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Frühe und Alte Musik


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Ich glaube, wir haben noch keinen Thread zur früher und alter Musik - also der Musik des Mittelalters (ca. 800 bis ca. 1400) und der Renaissance (ca. 1400 bis 1600), meinetwegen auch des Barock (ca. 1600 - 1750). Und da ich mich gerade ein wenig näher mit diesen epochalen Abschnitten befasse (v.a. mit den beiden ersten), habe ich gedacht, ich starte einfach mal einen Thread für Eindrücke, Meinungen, Erfahrungen und Entdeckungen. 

 

 

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Gerade letztens habe ich mir "zur Einstimmung" diesen netten Sampler vom Alte-Musik-Label Christophorus gekauft, der die Zeit von 800 bis ca. 1600 (also vom frühen gregorianischen Choral des 8./9. Jahrhunderts bishin zum Übergang zwischen Renaissance und Barock um 1600) anhand 24 ausgewählter Kompositionen vorstellt: 



Auch wenn der gregorianische Choral in seiner Einstimmigkeit oder einfachen Mehrstimmigkeit (Führung von zwei Stimmen in einfachen Quart- oder Quintabständen) auf Dauer etwas ermüdend wirkt, so eignet er sich dennoch gut zur Entspannung. Am liebsten höre ich hier die Gesänge der Zisterzienser-Mönche. 
 
http://www.youtube.com/watch?v=IZ3NLEnZfzg
 
Fast noch schöner sind die mittelalterlichen Minnelieder, etwa von Walther von der Vogelweide oder Neidhart von Reuental. Diese oft instrumental begleiteten Liebeslieder entfalten schon beinahe so etwas wie einen frühen Romantizismus. (Leider hat man beim Hören dieser Musik immer die aktuell so populären Mittelaltermärkte im Kopf, auf denen diese Musik mittlerweile wieder inflationär gebraucht wird.)
 
http://www.youtube.com/watch?v=yzXv7I-Zav8
 
Wirklich kunstvolle Kompositionen entstehen jedoch erst ab dem Spätmittelalter, der sogenannten "Notre-Dame-Epoche" und der "Ars nova", in der sich die kunstvolle Mehrstimmigkeit bei französischen Komponisten wie Pérotin und später Guillaume de Machaut entwickelt. Die Motette wird zur zentralen Gattung der Vokalpolyphonie. 
 
http://www.youtube.com/watch?v=0yi2MMtIimY
 
Die künstlerische Vollendung der Mehrstimmigkeit findert schließlich in der Zeit der Renaissance statt - in Italien im Kreise von Giovanni Pierlugi da Palestrina, in England bei John Dunstable und im deutschsprachigen Raum bei Orlando di Lasso und Ludwig Senfl. Gerade das umfangreiche Werk Orlando di Lassos mit den vielen Motetten, Messvertonungen, Marienantiphonen, etc. lädt zum ausgiebigen Erkunden ein und hält wunderbare Musik bereit. 
 
http://www.youtube.com/watch?v=2fINR0Ly_qg
 
 
Ein schöner Einstieg in das Werk Orlando di Lassos wäre z.B. diese CD hier: 
 

 
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Eine weitere CD, die ich mir zugelegt habe, ist diese hier: 
 

 
Hier bin ich noch am Hören. Eindrücke folgen. :)
 
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Würde mich freuen, wenn ich auch bei euch Interesse wecken konnte. :)
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Ein sehr schöner Thread, Sebastian. In der Tat für mich auch sehr interessant. Im Zuge einiger Essays und einer persönlichen Übersicht der Musikhistorie werde ich demnächst diese Zeit weiter vertiefen, bin aber bisher noch recht oberflächlich dran.

 

Ich möchte in diesem Zuge Oswald von Wolkenstein einbringen, den ich selbst erst vor kurzem kennengelernt habe, der zu seiner Zeit allerdings nur bedingt musikalisch wertgeschätzt wurde, was daran lag, dass er sich von klassischen Mustern entfernt hat. Er ist Sänger, Dichter und Komponist gewesen, damit war er auch politisch aktiv. Sein Schaffen liegt zwischen Mittelalter und Renaissance, wobei er musikalisch im Grunde mehr dem Minnegesang angehört, lyrisch aber neue Wege gegangen ist, die heute als selbstverständlich gelten. Beispielsweise hat er auch autobiographische Musik geschrieben. Ebenso hat er sich Vorbilder der von Sebastian erwähnten Richtung "Ars Nova" angenommen und diese weiterentwickelt. Beinahe ein ziemlich moderner Musiker. In Ermangelung besseren Wissens und sprachlicher Raffinesse dazu auch die Übersicht von Wikipedia:

 

 

  • die Neuartigkeit seiner autobiographischen Lyrik,
  • die Suggestivkraft seiner neuen Sprache sinnlicher Wahrnehmung in weltläufiger Sprachmischung voller Bilder mit lebensnahem Lokalkolorit und impressionistischen Klangmalereien,
  • die facettenreichen Pointen seines Humors, seiner ironischen Desillusionseffekte, Bildmontagen und Selbstpersiflagen,
  • der eigenmächtig freie, fast postmodern wirkende Umgang mit den Formen und Motiven des klassischen Minnesangs,
  • die ungeheuren inneren Dissonanzen seines Werks, das unvermittelte Nebeneinander von reuelos genießerischer Sinnenfreude und reuevoll verzweifelter Jenseitsfurcht, der jähe Wechsel von unstillbarem Welterkundungsdrang zu resignierter Weltverneinung,
  • die kongeniale Kompositionskunst seiner einstimmigen Melodien und seiner mehrstimmigen Sätze, worin Oswald erstmals in großem Umfang Vorbilder der französischen und italienischen Ars Nova neu gestaltet.

 

Höreindrücke:

 

http://www.youtube.com/watch?v=wgpwXnuzlvY

http://www.youtube.com/watch?v=OL-_R3VYSuQ

http://www.youtube.com/watch?v=7OMj5TLu-7M

 

Empfehlen möchte ich auch das Scheibchen Oswald von Wolkenstein: Reflektionen. Hier intepretieren ein Lautenist und Bass-Sänger, eine Sporanistin und ein Saxophonist (!sic) Stücke klassisch und doch mit einigen frischen Ideen. Als Höreindruck wirklich klasse. Die Mischung aus mittelalterlichem Gesang mit Saxophon Einschlägen sucht in dieser Art seinesgleichen. Als direkte Rekonstruktion der Werke von Wolkensteins natürlich nur bedingt geeignet.

 

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Mal ab von jedem Klischee, zuweilen macht es schon Bock bei großer Kälte nen Glühwein zu trinken und der Musik zu lauschen.  :) Gerade bei dem sehr frühen musikalischen Vokalarbeiten, die Sebastian vorgestellt hat, darf und muss man sich in Erinnerung rufen, dass die Stimme als das einzige und vollständigste Instrument galt. Zumindest vorwiegend im theologischen Bereich, da die Stimme als Instrument Gottes galt, der schließlich den Menschen erschaffen hat. Interessant finde ich auch, wie wir hier (und natürlich auch schon früher) Wurzeln der heutigen Musiktheorie und Notationen finden.  :)

 

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Habe vor Jahren mal meiner Faszination für Josquins MISSA PANGE LINGUA in einem noch immer ganz gut lesbaren, wenn auch analytisch etwas wackligem FmW-Text Ausdruck verliehen:

http://www.filmmusikwelt.de/index.php?D=77a48e9c3701cf3b2841026dd2c31ca7&V=file&file=0

Zumindest für den Bereich der Renaissance-Messvertonung wäre das auch nach wie vor meine unbedingte Empfehlung zum Einstieg.

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Ein wirklicher sehr schöner Thread! Danke für eine weitere Bereicherung des Forums! Nun werden viele erkennen können, dass "mittlelaterliche" (Film)musik meistens doch eher "Rennaissance" ist denn "echtes" Mittelalter ;) Es gibt aber in beiden Epochen unendlich viel schönes zu entdecken. Manche Stücke bereiten mir einen schön wohligen Schauer, andere sind mit ihrer satztechnischen Herbheit ein wahrer Genuss. So oder so lohnt es sich, auch in die alten und ganz alten Gefilde vorzudringen. Hat wer unserer Félarof schonmal Bescheid gesagt, dass es diesen Thread gibt?

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  • 3 Wochen später...

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