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Tadlow/Prometheus: QB VII - Jerry Goldsmith (Neueinspielung)


Trekfan
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Von meiner Seite aus "Daumen hoch": die zwar wie immer bei Tadlow etwas mit übersteuertem Clipping ringende Einspielung ist spieltechnisch auf höchstem Niveau und präsentiert Goldsmiths very own Schindler's List endlich in einer würdigen Fassung, die gerade in den wuchtigen Passagen nicht unter der aufnahmetechnisch bedingten Unscheinbarkeit der alten ABC LP leidet. 

 

Der weite Fokus der Mini-Serie befasst sich mit der Dekaden überspannenden Geschichte des polnischen Arztes Adam Kelno, der beschuldigt wird als KZ-Arzt grausame Experimente an Hunderten jüdischer Häftlinge durchgeführt zu haben. Der kraftzehrende Prozess, den ein jüdischer Autor gegen ihn führt, beraubt ihn Stück um Stück seiner mühevoll aufgebauten Fassade eines noblen Mediziners, der nur unter lebensbedrohendem Zwang gehandelt hat als kalten Mitläufer, der wie so viele nach dem Zweiten Weltkrieg in einer Festung aus Selbstbetrug lebt und nur durch massiven juristischen Druck zur Wahrheit gezwungen wird. Die Serie ist zwar offensichtlich aufwändig an vielen Schauplätzen inszeniert worden (England, Polen, Israel, Saudi-Arabien), hängt aber ästhetisch am Tropf 70er-Jahre-TV-Standard-Ware und wird hauptsächlich durch die zum Teil hervorragenden Schauspielerleistungen getragen (damals noch nicht im Wachkoma: Anthony Hopkins).

 

Goldsmith hat wie so oft eine Musik geschrieben, die in Intensität und Umfang gar nicht nötig gewesen wäre. Zu Hochform läuft er insbesondere in den Passagen auf, die direkt oder indirekt mit dem jüdischen Schicksal verbunden sind. Besonders die Erinnerungen an das KZ und die damit verbundenen Qualen baut Goldsmith zu abstrakten und doch emotional nachvollziehbaren Lamentos aus, die stark vom jüdischen Musikerbe geprägt sind (The Holocaust, Jadwiga Relieved, Kaddish). Auch in den folkloristischen Momenten beweist er seine starke Verbundenheit mit typischer Klezmermusik und diese Passagen waren bisher auch die bekanntesten aus dem Werk. Die Neueinspielung baut demgegenüber insbesondere den psychologisch interessantesten Teil der Musik aus, der sich mit Kelno und der Konfrontation mit seiner Vergangenheit befasst. Goldsmith wählte für Hopkins ein vage slawisch angehauchtes Thema, da aus mollschwadigen Halbtonschritten eher seufzenden Charakter besitzt und Kelnos damit ein gleichwertig "menschliches" Thema geprägt von Melancholie zuordnet, dass zwar im Laufe der Handlung immer mehr von Düsterkeit umschleiert wird, aber dennoch den Menschen in den Vordergrund stellt. Besonders die erste Hälfte addiert hier starke Momente (Escape, Poland), die dem Umgang der Geschichte den nötigen Raum geben und auf der alten Platte völlig fehlen. Auch das Thema für Cady, das sich klar an EXODUS orientiert, erhält hier weitere Facetten, wie die schmuck-glitzernde Variation in HOLLYWOOD. Die diversen Liebesdramen innerhalb der Geschichte waren wohl damals obligatorisch und sind auch musikalisch nicht "schlecht", zählen aber zu den eher vernachlässigenswerten Aspekten. Ein hübscher ethnischer Spritzer untermalt Kelnos selbstgewähltes Exil als selbstloser Entwicklungshelfer in den Wüsten Arabiens - die MUMIE lässt hier stark grüßen. Cadys Reise nach Israel stellt den Wendepunkt der Geschichte dar - hier findet der bis dahin ziellose Jude zurück zum Glauben und fasst den Entschluss, den Fall Kelno mit aller Härte wieder aufzurollen. Hier verbindet Goldsmith die jüdische Folklore mit einem dramatisch-breiten jüdischen Thema und abstraktem Sprechgesang, um Cadys wachsende Scham über seine eigene Ignoranz und sein erwachendes Bewusstsein musikalisch zu verdeutlichen. Daraus resultiert dann auch die krönende Apotheose, das feierliche musikalische Gedenkgebet "Kaddish for the Six Million", das den Score beschließt. Alles in allem ein Top-Goldsmith, der zwar hier und da unter einer TV-bedingten Fragmentarisierung leidet, die aber von James Fitzpatrick geschickt wegarrangiert wurde - die meisten kurzen Stücken wurden zu mehr oder weniger überzeugenden längeren Tracks komprimiert, Goldsmith meisterhaftes Handwerk ist so oder so natürlich nicht zu verleugnen.

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lustig eigentlich, wie kommts, dass Goldsmith doch auf Sachen zurückgreift in MUMIE auf einen Score der so 24 Jahre alt war. Oder inspirierten ihn so Wüstenbilder einfach zu denselben Klängen? Ich kann mir ja nicht vorstellen, dass er sich dachte "Hm, ich hab doch schon mal so Wüstenzeug gescored. Ich hör da mal rein was das damals war und übernehms, falls es mir gefällt"... soll jetzt keine Kritik sein oder so, sondern find ich schlicht interessant von seiner Arbeitsweise eigentlich...

 

wahrscheinlich hatte er schon immer so nen Stapel von "Wüstenbilder = die und die Melodien, Instrumente" etc...

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Und es wundert mich immer wieder, daß solch ein Projekt (die Aufnahmesessions scheinen ja wohl schon im September 2012 gestartet zu haben)

nicht irgendwo durchsickert...

 

Wo ich gerade das Booklet noch einmal lese. Das "Nicht-Durchsickern" wundert mich besonders, da Petr Kocanda die Booklet-Fotos der Sessions gemacht macht. Petr ist als "Lokutus" im FSM- und Intrada-Board aktiv und dort manchmal so "fanatisch", dass ich ihm oft einen Tritt in den... Naja, das liegt vielleicht auch an einer schlechten Erfahrung mit ihm als Käufer in einer lang zurück liegenden Ebay-Auktion von mir zusammen. Und hätte Petr, der aus Prag stammt, etwas geschrieben, wären im wohl zukünftig die Türen des Studios versperrt gewesen.

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  • 1 Jahr später...

Bei der Veröffentlichung habe ich QB VII nicht bestellt, danach habe ich ganz vergessen, dass dieser wunderbarer Goldsmith-Score von Tadlow neu eingespielt und veröffentlicht worden ist bis ich sie mir jetzt vor kurzem wieder über den Weg gelaufen ist und ich sie bleich bei einer 10 % Aktion bei Grooves um € 19,80 (inkl. Versand) bestellt habe. :)

 

Tadlow hat sich wirklich mühe gemacht den Score so nah wie möglich am Original einspielen zu lassen, das ist ihnen zwar nicht immer gelungen aber sie haben trotzdem eine gute Arbeit geleistet und der Sound dieser Einspielung ist wirklich gut gelungen! 

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