und seine Opfer akustisch überwältigt; aber auch im Motiv der Blasinstrumente, die von den Einwohnern der Kleinstadt gespielt werden (wie die Mitglieder der örtlichen Blaskapelle, oder der Horn-spielende Anhalter, der dem Auto als Erster zum Opfer fällt). Die Einwohner der Kleinstadt fungieren damit als unwissende Propheten, die die aufziehende Konfrontation mit dem Bösen bereits selbst ankündigen. Nicht zuletzt die Wahl des Schauplatzes – die Wüste Utahs – unterstreicht den biblischen Charakter der Konfrontation.

Silversteins Film ist von einem radikalen Willen zur Abstraktion durchzogen, wie er für einen Studio-Horrorfilm des frühen Blockbusterzeitalters ungewöhnlich ist. Mit ihrer ohrenbetäubenden Motor-Kakophonie und der hysterischen Brutalität der Rosenman-Musik wirken die Auto-Jagden durch das Nichts der Wüste wie rabiate, reizüberflutende Experimentalfilme, die das Beben des Jüngsten Gerichts ('quantus tremor est futurus!') erfahrbar machen sollen. Auch der Zuschauer soll gewaltvoll vor den Thron gezwungen werden. Ein toller, zorniger Film. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

  • 3 Wochen später...

The Fabelmans von Steven Spielberg

Zusammenfassung: Eine aufmerksame wie liebevolle Quasi-Biografie des Regisseurs, der hier seine Kindheit und Jugend als eindrucksvoll bittersüße Familiengeschichte skizziert.

Inhalt: New Jersey, 1952. Nachdem er mit seinen Eltern – Vater Burt, ein etwas steifer Ingenieur (Paul Dano), und Mutter Mitzi, eine ehemalige Konzertpianistin (Michelle Wiliams) – im Kino DeMilles „The Greatest Show on Earth“ gesehen hat, ist der siebenjährige Sammy Fabelman prompt hingerissen von der Effekttechnik. Ewig stellt er mit einer Modelleisenbahn den großen Crash des Films nach, bis Mutti vorschlägt, das doch mit der Super8-Kamera aufzunehmen – a filmmaker is born. Sammys Vater steht dem – ein wiederkehrendes Motiv – skeptisch gegenüber: Burt freut sich über Sohnemanns technisches Interesse und Engagement, findet aber, das sei Verschwendung. Sammy soll doch was Richtiges machen und nicht nur Filme.

Doch der Junge lässt sich das nicht ausreden. Als seine Familie – inklusive Burts Geschäftspartner und Freund der Familie Benny (Seth Rogen) – fünf Jahre später nach Arizona umziehen, weil Burt und Bennie da einen attraktiven Tech-Job gefunden haben, professionalisiert Sammy (Gabriel LaBelle) seine Arbeit. Bei den örtlichen Pfadfindern dreht er immer aufwendigere Filme, bei den Vorführungen begleitet mit Hollywood-Scores per Schallplatte. Sammy geht in der Filmerei auf. Doch es gibt auch einen Preis, den er für seine Begeisterung zahlen muss: Als er die Aufnahmen eines Familien-Ausflugs schneidet, wird Sammy klar, dass die Ehe seiner Eltern eigentlich kaputt ist. Bald trennen sich Burt und Mitzi auch, für Sammy ist das doppelt traumatisch.

Später lebt er mit seinem Vater in Kalifornien. Keine gute Zeit für Sammy, an der Schule schlägt ihm mit voller Wucht der Antisemitismus entgegen, anders als in Arizona ist er hier nur der schmächtige jüdische Junge, den die Jocks lange rumschubsen, bevor sich Sammy mit einem Film zum Semester-Abschluss („Ditch Day“) auch bei denen beliebt machen kann. Als richtiger Filmemacher hat er es zunächst schwer, doch dann bekommt er in Hollywood einen Assistenzjob bei „Hogan’s Heroes“, der ihm die Tür zum Biz öffnet. Auch die Tür zu John Ford (David Lynch), einem von Sammys Regie-Vorbildern, der mit dem jungen Mann ein kurzes Gespräch führen kann (siehe „Die beste Szene“).

Kritik, Teil 1 - Echt gut: Es gibt ja zwei, drei, viele Spielbergs und es war durchaus zu befürchten, dass der Regisseur viel Zuckerguss über seine Quasi-Biografie kippt. Tatsächlich ist „The Fabelmans“ aber ein beeindruckend ehrlicher, bittersüßer Film geworden: Das Drehbuch (Spielberg und Tony Kushner) tritt allen Hauptfiguren mit Respekt und Aufmerksamkeit gegenüber, hier gibt es keine Hysterie oder einfachen Schuldzuweisungen. Stattdessen lässt der Film Raum für eindrucksvolle, differenzierte Darstellungen. Die sind durchweg absolut hinreißend, in der tollen Besetzung kommen alle zum Strahlen (besonders Gabriel LaBelle ist eine Wucht). Das hebt den Film rasch und nachhaltig über jeglichen Kitsch und alle TV Movie of the Week-Klippen: Ich hätte in den letzten 20 Jahren gerne mehr von diesem Spielberg gehabt, mehr persönlichere, subtil und mit Fingerspitzengefühl erzählte Geschichten gehabt.

Kritik, Teil 2 - Naja-Schiene: Es gibt nicht viel zu quengeln, aber ein paar Kleinigkeiten sind nicht ideal, besonders im harten Kontrast zu allem, was so wunderbar ist in „The Fabelmans“. Denn wen Film und Drehbuch nicht im Fokus haben, verrutscht hier leider rasch: Sammys Schwestern bleiben Kulisse und Staffage, die ältere Generation der Familie bleibt genauso Klischee wie die (meisten) Mitschüler:innen von Sammy in Kalifornien. Das ist etwas schade.

Auch komisch, wenn auch nicht wirklich schlecht: Gemessen an der jahrzehntelangen Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Spielberg und John Williams war die Erwartung, dass der Komponist hier auch einen spektakulären, subtilen, fesselnden Score liefert. Stattdessen ist Williams‘ Einsatz stark reduziert, jenseits von zwei Szenen und kurzen Underscore-Momenten bleibt es hier bei Source Music. Das tut dem Film absolut gut (siehe Sorge vor dem inszenatorischen Zuckerguss), mag aber viele ernsthaft enttäuschen.

Kritik, Teil 3 – Die beste Szene: 

Spoiler

Kurz vor Schluss trifft Sammy in Hollywood eines seiner Kino-Idole, John Ford (Lynch). Der sitzt hinter seinem überladenen Schreibtisch, Augenklappe im faltigen Gesicht, Zigarre, muffelige Prädesposition. In dürren Worten erklärt er dem schockstarren Sammy, was eine gute Aufnahme ausmacht – nämlich die Positionierung des Horizonts im Bild. Oben ist aufregend, unten ist aufregend, in der Mitte ist das eine arschlangweilige Aufnahme. Und jetzt raus hier, Bengel.

Das ist ein ganz großer Spaß, ich hätte gerne mehr von David Lynch als Schauspieler.

Schlusswort: Ich war wirklich sehr angetan von dem Film, der eindrucksvoll sämtliche düsteren Befürchtungen elegant und selbstbewusst ausräumt. „The Fabelmans“ ist eine schön erzählte (Familien-) Geschichte, die Spielberg-Fans ein paar Einblicke in die Jugend ihres Stars liefert, das aber nie über seine Erzählung stellt: Ja, hier geht es um Steven Spielberg, aber der Film funktioniert auch absolut und wirklich gut ohne diesen Bezug. Das muss man auch erstmal hinkriegen, Chappeau.

Bewertung: 8 von 10

Fabelmans.jpeg

  • Like 1
  • Thanks 1
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 1 Stunde schrieb Souchak:

The Fabelmans von Steven Spielberg

Zusammenfassung: Eine aufmerksame wie liebevolle Quasi-Biografie des Regisseurs, der hier seine Kindheit und Jugend als eindrucksvoll bittersüße Familiengeschichte skizziert.

Inhalt: New Jersey, 1952. Nachdem er mit seinen Eltern – Vater Burt, ein etwas steifer Ingenieur (Paul Dano), und Mutter Mitzi, eine ehemalige Konzertpianistin (Michelle Wiliams) – im Kino DeMilles „The Greatest Show on Earth“ gesehen hat, ist der siebenjährige Sammy Fabelman prompt hingerissen von der Effekttechnik. Ewig stellt er mit einer Modelleisenbahn den großen Crash des Films nach, bis Mutti vorschlägt, das doch mit der Super8-Kamera aufzunehmen – a filmmaker is born. Sammys Vater steht dem – ein wiederkehrendes Motiv – skeptisch gegenüber: Burt freut sich über Sohnemanns technisches Interesse und Engagement, findet aber, das sei Verschwendung. Sammy soll doch was Richtiges machen und nicht nur Filme.

Doch der Junge lässt sich das nicht ausreden. Als seine Familie – inklusive Burts Geschäftspartner und Freund der Familie Benny (Seth Rogen) – fünf Jahre später nach Arizona umziehen, weil Burt und Bennie da einen attraktiven Tech-Job gefunden haben, professionalisiert Sammy (Gabriel LaBelle) seine Arbeit. Bei den örtlichen Pfadfindern dreht er immer aufwendigere Filme, bei den Vorführungen begleitet mit Hollywood-Scores per Schallplatte. Sammy geht in der Filmerei auf. Doch es gibt auch einen Preis, den er für seine Begeisterung zahlen muss: Als er die Aufnahmen eines Familien-Ausflugs schneidet, wird Sammy klar, dass die Ehe seiner Eltern eigentlich kaputt ist. Bald trennen sich Burt und Mitzi auch, für Sammy ist das doppelt traumatisch.

Später lebt er mit seinem Vater in Kalifornien. Keine gute Zeit für Sammy, an der Schule schlägt ihm mit voller Wucht der Antisemitismus entgegen, anders als in Arizona ist er hier nur der schmächtige jüdische Junge, den die Jocks lange rumschubsen, bevor sich Sammy mit einem Film zum Semester-Abschluss („Ditch Day“) auch bei denen beliebt machen kann. Als richtiger Filmemacher hat er es zunächst schwer, doch dann bekommt er in Hollywood einen Assistenzjob bei „Hogan’s Heroes“, der ihm die Tür zum Biz öffnet. Auch die Tür zu John Ford (David Lynch), einem von Sammys Regie-Vorbildern, der mit dem jungen Mann ein kurzes Gespräch führen kann (siehe „Die beste Szene“).

Kritik, Teil 1 - Echt gut: Es gibt ja zwei, drei, viele Spielbergs und es war durchaus zu befürchten, dass der Regisseur viel Zuckerguss über seine Quasi-Biografie kippt. Tatsächlich ist „The Fabelmans“ aber ein beeindruckend ehrlicher, bittersüßer Film geworden: Das Drehbuch (Spielberg und Tony Kushner) tritt allen Hauptfiguren mit Respekt und Aufmerksamkeit gegenüber, hier gibt es keine Hysterie oder einfachen Schuldzuweisungen. Stattdessen lässt der Film Raum für eindrucksvolle, differenzierte Darstellungen. Die sind durchweg absolut hinreißend, in der tollen Besetzung kommen alle zum Strahlen (besonders Gabriel LaBelle ist eine Wucht). Das hebt den Film rasch und nachhaltig über jeglichen Kitsch und alle TV Movie of the Week-Klippen: Ich hätte in den letzten 20 Jahren gerne mehr von diesem Spielberg gehabt, mehr persönlichere, subtil und mit Fingerspitzengefühl erzählte Geschichten gehabt.

Kritik, Teil 2 - Naja-Schiene: Es gibt nicht viel zu quengeln, aber ein paar Kleinigkeiten sind nicht ideal, besonders im harten Kontrast zu allem, was so wunderbar ist in „The Fabelmans“. Denn wen Film und Drehbuch nicht im Fokus haben, verrutscht hier leider rasch: Sammys Schwestern bleiben Kulisse und Staffage, die ältere Generation der Familie bleibt genauso Klischee wie die (meisten) Mitschüler:innen von Sammy in Kalifornien. Das ist etwas schade.

Auch komisch, wenn auch nicht wirklich schlecht: Gemessen an der jahrzehntelangen Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Spielberg und John Williams war die Erwartung, dass der Komponist hier auch einen spektakulären, subtilen, fesselnden Score liefert. Stattdessen ist Williams‘ Einsatz stark reduziert, jenseits von zwei Szenen und kurzen Underscore-Momenten bleibt es hier bei Source Music. Das tut dem Film absolut gut (siehe Sorge vor dem inszenatorischen Zuckerguss), mag aber viele ernsthaft enttäuschen.

Kritik, Teil 3 – Die beste Szene: 

  Versteckten Inhalt anzeigen

Kurz vor Schluss trifft Sammy in Hollywood eines seiner Kino-Idole, John Ford (Lynch). Der sitzt hinter seinem überladenen Schreibtisch, Augenklappe im faltigen Gesicht, Zigarre, muffelige Prädesposition. In dürren Worten erklärt er dem schockstarren Sammy, was eine gute Aufnahme ausmacht – nämlich die Positionierung des Horizonts im Bild. Oben ist aufregend, unten ist aufregend, in der Mitte ist das eine arschlangweilige Aufnahme. Und jetzt raus hier, Bengel.

Das ist ein ganz großer Spaß, ich hätte gerne mehr von David Lynch als Schauspieler.

Schlusswort: Ich war wirklich sehr angetan von dem Film, der eindrucksvoll sämtliche düsteren Befürchtungen elegant und selbstbewusst ausräumt. „The Fabelmans“ ist eine schön erzählte (Familien-) Geschichte, die Spielberg-Fans ein paar Einblicke in die Jugend ihres Stars liefert, das aber nie über seine Erzählung stellt: Ja, hier geht es um Steven Spielberg, aber der Film funktioniert auch absolut und wirklich gut ohne diesen Bezug. Das muss man auch erstmal hinkriegen, Chappeau.

Bewertung: 8 von 10

Fabelmans.jpeg

Zum Thema Lynch als Schauspieler: Der spielt doch auch in seinem TWIN PEAKS mit, als schwerhöriger FBI-Chef Gordon Cole, Serie und Film. In seinem Kurzfilm „What did Jack do?" von 2017 spielt er ebenfalls mit, sogar die zweite Hauptrolle. ;) Und ist die Stimme des Protagonisten ist er auch. In LUCKY mit Harry Dean Stanton ist er auch dabei.

 

Mit Louis CK:

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 7 Minuten schrieb Alexander Grodzinski:

Zum Thema Lynch als Schauspieler: Der spielt doch auch in seinem TWIN PEAKS mit, als schwerhöriger FBI-Chef Gordon Cole, Serie und Film. In seinem Kurzfilm „What did Jack do?" von 2017 spielt er ebenfalls mit, sogar die zweite Hauptrolle. ;) Und ist die Stimme des Protagonisten ist er auch. In LUCKY mit Harry Dean Stanton ist er auch dabei.

Ja, klaro. Aber ich sehe in der schon amüsanten Fabelland-Szene auch das Potenzial für eine größere, ernsthaftere Rolle. Träum ich mir mal so zurecht 😉 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Noch was in kurz zu Creed III: Ich mochte die ersten beiden "Creed"-Filme echt gerne, wegen dem Ensemble (Hauptdarsteller Michael B. Jordan, Tesse Thompson, Stallone) und weil das ein überfälliger, ansprechend zeitgemässer Generationswechsel in einer zuletzt unerträglich faden Film-Serie war. Insofern war ich echt interessiert an dem neuen, dritten Film um Adonis Creed, obwohl mir ab Start etwas unklar war, ob und wie gut Jordan - inzwischen ein Superstar - da auch als Regisseur arbeitet.

Insgesamt klappt das recht gut: Creed auf dem Gipfel seines Erfolgs als Weltmeister im Ruhestand, der von seiner Vergangenheit, genauer: Jugendfreund Damion (Jonathan Majors), der quasi für Creed 20 Jahre ins Gefängnis gegangen ist, eingeholt wird. Damien ist ein grober, getriebener Typ, der eine Chance auf den Titel verlangt, Creed muss sich letztlich dem alten Kumpel im Ring stellen.

Das ist ganz manierlich erzählt und Majors (erneut) eine darstellerische Wucht. Aber letztlich ist "Creed III" doch zu mutlos: Statt seine Hauptfigur für den Schlendrian und die Selbstzufriedenheit zu bestrafen, poliert der Film letztlich nur einmal mehr und etwas unnötig das Bild von Creed als quasi übermenschlichem Helden und Sympathieträger auf, winner takes all. Irgendwie leider etwas arg wenig.

Bewertung: 6 von 10

P.S.: Das Fehlen von Stallone ist hier aber absolut okay.

 

Creed3.jpeg

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

TÁR (Todd Field, 2022)

Ein unfassbar reicher und informierter Film. Todd Field hat das Thema regelrecht gefressen (wahrscheinlich auch dank der Berater-Tätigkeit von John Mauceri). Einem uneingeweihten Publikum macht es der Film damit nicht gerade leicht: mit zunehmender Laufzeit funktioniert TÁR zwar immer unmittelbarer und emotionaler – als eine Art THERE WILL BE BLOOD im Konzertbetrieb – , trotzdem setzt gerade die erste Filmhälfte, mit ihrem anspielungsreichen Gewebe aus musik- und aufführungsästhetischer Reflektion, einiges an Vorkenntnissen voraus. Schön, dass Field trotzdem einen verblüffenden Humor an den Tag legt, mit dem er die Strenge seines thematischen Mikrokosmos einige Male unerwartet schön aufreißt. 

Das Großartigste an TÁR ist aber sein letzter Akt: trotz all der Kritik am Kulturbetrieb, an Machtstrukturen und Aufführungstraditionen, kommt der Film hier noch einmal ganz zum Unberührten zurück, und zeigt, dass ein Mensch, der einmal der Musik verfallen ist, nie wieder von ihr los kommt, sich ihr mit konstanter Hingabe widmet, auch wenn er selbst bereits irrelevant geworden ist, und die heiligen Hallen der Hochkultur in unerreichbarer Ferne liegen. Ein Kreisschluss zum Prolog des Films: von der Musikethnologie, die Tár völlig jenseits der korrumpierenden Strukturen des klassischen Konzertbetriebs praktiziert, zurück zur Videospiel-Musik, wo die Eitelkeit des Genies so wenig zählt wie in der kollektiven Musikkultur der Indigenen zu Beginn des Films. Vielleicht ist Lydia Tár am Ende tatsächlich wieder im Reinen mit sich selbst. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

THE FABELMANS (Steven Spielberg, 2022)

Lange nicht mehr so unterwältigt gewesen von einem Spielberg-Film. Und beinahe schockiert, wie erwartbar und abgestimmt sich alles an THE FABELMANS anfühlt. Wie ein Katalysator für eine Feuilleton-Textformel, wie man sie gerade von jedem Filmschreiberling liest, der in den 80ern mit E.T. sozialisiert wurde. Analog zur völligen Überraschungsarmut des Films verhält sich das familiäre Drama, das in seiner Betulich- und Harmlosigkeit den Ausdruck „Drama“ kaum verdient (echtes Trauma findet man in THE FABELMANS so wenig wie in kaum einem anderen Film in Spielbergs Karriere): wenn der Sohn beim Schneiden seiner Familienvideos bemerkt, dass die Mutter mit dem Freund der Familie ein paar vertraute, im weitesten Sinne verliebte Gesten austauscht, und er darüber völlig aus der Bahn geworfen wird, möchte man ihm zurufen, dass er doch mal mit Goldie Hawns Figur aus THE SUGARLAND EXPRESS tauschen soll, der eine reaktionäre Gesellschaft (und Familie) am liebsten den Kopf vom Hals schießen würde, oder mit den unzähligen Familien in WAR OF THE WORLDS oder SCHINDLER’S LIST, die monatelang in Kellern oder Bunkern vor sich hin vegetieren, bevor ihnen ein unaussprechlich grausames Ende angetan wird. Spielberg ist großartig darin, Traumata darzustellen – aber eben nur die Traumata anderer Menschen, nicht seine eigenen. Die sind schlicht zu boring.

(Die unfassbare Schlussszene möchte ich ausdrücklich ausnehmen: die Besetzung und Performance von David Lynch bringt eine abstrakte Energie in die letzten Minuten des Films, die sich mit allem Vorhergehenden beißt; man sollte diese Sequenz als eigenständigen Kurzfilm genießen.)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

IM WESTEN NICHTS NEUES (Edward Berger, 2022)

Ein Vierteljahrhundert nach SAVING PRIVATE RYAN gelingt den Deutschen auch endlich ein großer, teurer Spektakel-Kriegsfilm. Die Kamera von James Friend filmt um ihr Leben, Volker Bertelmanns brutales Hauptmotiv dröhnt wie ein stumpfer, nationalistischer Schlachtruf durch den Film. Der Schwabe Erzberger (mega/unfassbar: Daniel Brühl) auf verlorenem Posten gegen die Banalität des Gewaltrauschs. Guter Film zur richtigen Zeit. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 1 Stunde schrieb Sebastian Schwittay:

Das Großartigste an TÁR ist aber sein letzter Akt: trotz all der Kritik am Kulturbetrieb, an Machtstrukturen und Aufführungstraditionen, kommt der Film hier noch einmal ganz zum Unberührten zurück, und zeigt, dass ein Mensch, der einmal der Musik verfallen ist, nie wieder von ihr los kommt (...)

Ob der Film die Berufung und Manie seiner Hauptfigur feiert oder doch nur toxisches Verhalten in einem vermeintlich entrückten Kulturbetrieb bloßstellt, lässt sich diskutieren. Denn der tiefe Fall von Lydia Tár hat alles mit Status und Machtmissbrauch und nichts mit Musik zu tun.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 15 Stunden schrieb Souchak:

Ob der Film die Berufung und Manie seiner Hauptfigur feiert oder doch nur toxisches Verhalten in einem vermeintlich entrückten Kulturbetrieb bloßstellt, lässt sich diskutieren. Denn der tiefe Fall von Lydia Tár hat alles mit Status und Machtmissbrauch und nichts mit Musik zu tun.

Er macht alles zugleich, und bekommt das auch hin. Das ist das tolle an ihm. Andere Regisseure würden den einfachen Weg wählen, und sich auf einen Aspekt konzentrieren. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 6 Stunden schrieb Sebastian Schwittay:

Er macht alles zugleich, und bekommt das auch hin. Das ist das tolle an ihm. Andere Regisseure würden den einfachen Weg wählen, und sich auf einen Aspekt konzentrieren. 

Sehe ich völlig anders.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Die Reflektionsebenen betreffen immer auch die Musik. Nicht umsonst wettert sie gegen Goldsmith und Gebrauchsmusik, muss am Ende aber Videospielmusik dirigieren - der sie sich dann überraschenderweise auch mit der gleichen Hingabe widmet. Der Anspruch einerseits, im Umgang mit Musik etwas ganz und gar Eigenes zu versuchen, und die musikalische Realität andererseits, als Komponist ein Spielender zu sein, der mit dem gleichen Material hantiert, mit dem alle hantieren (wie es übrigens auch John Williams in Interviews immer sehr weise formuliert): diese Dichotomie wird im Film ja ständig reflektiert. Und das ist nur einer von vielen Aspekten. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 4 Stunden schrieb Sebastian Schwittay:

Die Reflektionsebenen betreffen immer auch die Musik. Nicht umsonst wettert sie gegen Goldsmith und Gebrauchsmusik, muss am Ende aber Videospielmusik dirigieren - der sie sich dann überraschenderweise auch mit der gleichen Hingabe widmet. Der Anspruch einerseits, im Umgang mit Musik etwas ganz und gar Eigenes zu versuchen, und die musikalische Realität andererseits, als Komponist ein Spielender zu sein, der mit dem gleichen Material hantiert, mit dem alle hantieren (wie es übrigens auch John Williams in Interviews immer sehr weise formuliert): diese Dichotomie wird im Film ja ständig reflektiert. Und das ist nur einer von vielen Aspekten. 

Natürlich kannst Du in den Film und die Titelfigur hineinlesen, was Du möchtest und was Dich anspricht.

Aber für mich ist das (gedeckt auch von Regisseur und Hauptdarstellerin) die Enthüllung einer hochgradig unangenehmen, toxischen Person, die in einem altmodischen Kulturbetrieb ihre Machtposition gefunden hat und die auch unerbittlich ausnutzt. Hat Lydia Tár einen Bezug und eine eigene Position zur Musik? Bestimmt, anders könnte sie auch nicht eine international gefeierte Dirigentin sein. Aber geht es darum bei "Tár"? Nein.

  • Like 1
  • Confused 1
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Warum sollte der Film dann unbedingt im Konzertbetrieb spielen? Warum ist der Film in der Sache so extrem informiert?

Klar liest jeder etwas anderes in einem Film. Ich habe bei vielen Kinoleuten allerdings das Gefühl, dass sie bewusst wenig im Thema des Films lesen, weil es schlicht nicht ihr Gebiet ist, bzw. der Hintergrund fehlt. Der Film gibt das aber her, fordert es regelrecht - die gesamte erste Stunde beschäftigt sich ja fast ausschließlich mit Fachthematik. Habe mich selbst gewundert, dass das Intrigen-, Beziehungs- und menschliche Drama so lange auf Sparflamme kocht. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 9 Stunden schrieb Sebastian Schwittay:

Warum sollte der Film dann unbedingt im Konzertbetrieb spielen?

Weil das ein hervorragendes Beispiel für einen von den vermeintlich banalen gesellschaftlichen Fragen entrückten Kulturbetrieb ist.

vor 9 Stunden schrieb Sebastian Schwittay:

Warum ist der Film in der Sache so extrem informiert?

Weil Fachkenntnis die Glaubwürdigkeit der Geschichte unterstreicht.

vor 9 Stunden schrieb Sebastian Schwittay:

Klar liest jeder etwas anderes in einem Film. Ich habe bei vielen Kinoleuten allerdings das Gefühl, dass sie bewusst wenig im Thema des Films lesen, weil es schlicht nicht ihr Gebiet ist, bzw. der Hintergrund fehlt. Der Film gibt das aber her, fordert es regelrecht - die gesamte erste Stunde beschäftigt sich ja fast ausschließlich mit Fachthematik. Habe mich selbst gewundert, dass das Intrigen-, Beziehungs- und menschliche Drama so lange auf Sparflamme kocht. 

Ich habe den Eindruck, dass Du Dich dermaßen über einen sachkundig ausgestalteten Film freust, dass Dir die eigentliche Geschichte und Aussage der Geschichte ein bisschen egal ist. Ich meine, den dargestellten Machtmissbrauch, die sexuellen Übergriffen und dem gezielten Ruinieren eines unwilligen Opfers, das damit in den Selbstmord getrieben wird, als "Intrigen-, Beziehungs- und menschliche Drama" zu bezeichnen, als wäre der Teil des Films irgendwie banale Seifenoper, lässt Empathie vermissen.

 

P.S.: Dass der Film sich Zeit lässt, seine Hauptfigur und ihr Milieu in Ruhe und zunächst durchaus bewundert zu skizzieren, gibt der folgenden Krise und dem tiefen, verdienten Fall von Lydia Tár ja die beeindruckende Wucht.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 55 Minuten schrieb Souchak:

Ich habe den Eindruck, dass Du Dich dermaßen über einen sachkundig ausgestalteten Film freust, dass Dir die eigentliche Geschichte und Aussage der Geschichte ein bisschen egal ist. Ich meine, den dargestellten Machtmissbrauch, die sexuellen Übergriffen und dem gezielten Ruinieren eines unwilligen Opfers, das damit in den Selbstmord getrieben wird, als "Intrigen-, Beziehungs- und menschliche Drama" zu bezeichnen, als wäre der Teil des Films irgendwie banale Seifenoper, lässt Empathie vermissen.

 

P.S.: Dass der Film sich Zeit lässt, seine Hauptfigur und ihr Milieu in Ruhe und zunächst durchaus bewundert zu skizzieren, gibt der folgenden Krise und dem tiefen, verdienten Fall von Lydia Tár ja die beeindruckende Wucht.

Ich mache hier doch gar nicht diesen Entweder-Oder-Diskurs auf, sondern du. ;) Ich sagte von Anfang an, dass der Film alles gleichzeitig macht, und gerade deswegen so faszinierend ist. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 43 Minuten schrieb Sebastian Schwittay:

Ich mache hier doch gar nicht diesen Entweder-Oder-Diskurs auf, sondern du. ;) Ich sagte von Anfang an, dass der Film alles gleichzeitig macht, und gerade deswegen so faszinierend ist. 

...und alles was ich sage, ist - ich finde es etwas absonderlich, dass die Tragödie in Deiner Bewertung so weit hinter der detail- und kenntnisreichen Darstellung des Klassik-Musik-Betriebs zurückweicht. Aber, klar, kannst Du absolut so sehen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 15 Stunden schrieb Souchak:

Aber für mich ist das (gedeckt auch von Regisseur und Hauptdarstellerin) die Enthüllung einer hochgradig unangenehmen, toxischen Person, die in einem altmodischen Kulturbetrieb ihre Machtposition gefunden hat und die auch unerbittlich ausnutzt. Hat Lydia Tár einen Bezug und eine eigene Position zur Musik? Bestimmt, anders könnte sie auch nicht eine international gefeierte Dirigentin sein. Aber geht es darum bei "Tár"? Nein.

Zitat

Ich meine, den dargestellten Machtmissbrauch, die sexuellen Übergriffen und dem gezielten Ruinieren eines unwilligen Opfers, das damit in den Selbstmord getrieben wird, als "Intrigen-, Beziehungs- und menschliche Drama" zu bezeichnen, als wäre der Teil des Films irgendwie banale Seifenoper, lässt Empathie vermissen.

Das nehme ich genauso wahr. In dem Film geht es eigentlich gar nicht um Musik. Musik, wie Sebastian oben sagt "in der Sache so extrem informiert" ist nur Hintergrundrauschen. Es hätte jede x-beliebige Institution sein können. Selbst die Musik Mahlers wird durchgehend nur in Fetzen angespielt. Jemand, der die 5. nicht kennt, kommt durch diesen Film nicht in Kontakt mit dieser Musik.

Ich war mit Freuden in dem Film, zufällig alles Geisteswissenschaftler, alles sehr belesene Leute. Aber zufällig außer mir niemand, der sich für Klassik interessiert. Ich habe die Anspielungen an Dutoit verstanden, oder dass mit der Figur des Eliot Kaplan ganz offensichtlich Gilbert Kaplan dargestellt wird (was ich den Filmemachern etwas Übel nehme, da der leider verstorbene "Autodidakt" und Mahler-Bewunderer in ein merkwürdiges Licht gerückt wird. Es hätte auch ohne diese Figur funktioniert). Ich habe im Kino auch zufällig Kollegen getroffen. Alle, mit denen ich hinterher gesprochen habe, haben all die musikalischen Details und Anspielungen nicht verstanden, es war ihnen aber auch nicht wichtig. Warum auch? Es geht um Macht und Toxizität.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 2 Stunden schrieb Souchak:

...und alles was ich sage, ist - ich finde es etwas absonderlich, dass die Tragödie in Deiner Bewertung so weit hinter der detail- und kenntnisreichen Darstellung des Klassik-Musik-Betriebs zurückweicht. Aber, klar, kannst Du absolut so sehen.

Tut sie ja gar nicht. Woran machst du das fest? Ich zitiere mich gern von oben: 

Am 14.3.2023 um 00:34 schrieb Sebastian Schwittay:

Er macht alles zugleich, und bekommt das auch hin. Das ist das tolle an ihm. Andere Regisseure würden den einfachen Weg wählen, und sich auf einen Aspekt konzentrieren. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Dein Kommentar

Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Nur 75 Emojis sind erlaubt.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Editor leeren

×   Du kannst Bilder nicht direkt einfügen. Lade Bilder hoch oder lade sie von einer URL.

 Teilen

×
×
  • Neu erstellen...

Wichtige Information

Wir nutzen auf unserer Webseite Cookies, um Ihnen einen optimalen Service zu bieten. Wenn Sie weiter auf unserer Seite surfen, stimmen Sie der Cookie-Verwendung und der Verarbeitung von personenbezogenen Daten über Formulare zu. Zu unserer Datenschutzerklärung: Datenschutzerklärung