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Philippe Sarde


Angus Gunn
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Habe mal einen Sprung ins aktuelle Jahrtausend gemacht: QUAI D'ORSAY... Uff... Also, mir ist bekannt, dass es sich bei der Rededes damaligen französischen Außenministervo der UN mit den berühmten Worten "Et c'est un vieux pays, la France, d'un vieux continent comme le mien, l'Europe" beginnt, französisches Kulturgut ist und zu den drei großen französischenReden gehört, die alle in der Schule einmal durchgenommen haben. Insofern mag ich es als Deutscher auch noch schwieriger finden, einen zwei Stunden langen Film um das Entstehen einer drei Minuten langen Rede zu stricken. Letzten Endes habe ich nicht nachvollziehen können,  an wen sich dieser Film richtet. Wirklich "die Franzosen"? Schauen die sich echt gerne zwei Stunden lang Anzugträger in opulenten Räumen an, die ein bisschen debattieren? Dafür ist leider keine Figur stark genug gezeichnet (der Sonderberater für Amerika, der eigentlich total antiamerikanisch ist, die Sonderberaterin für Afrika, die halbherzig als Femme fatale eingeführt wird), verschiedene Handlungsstränge verschwinden wieder oder kommen gar nicht erst zum Tragen, sodass man dem Film schnell nur noch gelangweilt und desinteressiert folgt - wenn überhaupt. Es ist überhaupt nicht klar, ob das jetzt eine Komödie sein will oder doch eher eine nationalistische Bauchpinselung mit humoristischem Einschlag. Besonders interessant, dass selbst der Höhepunkt, die Rede, dann am Ende einfach komplett verpufft.

Philippes Sardes Musik ist vielleicht das einzig ansprechende an dem Film. Auch hier folgt er einem Konzept, das er in früheren Arbeiten anwendet, indem seine Musik hauptsächlich bei Montagen oder dialogfreien Momenten zu hören ist. Es sind vergnügte kleine Miniaturen, durchsichtig instrumentiert, häufig temporeich und mit Witz. Schöne Musik, den Film dazu brauche ich aber wirklich nicht.

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  • 2 Wochen später...

Heute mal wieder mit Sarde weitergemacht: DEUX HOMMES DANS LA VILLE. Den Film hatte ich eigentlich schon für Sonntag angesetzt - noch Tage bevor ich die Nachricht vom Tod Alain Delons erhalten habe. Mich hat der Film über einen entlassenen Ex-Sträfling, der in einer anderen Stadt neu anfangen will, sehr gefesselt. Nach einem ersten schweren Schicksalsschlag schafft es Bankräuber Gino, sich ein neues Leben aufzubauen, aber schon bald treiben ihn seine ehemaligen Komplizen, die wieder Kontakt zu ihm suchen, und der ehrgeizige Komissar, der Gino einst hinter Gitter brachte, ihn die Enge. Der Film ist ein ergreifendes Plädoyer gegen die Todesstrafe. Sarde sah seine Aufgabe darin, beim Publikum Sympathie für den ehemaligen Verbrecher zu wecken, und vermeidet daher weitgehest, Spannung oder Action in irgendeiner Form zu unterstreichen, sondern zielt mit seiner elegischen Musik, in der vor allem die Streicher prominent eingesetzt sind, auf das Gefühlsleben der Figuren ab.

Was mir bislang auffällt, ist, dass Sardes starke Musiken oft formal sehr geschlossen sind (Sami kritisierte das ja mal als "formstreng") und häufig sehr lyrische und cantabile (=gesangliche) Themen aufweisen. Dadurch haben seine Stücke für mich häufig den Anklang von sehr delikaten, instrumentalen Balladen. Sie erinnern mich viel mehr an elaborierte Popmusik aus dieser Zeit denn an die spätromantische Schule, aus der ja die europäische und amerikanische Filmmusik maßgeblich bis in die 50er- und 60er-Jahre schöpfte.

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Die spätromantische Schule aus dem Golden Age hatte doch aber schon Mitte der 60er mehr oder weniger ausgedient gehabt. Nicht nur in den USA war das der Fall, sondern genauso in Europa. Deshalb haben ja auch Komponisten wie Morricone  in Italien oder Legrand und Delerue in Frankreich in den 60ern ganz neue Vertonungskonzepte in der Filmmusik eingeführt. Das ist nicht erst mit Sarde erfolgt. Deshalb wundert es mich etwas, warum Du für diese französischen Filme der frühen 70er eventuell gar einen Rückbezug auf die traditionelle Sinfonik erwartest. Das sind schon ganz andere Klänge, die da zu hören sind, und meist haben die frühen Sarde-Musiken ja auch nur eine Spielzeit von rund 20-25 Minuten. Die umfangreicheren, epischer angelegten Kompositionen wie TESS oder FORT SAGANNE kamen dagegen erst einige Jahre später.
Der Musikeinsatz ist wohl überlegt, keine "wall to wall"-Musik mehr, die verdoppelt, was eh schon zu sehen ist, stattdessen bevorzugt Sarde oft Distanz und Reflektion, will das mit seiner Musik ausdrücken, was der Film allein über die Bilder nicht zu leisten vermag. Eine zusätzliche Ebene sozusagen, die nochmals neue Akzente setzt.
An Popmusik erinnern mich eher die Francis Lai-Musiken der Zeit, während das für mich bei Sarde eher weniger der Fall ist. Ich glaube auch nicht, daß man ihn so leicht einordnen kann - dafür sind all die Musiken aus den 70ern zu vielseitig und nehmen Einflüsse aus ganz diversen musikalischen Genres mit auf, um daraus was Neues zu gestalten. Die elegischen Themen sind ihm natürlich schon immer sehr eigen und man kann ihn daran auch so gut wie  immer erkennen. Ebenso sind musikalische Transparenz sowie solistisch eingesetzte Instrumente - und das in manchmal recht ungewöhnlicher Art -  typische Merkmale seines ganz individuellen Stils.

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Wo habe ich denn geschrieben, dass ich spätromantische Symphonik bei Sarde erwarte, wobei ich auch nicht zustimmen würde, dass bis in die 60er hinein musikalisch immer nur die Filmhandlung gedoppelt wurde, aber ich denke, ich verstehe was Du meinst. "Wall to wall" war ja auch im Golden Age eher die Ausnahme, VOM WINDE VERWEHT ist ja auch "nur" zu ca. 65% mit Musik unterlegt.

Ich meinte nur, dass bisher bei Sarde die Themen oft sehr melodiös, chansonesk - wenn man so will - sind. Die Stücke sind häufig kurz und formal in sich sehr geschlossen - eben mehr wie ein Lied mit Einleitung-Strophe-Refrain-Strophe-Refrain und eben nicht so frei fließend wie viele Stücke aus der Golden-Age-Sinfonik. Natürlich fehlt da der durchgehende (dezente) Schlagzeugrhythmus und der E-Bass, um das Ganze wirklich "poppig" klingen zu lassen, aber sollte ich demnächst mal die begleitenden Cembalo-Figuren, E-Bass und Drumset bei so einem Sarde-Thema hören (wie in Morricones MADDALENA oder Goldsmith's LAST RUN, dann würde mich das nicht überraschen oder käme es mir auch nicht "unpassend" vor.

Das meinte ich nur, wwaum ich bei Sardes Musik bisher (!) oftmals (!) von der Struktur und von einem abstrakten Blickwinkel aus mehr Überschneidungen mit den Poptrends der damaligen Zeit sehe als mit der traditionellen "herkömmlichen" Filmvertonung. War auch nicht wertend, sondern beschreibend gemeint.

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Ok, alles klar. Das war daher wohl ein leichtes Mißverständnis, da mir der Vergleich mit Golden Age-Sinfonik in dem Zusammenhang oben zuerst nicht so ganz einleuchtete. Selbstverständlich war klassische Filmmusik-Sinfonik wie sie vor allem in den USA in den 40ern und 50ern gepflegt wurde nicht immer "wall to wall" und auch bei weitem nicht immer nur illustrierend, aber der Trend, die Handlung einigermaßen großbögig nachzuzeichnen und jeden emotionalen Höhepunkt auszukosten, war natürlich schon vorhanden.
Und meiner Meinung nach bestritt Sarde da eben von Anfang an einen ganz anderen Weg, der sich wenig um tradierte Konventionen scherte, sondern oft andere Möglichkeiten der musikalischen Intervention auslotete. Durchaus mit ungewöhnlicher Vermischung verschiedener Stilebenen, was er ja immer wieder gern gemacht hat und was ihm oft auch erstaunlich gut gelungen ist.
Das Chanson oder die Ballade hat ja in der französischen Filmmusik immer schon eine gewichtige Rolle gespielt - gewichtiger als in anderen Ländern. Da befindet sich Sarde von daher schon in ganz guter Gesellschaft. Hochinteressant gerade in dem Zusammenhang etwa die wunderbaren melancholischen Balladen, getextet und gesungen von Jean-Roger Caussimon, die er für Bertrand Taverniers im 19. Jahrhundert spielenden LE JUGE ET L´ASSASSIN (DER RICHTER UND DER MÖRDER) an 1976 geschrieben hat und die die Handlung auf ganz eigene Art kommentieren und unterhöhlen. Unbedingt hörenswert wie im übrigen die komplette, in den instrumetnalen Partien sehr scharfzüngige Musik, und schaue Dir auf alle Fälle auch mal den wirklich sehenswerten und äußerst spannenden Film an. Ganz klar einer von Taverniers besten und beeidnruckendsten.
Klar, Popmusik konnte Sarde auch, wenn es der Film damals benötigt hat. Einfach mal in ein paar Tracks der Musik zur 1973er-Georges Lautner-Komödie LA VALISE reinhören - dann findest Du, was Du suchst.

 

 

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vor 13 Stunden schrieb Stefan Schlegel:


Das Chanson oder die Ballade hat ja in der französischen Filmmusik immer schon eine gewichtige Rolle gespielt - gewichtiger als in anderen Ländern. Da befindet sich Sarde von daher schon in ganz guter Gesellschaft. Hochinteressant gerade in dem Zusammenhang etwa die wunderbaren melancholischen Balladen, getextet und gesungen von Jean-Roger Caussimon, die er für Bertrand Taverniers im 19. Jahrhundert spielenden LE JUGE ET L´ASSASSIN (DER RICHTER UND DER MÖRDER) an 1976 geschrieben hat und die die Handlung auf ganz eigene Art kommentieren und unterhöhlen. Unbedingt hörenswert wie im übrigen die komplette, in den instrumetnalen Partien sehr scharfzüngige Musik, und schaue Dir auf alle Fälle auch mal den wirklich sehenswerten und äußerst spannenden Film an. Ganz klar einer von Taverniers besten und beeidnruckendsten.
Klar, Popmusik konnte Sarde auch, wenn es der Film damals benötigt hat. Einfach mal in ein paar Tracks der Musik zur 1973er-Georges Lautner-Komödie LA VALISE reinhören - dann findest Du, was Du suchst.

 

 

Vor einigen Jahren erwähnte ich das Kammerspiel DER RICHTER UND DER MÖRDER. Ich kopiere den Beitrag von damals noch einmal als Ergänzung dazu.

"Für Bertrand Tavernier hat Sarde sehr schöne Musik komponiert. l 627 macht deutliche Anleihen bei Philip Glass Glassworks. Auch die Chorpassagen aus La Fille de d´Artagnan sind hörenswert. Keine typische klassische Chormusik, sondern eher in Richtung populärer Musik angelegt.

Ein toller Film, der schon fast in Richtung Kammerspiel geht, ist: Le Juge et l`Assassin (Der Richter und der Mörder). Hier gibt es den Score von Sarde und hinzu kommen die Chansons von Jean-Roger Caussimon. Die Chansons werden im Film wie eine Art Moritat-Gesang verwendet. Besonders der Track Complainte de Bouvier l´eventreur erinnert stark an Moritat. Auf dem Marktplatz erklingt der Gesang und im Text werden die Schreckenstaten von Bouvier vorgetragen. Die Musik erklingt bis in das Gefängnis, wo Bouvier faziniert und erschreckt zugleich der Musik lauscht. Nicht die Taten erschrecken dem Massenmörder, sondern das von ihm wie von einen bereits Verstorbenen gesungen wird. Er erkennt weder die Tragweite seiner Taten, noch den Sinn seiner Inhaftierung. Das Urteil über den Massenmörder ist schon längst gefällt. Die Musik von Sarde ist wie immer, sehr akzentuiert und kommt vor allem nur in wichtigen Momenten zur Geltung. Gerade wegen der Musik wird das Kammerspiel  erweitert und macht daraus einen sehenswerten Film."

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Die Filme von Tavernier sind allerdings qualitativ auch sehr unterschiedlich. Ich habe da früher auch schon enttäuschende Pleiten erlebt wie z.B. DIE PASSION DER BEATRICE von 1987, der total mißlungen und furchtbar war. Auch D´ARTAGNANS TOCHTER von 1994, für den Sarde ja auch eine starke Musik komponierte, war als Mantel und Degen-Film einfach nur schwach und langweilig. Für so was hat Tavernier kein Händchen, den Film hätte ja ursprünglich eh der Italiener Riccardo Freda inszenieren sollen, was besser gewesen wäre.
Wenn es hingegen um sozialkritische Stoffe geht mit kriminalistischem Anstrich, dann sieht es schon anders aus, denn das ist weitaus eher sein Metier. Zu seinen besten Werken unter denen, die ich kenne, würde ich etwa DER UHRMACHER VON ST. PAUL, DER RICHTER UND DER MÖRDER und auch DER SAUSTALL zählen. Zudem ist EIN SONNTAG AUF DEM LANDE natürlich ein außergewöhnlich schöner und delikater Film, der sich wirklich lohnt. Tavernier mal ganz anders wie sonst und hier eher auf den Spuren von Jean Renoir.

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D'ARTAGNANS TOCHTER, den ich vor Jahren mal gesehen habe(meine erste Sarde-CD dank einer Empfehlung von @sami hier), und DIE PASSION DER BEATRICE sind bezeichnenderweise auch nicht in der Box. Ich habe gestern mal mit DER UHRMACHER VON ST. PAUL weitergemacht. Ein schöner ruhiger und kleiner Film über - Überraschung! - einen (alleinerziehenden) Uhrmacher, der im Stadtteil St. Paul von Lyon ein friedliches Dasein verbringt. Eines Tages taucht die Kriminalpolizei bei ihm auf und offenbart ihm, dass sein Sohn mit dessen Freundin den Leiter des Werkschutzes der Fabrik, in der sie gearbeitet hat, umgebracht haben soll. Der Film fokussiert sich auf die verzweifelte Suche des Uhrmachers Decombes nach dem Motiv des Sohnes und die allmählich reifende Erkenntnis, dass sich die beiden offenbar doch nicht so nahe standen, wie er immer dachte. So hat er noch nie die Freundin seines Sohne getroffen, mit der dieser aber dem ehemaligen Kindermädchen schon zwei Besuche abgestattet hatte. Um der Wahrheit näher zu kommen, unterstützt er Inspektor Guilbout bei dessen Untersuchung. Guilbout stellt mit seiner ruhigen und sympathischen Art das Gegenteil des fiesen Komissars in DEUX HOMMES ANDS LA VILLE dar. Insgesamt will sich der Film einen politischen Anstrich geben, indem oftmals über die bevorstehenden Wahlen, die Vereinnahmung des Verbrechens von politischer Seite, Protesten von Sexarbeiterinnen, inkompetente Polizisten, Arbeiterstreiks etc. geredet und diskutiert wird, aber über Plattitüden kommt das Ganze meiner Meinung nach nicht heraus. Es war wahrscheinlich auch ein anderes Erlebnis, diesen Film 1974 in Frankreich zu sehen als 2024 in Deutschland. Darüber hinaus muss man als Zuschauer viel Bereitschaft mitbringen, die Verzweiflung und Hilflosigkeit des Vaters durch eigene Anteilnahme nachzuvollziehen, denn das zurückhaltende Spiel von Philippe Noiret und die unaufgeregte Regie bringen einem die Situation des Vaters nicht unmittelbar nahe.

Die Musik von Philippe Sarde besteht aus sieben kurzen Stücken, die für mich im Film über kein verbindendes Element verfügen. Die Vorspannmusik lehnt sich mit dezentem Schlagzeugrhythmus und Saxophonklängen tatsächlich an die zeitgenössische Popmusik an, die spitzen Streicherifugren bei der Ankunft von zwei bezahlten Schlägertypen erinnert ein bisschen an die Gefängnisaufstandmusik aus DEUX HOMMES DANS LA VILLE und auch die anderen kurzen Passagen wirken wie für sich alleinstehende Miniaturen. Vielleicht weiß Stefan ja, ob es sich hier um wiederverwendete Stücke handelt und ob diese auf der kurzen CAM-Scheibe in Gänze zu hören sind. Auf CD sind nur zwei Auszüge dieser ersten Veröffentlichung auf einem Tavernier/Sarde-Sampler Universal France greifbar.

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Die CAM-Scheibe von HORLOGER DE SAINT-PAUL an 1974 war keine LP, sondern nur eine Single mit gerade mal drei Tracks. Zwei davon sind auf dem Sarde/Tavernier-Sampler ja oben, das dritte ist nur ein "Ragtime"-Stück, das im Film reine Source Music war und in einer Szene aus dem Autoradio erklang. Der Film hat kaum viel Platz für Musik geboten, da er ja sehr viele intime Dialogszenen enthält - deshalb ist natürlich auch nur so wenig Musik drin.
Man sollte allerdings wissen, daß Sarde sich bei dem Thema, das gleich im Main Title, dabei untermalt von den treibenden Drums, erklingt, von der Glockenspiel-Melodie der Saint-Paul-Kathedrale in Lyon - wo der Film ja spielt - hat inspirieren lassen und sie leicht abgewandelt hat. Gegen Ende des Films ist dieses Glockenspiel in der Kirche sogar mal zu hören und zu sehen. Ein paar weitere kurze Tracks nehmen ja immer wieder dieses Thema auf- von daher verstehe ich die Frage nicht, ob es sich dabei eventuell gar um recycelte Stücke handele. Selbstverständlich nein, denn die sind natürlich schon speziell für den Uhrmacher-Film komponiert worden. Und dann das zweite sehr schöne, barock angelegte Adagio-Thema eben für den Schluß des Films. All das ergibt meiner Meinung nach doch Sinn.

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Vielen Dank für die Erläuterung! Also führen die beiden Stücke von der CAM-Scheibe die kurzen Passagen zusammen oder fehlt da noch etwas? Das mit dem Glockenspiel ist eine schöne Anmerkung, das habe ich so beim Filmschauen nicht rausgehört und die Universal-CD habe ich nicht. Nur weil die Musik zur Ankunft der beiden Typen, die die Scheibe einwerfen, so aus dem Rahmen fiel und ich auch das Adagio-Thema für den Schluss ästhetisch nicht mit der Vorspannmusik zusammengebracht habe, habe ich mich gefragt, ob es sich um Originalmusik handelt. Daher nochmal vielen Dank für die Asuführung!

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Ach so, Du hast die Universal-CD gar nicht. Es ist ganz  einfach: Der komplette Main Title (also Générique") und das Finale (mit dem Titel "La visite") waren auf der CAM-Single und sind auch auf der Universal-CD zu finden. Die paar kürzeren Stücke mit nicht mal einer Minute aus dem Film dagegen nicht.
Ich habe gerade nochmals nachgeschaut und finde nicht, daß die Musik für die Szene mit den zwei Typen so ganz aus dem Rahmen fällt. Das ist hier nur ein wenig bizarrer instrumentiert, aber wenn Du genau hinhörst, so taucht auch hier wieder in leicht veränderter Form dasselbe Glockenspiel-Thema vom Anfang auf.

Es war übrigens Taverniers Wunsch, daß Sarde diese Glockenspiel-Melodie der Kathedrale in irgendeiner Art in seine Musik einfließen lassen sollte:
"i made hm listen to the chimes of a clock, the clock in Saint-Jean cathedral, a kind of little Dies Irae: "Could you transpose that in a syncopated way?" And that´s what he did, both for the opening title - a car ablaze in the night - and for the attack on Noiret´s shop. I´ve always pushed him to do these very rhythmical compositions, with collisions, breaks and off-beat rhythms. It´s a kind of research that´s developed over the years."

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Was ich noch zum UHRMACHER VON ST. PAUL schreiben wollte: Es ist auffällig, wie häufig hier Film erwähnt und gleich zu Beginn indirekt gegen das Fernsehen ausgespielt wird, wenn der Protagonist witzelt, dass die Vollstreckung der Todesstrafe zusammen mit der Hitparade im Fernsehen übertragen werden solle, weil das Fernsehpublikum ja nur sensationsgeil sei und unterhalten werden wolle. Der Sohn hat anscheinend dezidiert Notizen über Filme sowie Diskussionen über Filme aufgezeichnet und der Assistent fragt den Inspektor, ob er DAS GROSSE FRESSEN kenne.

...den habe ich übrigens heute Abend gesehen und ich muss gestehen, wirklich beeindruckt hat mich Ferreris Fress- und Sexorgie nicht. Auch hier fehlt mir natürlich die mittlerweile 50 Jahre zurückliegende zeitgenössische Sehgewohnheit. Es mag sein, dass die lauten Pupsgeräusche während Sexsszenen und die frivole Zurschaustellung weiblicher Körper in Kombination mit dekadenter Völlerei damals die Leute schockiert haben mag, heute wirkt das ganze zeitweise gar pubertär, insgesamt wahnsinnig flach und langweilig.Bei der "Toilettenexplosion" hatte ich kurz das Gefühl, eben jene Eskalation zu sehen, die der Film die ganze Zeit anstrebt, aber kaum erreicht. Schön sind diverse Störmomente, zum Beispiel wenn die sich eine Sexarbeiterin im Hintergrund plötzlich übergibt oder Philippe plötzlich der Teller wegrutscht, während Michel Klavier spielt. Aber insgesamt hat mich der Film weder packen, noch schockieren, noch aufrütteln, noch irgendwie erreichen können. Immerhin habe ich jetzt mal diese Bildungslücke geschlossen.

Der Film verfügt über keine externe Musik, Philippe Sarde hat auf alle Fälle eine melancholische Swingnummer geschrieben, die als Grammophonplatte erklingt und von mehreren Figuren gesummst und auf dem Klavier gespielt wird. Wie so oft bei Sarde verfügt auch diesekurze Komposition über eine einprägsame Melodie.

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DAS GROSSE FRESSEN hatte ich mir nie angetan. Als der Film herauskam, war ich viel zu jung, um ihn zu sehen, und später hat er mich auch irgendwie nie groß gereizt. Das Hauptthema für die Quartett-Besetzung Saxophon, Klavier, Okarina, Schlagzeug ist eigentlich keine Swingnummer, sondern eine Rumba, die auch außerhalb des Films dann ein Eigenleben gewann und in Frankreich recht populär wurde.
Sarde selbst hat sich zur Entstehung der Komposition recht witzig so geäußert:
"My piano was jammed up against the sofa they were sprawling on while they worked on it. I´d found an idea for a very simple tune that had a rumba rhythm. Ferreri asked me to play it over and over again until I dropped. Finally, I´d had enough: "I´m going to tape myself doing this so you can play it in a loop!" "No way", said Marco, "you put different nuances in each time you play it, and they give us ideas. Keep going!" So, while they were squeezing out LA GRANDE BOUFFE, I was the exclusive accompanist for Messrs. Ferreri and Azcona [= Drehbuchautor Rafael Azcona]; their slave on the piano!" (Laughter) The repetition of that little rumba was an effect that made it into a theme of doom; it announced the coming death of four men rushing headlong into suicide."

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Stimmt, es ist eine Rumba! Ich finde, Du hast nichts verpasst, wenn Du DAS GROSSE FRESSEN bisher nicht geschaut hast. Weißt Du denn noch, wie der damals aufgenommen wurde? Es sind ja immerhin renommierte Darsteller, die sich dafür hergegeben haben. Schön, dass Du auch hier noch das passende Sarde-Zitat aus dem Hut zaubern konntest. Es wäre super, wenn Du noch die Quelle angeben könntest, falls man die kompletten Interviews/Quellentexte mal lesen wollte :)

Heute habe ich meinen ersten Film von Robert Bresson gesehen: LANCELOT DU LAC. Ich muss zugeben, dass es sich hierbei um ein ziemlich freudloses Filmerlebnis handelte. Bresson bemüht sich um Reduktion in allen Bereichen: Im darstellenden Spiel, in den Dialogen, den gewählten Bildausschnitten - und natürlich der Musik. Während der Dialoge bleibt die Kamera oft auf nur einer Figur haften, während der Gesprächspartner aus dem Off zu hören ist, wobei uns in den knapp gefassten Sätzen oftmals die Weisheit mit Löffeln eingefößt werden soll: "Das Rest ist nicht die Gerechtigkeit." "Selbstbeherrschung wird oft mit Feigheit verwechselt." Das fast ausdruckslose Spiel der Laiendarsteller und die gewählten Bildausschnitte, die sich häufig auf Füße, Pferdehufen (für Bresson angeblich das Symbol für Kraft und Gewalt) und Hände fokussieren, verlieren schnell an Reiz und lassen den gerade einmal 84 Minuten langen Film zäh wie Kaugummi erscheinen. Bei den Kampfszenen zu Beginn und am Ende entfaltet Bressons Inszenierung eine gewisse Kraft, das Blut fließt in Strömen aus den ewig klappernden Rüstungen, wie weggeworfene zerquetschte Konservendosen stapeln sich die tapferen Ritter übereinander.

Bresson verzichtet nahezu vollständig auf Musik und schrieb einmal, wie @Max Liebermannes schon einmal zitierte, in den "Noten zum Kinematographen" schreibt Bresson übrigens: "Keine Musik zur Begleitung, zur Unterstützung oder zur Verstärkung. Überhaupt keine Musik! Außer, wohlverstanden, die Musik, die gespielt wird von sichtbaren Instrumenten."
Ich muss ehrlich sagen, dass ich diese Haltung nicht nachvollziehen kann. Film ist immer Manipulation. Wie man glauben kann, dass der Verzicht auf Musik einen Film "realistischer", "distanzierter" oder sonstwas machen kann, hat sich mir nie erschlossen - vor allem, wenn man so überstilisiert wie Bresson. Man schaltet damit neben Bildgestaltung, Darstellung, Dialogen, Choreographie etc- einfach eine weitere Schicht zur Verwirklichung der Vision aus, gewinnt aber nicht zwangsweise etwas damit.

Immerhin hat Sarde für den Prolog ein anderthalb Minuten langes Stück schreiben dürfen, das auch während des Vorspanns und kurz am Ende als Marsch erklingt. Mit der Instrumentierung für Rührtrommeln, große Trommeln, Dudelsäcke und Pfeifen wirkt es recht "authentisch", aber vor allem ist Sarde ein famoser Trommelrhythmus eingefallen, der ordentlich Schmackes hat und der kurzen Passage eine enorme Kraft verleiht. Dafür hat sich der Film dann doch ein bisschen gelohnt.

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Das obige Sarde-Zitat zu DAS GROSSE FRESSEN stammt aus dem Booklet der Sarde/Ferreri-CD von Universal.
Der Film selbst hat ja schon bei den Filmfestspielen in Cannes 1973 für einen ordentlichen Skandal gesorgt und auch hier in Deutschland hat man sich teils entrüstet. Aber genau dadurch wurde der Film eben zum großen Kinoerfolg, da die Zuschauer natürlich umso neugieriger warenn , was es denn da alles wohl an Verbotenem zu sehen gab. Ganz ähnlich wie im Jahr zuvor beim LETZTEN TANGO IN PARIS.

Die Titelmusik für LANCELOT DU LAC ist wohl eines der Stücke, das Sarde dann in den foglenden Jahrzehnten am häufigsten recycelt hat. Es taucht als Hauptthema bei LE CHOC an 1982 mit den Saxophon-Soli von Wayne Shorter wieder auf, dann erscheint es in André Techiné´s RENDEZVOUS an 1985 als Source Music in einer Jazzversion, im Track "Les nuits de Caylus" aus LE BOSSU an 1997 in einer ähnlichen mittelalterlichen Instrumentierung wie bei LANCELOT, dafür im Tempo langsamer, und an 2009 sogar in der Originalversion in LA FILLE DU RER wiederum von Techiné.

Ganz so streng wie Bresson es in seinen "Notes" formulierte hat er es dann in seinen Filme meist aber doch nicht gehandhabt. In den Filmen vor LANCELOT ist meist schon immer ein wenig Klassik zu hören - ob nun Mozart in EIN ZUM TODE VERURTEILTER IST ENTFLOHEN (1956), Lully in PICKPOCKET (1959) oder Schubert in ZUM BEISPIEL BALTHASAR (1965) - letztere Musik ganz wunderbar eingesetzt und einfach unvergeßlich, wenn man die grandiose Kombination mit den Bildern mal erlebt hat. Bresson hat natürlich nie konventionelles kommerziellles Kino gemacht oder sich traditioneller Dramaturgie untergeordnet - es geht auch weniger um Realismus bei ihm als um die Suche nach der Wahrheit, die jedoch oftmals verborgen bleibt.
Persönlich schätze ich Bresson schon sehr und halte etwa PICKPOCKET oder BALTHASAR für außergewöhnlich starke Filme, die mich unheimlich beeindruckt haben und mit denen ich beim Anschauen keinerlei Probleme hatte. Bresson verlangt natürlich einen aktiven und mitdenkenden Zuschauer, der sich auf seinen typischen, oft fragmentarischen und elliptischen Stil einläßt, auf seine scheinbare Kühle, und der selbst Bezüge zwischen den Bildern herstellt, wodurch dann aber eine ungeheure Dichte und Intensität entstehen kann.
Witzigerweise war LANCELOT DU LAC der erste Bresson-Film, den ich im Alter von 15 Jahren gesehen hatte. Es war sicherlich damals keine einfache Kost für mich, natürlich stilistisch ungewöhnlich, aber durchaus interessant und eindrucksvoll, wenn man sich mal darauf einläßt und die nötige Geduld mitbringt. Ich habe den Film jetzt wirklich seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gesehen, würde aber sagen, daß er zu den düstersten und abstraktesten Werken des Regisseurs überhaupt gehört. Anders wie in den Filmen davor ist der Blick hier nicht mehr auf ein Individuum gerichtet, sondern die Ritter sind eigentlich nur mehr Marionetten, daher das Scheppern und Klappern der Rüstungen, das fast bis zur Karikatur ausgereizt wird - es geht hier nur noch um sinnlose Rituale, um Zerstörung und Tod. Um den Film genauer beurteilen zu können, müßte ich ihn nach so langer Zeit mal wieder sehen, aber es ist wohl schon so, daß Bresson hier seine Vorliebe fürs Fragmentarische und die Abstraktion auf die Spitze getrieben hat. In der Literatur wird ja auch immer wieder darauf hingewiesen, daß das brillante "Ballett der Hände" aus PICKPOCKET in dem streng komponierten Ritterturnier dann nochmals eine Art Entsprechung gefunden hat.
Übrigens ist Bresson ja nicht der einzige bedeutende Regisseur gewesen, der auf Musik zum Großteil verzichtet hat. Auch bei Luis Bunuel war das so und auch seine Filme funktionieren ganz hervorragend ohne ausführliche Musikuntermalung.  

 

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Ich kann mir vorstellen, dass DAS GROSSE FRESSEN vor rund 50 Jahren ganz anders gewirkt hat als heute. Was LANCELOT angeht, habe ich mein Interesse an Bresson nicht verloren, aber mir gehen solche überstilisierten Filme gerade eher auf den Keks. Hätte ich den mit 16 mal auf ARTE oder so erwischt, dann hätte mich LANCELOT DU LAC ganz woanders abgeholt und mich hätte diese Strenge, das reduzierte Spiel, die Bildausschnitte und die Dialoge weitaus mehr gereizt als heute, wo meine Sehgewohnheiten auch einfach "ausgeleiert" sind. Sowas hängt vielleicht auch von der Tagesstimmung ab und ich hatte zugegebenermaßen Probleme, mich auf diese Inszenierung, die sich mir - so glaube ich zumindest - erschlossen hat, auch konsequent einzulassen. Natürlich sind die klappernden Rüstungen ein parodistisches Element, aber nach den eröffnenden Kampfszenen hat es für mich massiv an Wirkung verloren und im weiteren Verlauf des Films fand ich es nur noch albern und bemüht. Das Turnier fand ich auch einigermaßen packend, vor allem in der ewigen Wiederholung ein und derselben Bildmotive, die für mich die Sinnlosigkeit und die Leere des vielgepriesenen Rittertums sehr gut rüberbrachte.

Aber es ist auf alle Fälle interessant, was für Filme man durch Sarde entdeckt. Heute gab es dann TOUCHE PASÁ LA FEMME BLANCHE. Ich gebe zu, dass ich wahrscheinlich selten einen so kaputten Film gesehen habe. Ferreri, der diesen Film kurz nach Fertigstellung von DAS GROSSE FRESSEN drehte, wollte hier anscheinend einen Film über amerikanischen Imperialismus und den Vietnamkrieg drehen, verpackte das ganze aber in ein historisch inspiriertes und insgesamt überaus groteskes Erlebnis. In einer Baugrube der im Abriss befindlichen Pariser Markthallen inszenierte Ferreri einen "Western" mit General Custer im Mittelpunkt. Custer agiert als rechte Hand von imperialistischen und kapitalistischen Industriemännern, die Einfluss auf die Politik nehmen, sich aber stets davon distanzieren, selber Politiker zu sein. Im Namen des Fortschritts lassen sie andere die Drecksarbeit machen. Durch die mangelhafte Kulisse und das völlig überzogene Spiel der Beteiligten (u. A. Michel Piccoli als Buffalo Bill) wirkt der Film absurd und komisch, vermag aber trotzdem seine Botschaft wirkungsvoll zu transportieren. Wenn zum Beispiel die Industrievertreter zu Beginn ganz rational über die "notwendige" Vernichtung von Menschengruppen räsonieren, dann bilden diese Dialoge die Blaupause nicht nur für die rassistisch grundierten Indianerkriege, sondern auch für Denkweise der faschistischen Regime des 20. Jahrhunderts. Die Hinrichtung der zum Tode verurteilten und die Verbrennung von Indigenen in einem Industrieofen bilden erschütternde Brüche in dem übertriebenen und teils amateurhaften Inszenierungsstil. Besonders beeindruckend sind die halsbrecherischen Stunts im blutigen Schlusskampf, für dessen Kameraarbeit sich das Team vielleicht einige Tricks des New Hollywood abgeguckt hat. Hier läuft der Film in Bezug auf die temporeiche Inszenierung zahlreichen "ernsthaften" weitaus sinnlos-blutrünstigeren Euro-Western den Rang ab. Die beständige ästhetische Diskrepanz, wenn Männer in Unionssoldatenuniformen und Westernklamotten durch die Pariser Innenstadt reiten oder sich in einer Baugrube beschießen, verliert überraschenderweise über die gesamte Laufzeit nicht an Reiz. In der Mitte zieht sich der Film etwas durch die episodische Aneinanderreihung der einzelnen Szenen, die in sich schön geschrieben und gespielt sind, aber nicht konsequent ineinandergreifen und zum Ende führen. Wie man heute damit umgehen sollte, dass durchweg Europäer indigene darstellen und das auch noch in extrem dilettantischen Kostümen mit schlechten Perücken, ist fraglich. Das Ganze wirkt hier so bewusst überzeichnet und als Seitenhieb gegen die lange Tradition unsensibler, teils unfreiwillig lächerlicher, teils bewusst rassistischer Darstellungen von Indigenen im US- und europäischen Western, dass man hier nicht ernsthaft von "kultureller Aneignung" sprechen kann.

Es ist recht viel Musik im Film, vor allem Militärmärsche, Songs und Folkklängen. Philippe Sardes "Originalmusik" beschränkt sich wahrscheinlich auf die Eröffnungscollage für den Vorspann, in dem Militärsignale und bekannte traditionelle Melodien in dissonanten und grell orchestrierten Schichten übereinandergelegt werden, sowie auf einige Passagen am Ende, in denen am Ende das pentatonische "Indianermotiv" im ganzen Orchester erklingt und die Fanfaren und Marschanklänge unter sich begräbt.

 

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Es war mir gar nicht bewußt, daß von der skurrilen Western-Satire TOUCHE PAS À LA FEMME BLANCHE sogar mal eine deutsche DVD erschienen ist. Der Film kam in den 70ern ja gar nicht erst in die deutschen Kinos und man wußte über viele Jahre hinweg hierzulande überhaupt nicht, was das denn für ein seltsamer Film sein sollte. Auch heutzutage kennt ihn trotz der Starbesetzung kaum ein Mensch hier in Deutschland, da völlig untergegangen.
Von der Sarde-Musik gab es an 1974 eine italienische CAM-Single mit zwei Tracks, in Frankreich hingegen nichts. Die beiden Tracks - wohl vom Anfang und Ende des Films genommen - wurden dann auch für die Sarde/Ferreri-CD von Universal übernommen. Die von Dir so benannte Eröffnungscollage nennt sich "Custer et les Indiens", das Finale dagegen "Le théatre". Damit dürfte die Sarde-Musik zum Großteil abgedeckt sein - nur für die beiden Ferreri-Filme LIZA (1972) und LA DERNIÈRE FEMME (1975) hat Sarde jeweils einen etwas umfangreicheren Score komponiert, so daß zu den beiden Musiken dann in den 70ern auch LPs erschienen.

Nochmals kurz zu Bresson: Ich würde Dir empfehlen, am besten mal PICKPOCKET anzuschauen. Von dem gibt es ja - im Gegensatz zu vielen anderen Bresson-Werken, von denen merkwürdigerweise bis heute nur französische oder englische DVDs vorliegen - immerhin eine deutsche DVD und das ist eigentlich einer der zugänglichsten, zugleich spannendsten und intensivsten Filme von ihm. Die Symbiose von Inhalt und formaler Gestaltung ist in dieser virtuosen Persönlichkeitsstudie besonders gut geglückt. Ich könnte mir vorstellen, daß Dir der wesentlich besser gefällt als der dagegen doch sehr düstere und auch anstrengendere LANCELOT, zu dem ich als Einstieg bei Bresson nicht unbedingt geraten hätte.
Das Wort "Überstilisierung" paßt auf Bresson irgendwie nicht so richtig, denn er versucht ja gerade nicht, alles auszuschmücken, gar zu barockisieren oder ästhetisch vollendete, auf "Kunst" getrrimmte Bilder zu kreieren - gerade bezüglich letzterem hat er sich mit Kameramann Pasqaulino De Santis, der ja etwa auch für Visconti gearbeitet hat, bei LANCELOT schon einigermaßen angelegt. Dagegen herrscht bei ihm ja vielmehr ein nüchterner, dokumentarischer Blick vor, Kargheit, Reduktion, Lakonie und daher der Verzicht auf jegliche spektakuläre Effekte, so daß die Dinge aus sich selbst heraus sprechen sollen und erst der Zuschauer aus der Abfolge von Bildern und Tönen für sich den eigentlichen Sinnzusammenhang erschließt bzw. das, was der Film oft unausgesprochen läßt.

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Absolut spannende Diskussion. Bin zwar ein absoluter Neuling in Bezug auf Philippe Sarde und kenne bis auf "Ghost Story" und "Der Mieter" keine Filme mit seiner Musik, habe mir aber in den vergangenen Monaten die Musik zu "Le Choc/Les Seines de Glace" zugelegt. Wobei insbesondere "Le Choc" mir besonders in den Ohren lag, vor allem durch das eingängige Hauptthema. Bemerkenswert finde ich, dass Sarde immer interessante Solisten zur Verfügung stand, wie ich bei einigen Recherchen feststellte. Bei "Le Choc" war es Wayne Shorter, so dass ich mir kurz darauf "Mort d'un pourri" angeschafft habe, bei der das Saxophon von Stan Getz gespielt wurde. Weiter ging meine bisherige Reise mit "Adieu Poulet" und "Cesar et Rosalie". Finde sein Schaffen bislang sehr spannend und war selten so angefixt von einem Komponisten. Vor allem sein Hang zum Jazz finde ich sehr interessant. Für Hinweise und (Anschaffungs-) Tipps wäre ich sehr dankbar. Auf meiner Wunschliste stehen derzeit "Tenant", "Tess" und   "L'Homme Aux Yeux D'Argent / Cours Privé / Une Étrange Affaire / Que Les Gros Salaires Lèvent Le Doigt!". 

 

L'Homme Aux Yeux D'Argent / Cours Privé / Une Étrange Affaire / Que Les Gros Salaires Lèvent Le Doigt!

Bearbeitet von Jack Bauer
Einige Sätze verbessert
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Wenn Dir LE CHOC und MORT D´UN POURRI so gut gefallen haben, dann solltest Du Dir unbedingt auch LE CHOIX DES ARMES zulegen, bei dem die beiden Kontrabassisten Ron Carter und Buster Williams als Solisten agieren. Auch hier vermischt Sarde auf seine ganz eigene und erfindungsreiche Art Jazz und Sinfonik. Ein ganz  ausgezeichneter Score, der es mir schon Anfang der 80er sehr angetan hatte. Ich habe die LP damals sogar schon gehabt bevor ich dann ein paar Monate später den zugehörigen Film im Kino sah. Der Krimi selbst mit Starbesetzung (Gérard Depardieu, Yves Montand, Catherine Deneuve) ist wirklich auch nicht zu verachten und absolut sehenswert.

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vor 7 Stunden schrieb Stefan Schlegel:

Es war mir gar nicht bewußt, daß von der skurrilen Western-Satire TOUCHE PAS À LA FEMME BLANCHE sogar mal eine deutsche DVD erschienen ist. Der Film kam in den 70ern ja gar nicht erst in die deutschen Kinos und man wußte über viele Jahre hinweg hierzulande überhaupt nicht, was das denn für ein seltsamer Film sein sollte. Auch heutzutage kennt ihn trotz der Starbesetzung kaum ein Mensch hier in Deutschland, da völlig untergegangen.
Von der Sarde-Musik gab es an 1974 eine italienische CAM-Single mit zwei Tracks, in Frankreich hingegen nichts. Die beiden Tracks - wohl vom Anfang und Ende des Films genommen - wurden dann auch für die Sarde/Ferreri-CD von Universal übernommen. Die von Dir so benannte Eröffnungscollage nennt sich "Custer et les Indiens", das Finale dagegen "Le théatre". Damit dürfte die Sarde-Musik zum Großteil abgedeckt sein - nur für die beiden Ferreri-Filme LIZA (1972) und LA DERNIÈRE FEMME (1975) hat Sarde jeweils einen etwas umfangreicheren Score komponiert, so daß zu den beiden Musiken dann in den 70ern auch LPs erschienen.

Nochmals kurz zu Bresson: Ich würde Dir empfehlen, am besten mal PICKPOCKET anzuschauen. Von dem gibt es ja - im Gegensatz zu vielen anderen Bresson-Werken, von denen merkwürdigerweise bis heute nur französische oder englische DVDs vorliegen - immerhin eine deutsche DVD und das ist eigentlich einer der zugänglichsten, zugleich spannendsten und intensivsten Filme von ihm. Die Symbiose von Inhalt und formaler Gestaltung ist in dieser virtuosen Persönlichkeitsstudie besonders gut geglückt. Ich könnte mir vorstellen, daß Dir der wesentlich besser gefällt als der dagegen doch sehr düstere und auch anstrengendere LANCELOT, zu dem ich als Einstieg bei Bresson nicht unbedingt geraten hätte.
Das Wort "Überstilisierung" paßt auf Bresson irgendwie nicht so richtig, denn er versucht ja gerade nicht, alles auszuschmücken, gar zu barockisieren oder ästhetisch vollendete, auf "Kunst" getrrimmte Bilder zu kreieren - gerade bezüglich letzterem hat er sich mit Kameramann Pasqaulino De Santis, der ja etwa auch für Visconti gearbeitet hat, bei LANCELOT schon einigermaßen angelegt. Dagegen herrscht bei ihm ja vielmehr ein nüchterner, dokumentarischer Blick vor, Kargheit, Reduktion, Lakonie und daher der Verzicht auf jegliche spektakuläre Effekte, so daß die Dinge aus sich selbst heraus sprechen sollen und erst der Zuschauer aus der Abfolge von Bildern und Tönen für sich den eigentlichen Sinnzusammenhang erschließt bzw. das, was der Film oft unausgesprochen läßt.

Das ist eben der Vorteil, wenn man in der Hauptstadt lebt. Der Verbund öffentlicher Bibliotheken Berlin besteht aus über 80 "Filialen", die insgesamt über eine phänomenale Filmsammlung verfügen. Da ist es überhaupt kein Problem, auch ausländische DVDs und Blu-Rays zu bekommen. Ich habe vor ein paar Monaten einfach mal Sardes Filmographie im Katalog abgeklappert und über 50 Treffer bekommen, die ich hier nach und nach "abarbeiten" werde. Es gibt natürlich ein paar Lücken, aber wie gesagt, habe ich hier schon einige interessante Entdeckungen gemacht.

Von Bresson habe ich hier neben PICKPOCKET auf Blu-Ray auch DAS GELD als DVD gefunden. Mit "Stilisierung" meinte ich, dass ja eine bestimmte Strnge in der Gestaltung ausgereizt wird, auch ein karger Stil kann ja stringent umgesetzt werden. Aber ohne arrogant wirken zu wollen denke ich halt, dass sich mir das Konzept von LANCELOT DU LAC bald erschlossen hat und mich dann schnell anödete. Mag aber auch der Tagesform geschuldet gewesen sein. Früher oder später werde ich mich nochmal näher mit Bresson beschäftigen, dass es LANCELOT wurde, ist ja alleine Sardes Schuld ;)

TOUCHE PAS À LA FEMME BLANCHE hat mir wesentlich besser gefallen als DAS GROSSE FRESSEN. Hier fand ich hat alles gepasst, während die Völlerei im GROSSEN FRESSEN ein ziemlich ödes Erlebnis war. LA DERNIÈRE FEMME und LIZA konnte ich noch nicht auftriben, damit bleibt erstmal nur AFFENTRAUM.

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Ich habe mal ein paar Ausschnitte von TOUCHE PAS À LA FEMME BLANCHE im Internet angeschaut: Das ist schon ziemlich surrealer Slapstick, recht absurd, aber teilweise überaus witzig. Vor allem, wenn man dann sieht, welche bekannten Darsteller hier in unglaublichen Rollen agieren und dabei aber anscheinend eine Menge Spaß gehabt haben.
AFFENTRAUM ist ein weiterer ziemlich verrückter Ferreri-Film, in dem Depardieu in einem fast menschenleeren New York das Baby eines Riesenaffen bei sich aufnimmt und nicht mehr von ihm loskommt. An der Kinokasse spielte der Film hier in Deutschland an 1979 überhaupt keine Rolle und floppte.
Außer den 5 Minuten an Musik, die auf dem Sarde/Ferreri-Sampler auftauchen, dürfte im Film selbst kaum große musikalische Untermalung stattfinden. Das ist zudem eine recht spröde Angelegenheit: Zuerst nur Kontrabassflöte - die speziell für die Musikaufnahmen gebaut wurde (vier Meter war die hoch und der Interpret MIchel Sanvoisin benötigte eine Leiter, um überhaupt ranzukommen), um die tiefsten Register, die es gibt, darauf spielen zu können - zu der sich dann in der zweiten Hälfte noch ein wenig Hubert Rostaings Klarinettenspiel hinzugesellt. Ganz nett als Beigabe auf dem CD-Sampler, aber nichts wirklich Herausragendes. Sarde hat wesentlich bedeutendere und wichtigere Scores in dieser Zeit um 1978 herum komponiert.

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Nach LANCELOT DU LAC und TOUCHE PAS À LA FEMME BLANCHE folgte heute wieder ein "normaler" (=kommerzieller) Film: ADIEU POULET. Lino Ventura prügelt sich hier als mürrischer Komissar durch ein Netz aus Korruption, indem reiche Unternehmer, die für politische Ämter kandidieren, genau so verstrickt sind wie Puffmütter und Polizisten. Nach LE CHAT und LE TRAIN liefert Pierre Granier-Deferre hier einen gradlinigen Actionkrimi, der die antiautoritäre Haltung  als Rechtfertigung für die reißerische Handlung nimmt. Ich kann nicht einschätzen, ob das Publikum in den 70er-Jahren Komissar Verjeat ähnlich wie Eastwoods Dirty Harry oder später Willis' McClane mit wohltuender Genügsamkeit dabei beobachtete, wie er die Sache selbst "in die Hand nahm", sich über die blöden Vorgesetzten und bornierten Richter hinwegsetzt, um notfalls mit der Anwendung von Gewalt seinen Zielen näher zu kommen. Der rasant inszenierte Film macht durchaus Spaß, kommt mir aber extrem chauvinistisch rüber. Die auf Wikipedia zitierten Kritiken bezeichnen den Film oftmals als "perfekten" Actionfilm, mit kommt das Ganze stellenweise ziemlich hingerotzt vor, von Perfektion ist vor allem in der Kameraarbeit wenig zu spüren, vor allem in den hektisch verwackelten Zooms oder den teils zu nahen Einstellungen. Da gibt es wesentlich faszinierende Beispiele der "entfesselten" Kamera. Auch wird in den Dialogszenen fast immer zwischen uninspirierten Nahaufnahmen der jeweils sprechenden Person hin und hergeschnitten, eine sinnvolle Anordnung der Figuren im Set oder eine wirkliche Interaktion kann zwischen den Darstellern somit nicht stattfinden.

Philippe Sardes Musik ist jaziig angehaucht und fängt vor allem mit den dissonanten Harmonien des Klaviers die schmutzig-urbane Atmosphäre des Films treffend ein. Wie immer ist der Film ziemlich sparsam vertont, aber zum ersten Mal bei einem von Sarde vertonten Film hätte ich mir mehr Musik gewünscht: Einmal bei der Ankunft der Einsatztruppen bei der Geiselnahme und dann bei der Verfolgungsjagd überden Baukran, die im Gegensatz zu den anderen Actionszenen ziemlich dröge und spannungsarm inszeniert ist. Die vollständige Musik gibt es aufeiner CD von Music Box Records zu hören, die aber mittlerweile schon wieder vergriffen ist.

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ADIEU POULET mag ich von Sardes Krimi-Scores eigentlich am wenigsten. Das ist mir dann doch zu jazzig, zu abgefahren und zu zeitverhaftet. Schon ein ganzes Stück anders als die Scores, die er innerhalb desselben Genres dann in den folgenden Jahren komponiert hat. Es fehlt der Kontrast mit der becircenden elegischen Streichersektion, die seine Musiken wie MORT D´UN POURRI, LE CHOC oder auch LE CHOIX DES ARMES so großartig macht. Das ist  mir - natürlich auch durch den Film selbst bedingt - hier zu einseitig und spricht mich daher  nicht besonders an. Daher keine Musik, die ich auf CD haben müßte und die für mich nur innerhalb des recht spannenden Films - der selbstverständlich über die Jahre Kultstatus erlangt hat -  zur Untermalung einigermaßen funktioniert.
Selbstjustiz wurde Mitte der 70er Jahre ja ständig auf irgendeine Art und Weise in Krimis und Thrillern thematisiert - ob nun aus USA, Frankreich oder Italien. Von daher war das damals im Gefolge von Erfolgsfilmen à la EIN MANN SIEHT ROT oder DIRTY HARRY im Kino eigentlich gar nichts Besonderes mehr. Man sieht das eher aus heutiger Warte wohl ein wenig kritischer.

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