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Mario Nascimbene


Angus Gunn
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1100 Jahre vor Christus: Zu den kärglich spröden Klängen der einleitenden Musik schwenkt die Kamera von der Spitze einer felsigen Erhebung über eine unwirtliche Wüstenlandschaft bis zu einer Gruppe von Menschen, die sich samt ihrer paar Habseligkeiten und mitgeführtem Vieh durch diese Einöde hindurchbewegt. Es sind die von Moses geführten Stämme der Kinder Israels, die nach 40 Jahren das gelobte Land im Tal von Kanaan erreichen und sich dort niederlassen.

So beginnt Roberto Rosselinis IL MESSIA, der sich auch im Folgenden sehr genau an die vier Evangelien hält. Gefilmt ist das Ganze in einem sehr nüchternen, geradezu trockenen Inszenierungsstil. Die Kamera fängt das Geschehen ohne erkennbare künstlerische Ambitionen ein, schwenkt wie improvisiert über die bukolisch ausgestatteten Szenarien, zoomt willkürlich Details heran, und Schnitte werden nur gesetzt, wenn´s gar nicht mehr anders geht. In Wirklichkeit ist das alles natürlich das Ergebnis einer exakt ausgearbeiteten Dramaturgie, die die allseits bekannte Geschichte in ein naturalistisches Gewand kleidet und auf publikumswirksamen Ausstattungsprunk, Actionszenen oder sonstigen Zierrat verzichtet. Selbst das königliche Domizil eines Herodes bietet nicht mehr fürs Auge als schlichte Lehmziegelwände, acht bis zehn Komparsen und dem Allernötigsten an Dekor, um die Handlung zeitgeschichtlich einzuordnen. Der größtmögliche Gegensatz zu einem Film wie "König der Könige" also.

Der Vorläufer von IL MESSIA ist der ein paar Jahre vorher gedrehte TV-Mehrteiler GLI ATTI DEGLI APOSTOLI (siehe weiter oben), und die stilistischen Ähnlichkeiten in Mario Nascimbenes Musik sind offensichtlich. Der Erlöser selbst erhält durch die Klänge einer Flöte eine Art von Leitthema. Ein sehr einfaches, folkloristisches Motiv, ohne Echohall oder sonstiges konzertantes Brimborium, sondern schlicht und trocken intoniert. Dem gegenüber stehen eigenwillige, kakophonische Klangschöpfungen a la ONE MILLION YEARS B.C., etwa in einer recht schockierenden Szene, in der einem Stier demonstrativ vor versammeltem Volk Kopf und Beine abgeschlagen werden. Szenisch bedingte Musik wie murmelnde Chöre oder die Untermalung von Festivitäten sorgen hier und da für Kolorit, ansonsten wird mit Musik äußerst behutsam gewirtschaftet. Eine Veröffentlichung auf Tonträger hat es auch hier nie gegeben (Ausnahme: die Titelmusik auf dem 3-LP-Set "L´Impronta del Suono"). Wünschenswert wäre das allemal, denn es ist ein interessanter, spannender Score, klischeefrei und fernab von jeglichen Konventionen. Als Kontrastprogramm zu den Hollywood-Klassikern ist aber auch der Film selber eine Sichtung wert. Ausschließlich visuell orientiertes Publikum wird er kaum begeistern, Cineasten können sich an ihm abarbeiten.

 

 

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  • 2 Wochen später...
Am 3.9.2017 um 12:10 schrieb Max Liebermann:

Schöner Text! Danke!

Gerne. Solange es ab und an mal ´ne Reaktion gibt, hat man auch das Gefühl, dass die Texte hier nicht völlig untergehen.:)

 

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LO SCIALO ist ein Roman des in Italien populären Schriftstellers Vasco Pratolini und ist der Mittelteil einer Trilogie namens "Una storia italiana", die mit "Metello" begann und mit "Allegoria e derisione" endete. Zwei Familien stehen im Mittelpunkt eines Liebes- und Sozialdramas, das als Porträt vom Italien zur Zeit des Faschismus nach dem ersten Weltkrieg angelegt ist.

Vom renommierten Regisseur Franco Rossi 1987 mit Massimo Ranieri, der schon 1970 in "Metello" die Titelrolle verkörpert hat, und Eleonora Giorgi (bekannt aus Argentos "Inferno") als 3-teilige TV-Mini-Serie inszeniert. Viel mehr läßt sich nicht in Erfahrung bringen über LO SCIALO, der momentan völlig von der Bild(schirm)fläche verschwunden zu sein scheint. Merkwürdigerweise ist er in der ofdb unter dem deutschen Titel DIE VERSCHWENDUNG angegeben. Einen Hinweis auf eine deutsche TV-Ausstrahlung läßt sich allerdings nirgendwo finden. Falls da jemand nähere Informationen zu hat, möge er sie gerne hier kundtun.

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Mario Nascimbenes Musik ist ein wunderbares Alterswerk, das Stimmungen und Emotionen exakt aber unaufdringlich einfängt. Durchzogen von einer Professionalität und spürbaren Anteilnahme am Schicksalsweg der Figuren, wie man sie von einem Komponisten seines Kalibers, der fast ein halbes Jahrhundert Film(musik)erfahrung in sich trägt, erwarten darf.

Schon die Titelmusik steckt in ihrer Einfachheit, ihrer dezenten Orchestrierung, dem entspannenden Mandolinenspiel und der volkstümlichen Melodie voller Nostalgie und Wehmut, ohne dabei pessimistisch zu klingen. Das zauberhafte TEMA DI NELLA ist ähnlich angelegt, wird mal von Mandoline und Gitarre, und mal von Gitarre und Klarinette vorgetragen. TEMA DI NINI läßt auch mal ein Streichorchester und sanft angeschlagene Klaviertöne zu. In NELLO CARROZZA und ATIMO NOSTALGICO begegnen wir dem Muschelstamm-Thema aus ONE MILLION YEARS B.C. wieder, hier in einem bluesigen Arrangement für Saxophon und Klavier. YVONNE ist ein entzückendes Stück für ein kleines Salonorchester, das nach sanftem Beginn in beschwingtere Walzerklänge übergeht. Ein stimmungsvolles Album von unaufdringlicher Art und hohem Niveau.

 

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  • 1 Monat später...

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Einen schönen Einblick ins Archiv bietet dieses 61-minütige Album von Hexacord.

Ein unterhaltsamer Querschnitt durch das jazz-orientierte Schaffen des Maestros, der über die die gesamte Laufzeit angenehm zu unterhalten vermag, wenn auch wirklich prägnante oder gewagte Einfälle kaum zu finden sind. Die Kompositionen bewegen sich in den typischen Gefilden amerikanischer Jazzkompositionen der 40er und 50er Jahre und würden im Programm von Stevie Waynes Leuchtturm-Sender nicht aus dem Rahmen fallen.  Mal ruhig-melodisch, mal aufbrausend-lebhaft, mal mit Big-Band-Begleitung, mal mit lateinamerikanischem Flair.

Aufgeteilt ist das Album in vier Segmente. Tracks 1-9  entstammen der musikalischen Begleitung eines Bühnenstückes namens BELLINDA E IL MOSTRO, bei denen das Bellinda-Thema hervorsticht. Als CANZONE dargeboten, weist es mit Streichorchester und gemischtem Chor nicht zu leugnende Ähnlichkeiten zum Mancini-Stil jener Epoche auf.

Die Tracks 10-13 sind mit "Suite for a psychological film" überschrieben und beinhalten die interessantesten und wildesten Tracks der CD. Titel wie  SUSPENSE und FUGA DOPO IL COLPO verweisen schon auf ihre etwaige Verwendung in aktionsorientierten Kriminalfilmen und sind vermutlich auch genau dafür konzipiert worden.

Mit "the rhythmic suite" (Tracks 14-17) geht es in exotischere Gefilde. AFRO-CUBAN SWING weis mit Bongowirbeln,  mannigfaltiger Percussion und Hammondorgel zu gefallen. Interessant und innovativ ist FUGATO IN BLUE , bei dem nascimbenes Experimentierfreude auch mal zum Tragen kommt, hat er doch hier einen Rhythmus entworfen,  der schon sehr nach Mixerama-Spielereien klingt.

Die letzten neun Titel sind als "Bonus Tracks" vermerkt. Im Gegensatz zum vorhergehenden Programm sind diese Aufnahmen von Roberto Pregadio geleitet und von eher ruhigerem Charakter. Hervorheben möchte ich hier eine sehr angenehme, mit sanften Klavierklängen ausgestattete Alternativversion von BLUES DELLA NOTTE, eine Komposition die schon in BELLINDA E IL MOSTRO zu finden ist. Mein persönlicher Favorit ist aber CLASSIC BEGUINE, ein 4-minütiger, balladesker Track mit dezentem, lateinamerikanischem Rhythmus, Streichorchester und wechselnden Solo-Parts. Melodisch wunderschön und toll orchestriert. Danach geht es bluesig weiter, bis SWING IN QUARTET das Album mit einer fröhlich-verspielten Nummer beendet.

Als Fazit bleibt eine hörenswerte, abwechslungsreiche, aber, bis auf eine handvoll herausragender Beispiele, auch wenig spektakuläre Zusammenstellung. Was die nascimbene´sche Jazz-Musik angeht, da ist für mich der Soundtrack zu LA PRIMA NOTTE DI QUIETE sein Meisterstück, aber auch den "Footprints" bin ich mit einigem Vergnügen gefolgt.

 

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Die ganze FOOPTRINTS-CD speist sich aus den vier “Melodie e Ritmi” Library LPs von 1969, vor allem aus Nummer 1 “Jazz Commento” (deren Inhalt entspricht Track 1-17 von der CD) wurde dafür herangezogen. Bei Discogs etwa findet man die Cover der ganzen Melodie-LPs abgebildet und auch deren Tracklisting.
Hier noch die Rätselauflösung für die oben nicht identifizierten Tracks. Dies sind die Filme, aus denen die weiteren Stücke ab Track 10 stammen (nur Track 18 “Abbandono” und Track 25 “Slow Blues” konnte ich bislang auch nicht zuordnen):
 
- Track 10-13 "Suite for a Psychological Film": aus MORTE DI UN AMICO (1959) [die vier Tracks sind übrigens alle auch auf der alten CAM-CD aus den frühen 90ern mit MORTE DI UN AMICO enthalten]
- Track 14-16 (die ersten drei Tracks dieser "Rhythmic Suite"): aus WHERE THE SPIES ARE (1965)
- Track 17 “Blues Finale”: aus LA BANDA CASAROLI (1962)
- Track 19 “Blues del tramonto”: wiederum aus MORTE DI UN AMICO (1959)
- Track 21 “Classic Beguine”: aus AMERICA PAGANA (aber nicht die Originialaufnahme von 1955, die es auch auf einer seltenen Library-LP mal gab, sondern 1969 neu aufgenommen mit Pregadio als Dirigent für die Melodie e Ritmi-LP)
- Track 22 “Il mio amore in Blues”: aus LA GARCONNIÈRE (1960)
- Track 23 “Ritmico Swing”: aus TOGLI LE GAMBE DAL PARABREZZA (1969)
- Track 24 “Omaggio a Shearing”: aus THE VENGEANCE OF SHE (1966)
- Track 26 “Swing in Quartet”: aus TOGLI LE GAMBE DAL PARABREZZA (1969)
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Na bitte, da haben wir ja jetzt (fast) alles aufgedröselt! 

Das Booklet (wenn man es so nennen kann) der Hexacord-CD ist doch sehr mager und äußerst dürftig an Information. Warum wurde die Herkunft der Tracks nicht mit angegeben, oder wußte Zamori es selber nicht so genau?  MORTE DI UN AMICO & WHERE THE SPIES ARE sind tatsächlich Lücken in meiner Sammlung. Wußte gar nicht, dass ich davon doch was habe! :) Nice!

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Die CD-Veröffentlichung ist für Zamori dadurch natürlich deutlich günstiger ausgefallen. Insofern konnte er ganz locker hinschreiben “Licensed from Mario Nascimbene” als ob der Komponist selbst die Rechte an allem, was sich auf der CD befindet, gehabt hätte. Bei Nennung der Filme hingegen hätte er ja alles bei Musikverlagen und Studios ordentlich lizenzieren müssen – was er logischerweise so nicht gemacht hat, denn sonst wäre es etwas teurer geworden für ihn. Nomalerweise kann er ja nicht einfach ohne die Gemehmigung von Turner Entertainment (die die Rechte an den alten MGM-Titeln haben) ein paar Tracks aus WHERE THE SPIES ARE offiziell herausbringen. Aber so in der Art versteckt hat ja eben kaum einer was gemerkt.:)
Auch auf den alten Melodie e Ritmi-LPs waren selbstverständlich die Scores bzw. Filme, aus denen die einzelnen Nascimbene-Tracks stammten, gar nicht angegeben. Insofern wußte eigentlich ohnehin kaum jemand, was nun da überhaupt woher stammt.
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  • 8 Monate später...

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UOMINI E LUPI lief bei uns unter dem Titel "Frauen (!) und Wölfe" in den Kinos und ist heute leider nur auf YT in italienischer Sprache zu besichtigen. In den verschneiten Abruzzen kommt es zu einem Wettbewerb in der Wolfsjagd. Dem Gewinner winkt eine hohe Prämie. Daneben entwickelt sich eine Rivalität zwischen Ricuccio (Yves Montand) und Giovanni (Pedro Armendariz) um die schöne Teresa (Silvana Mangano). Regisseur De Santis, mit dem Nascimbene schon vorher zusammengearbeitet hatte, geriet offenbar in kreativen Konflikt mit den Produzenten, was zu massiven Kürzungen des Filmes führte und De Santis letzten Endes auch jegliche Kontrolle über den Schnitt kostete.

Zu der Zeit als Nascimbene die Musik zu diesem Abenteuer-Drama schrieb hatte er nicht nur schon erste Hollywood-Erfahrungen hinter sich, auch experimentierte er bereits eifrig mit den Möglichkeiten seines Mixerama-Verfahrens herum. Für UOMINI E LUPI hatte der Komponist ein "Sound Design" im Sinn, das den Schritten von Wölfen im Schnee nachempfunden sein sollte. Das mag in der Tat wieder nach Mixerama-Basteleien klingen, doch Nascimbene komponierte hier einen ganz traditionellen, sinfonischen Score, der in jeder Sekunde das klassische Flair des italienischen "Golden Age" verströmt. Das sehr emotionale Hauptthema ist eines seiner intensivsten und wird im ersten Track (Titoli) eindrucksvoll vorgestellt. Wie es sich für eine große Filmmusik dieser Art gehört liegt das Hauptaugenmerk auf dem, was unter der Oberfläche verborgen liegt, auf den Emotionen und Empfindungen der Protagonisten. Die Schwerpunkte der Orchestrierung liegen auf den Streichern, stillere Momente werden gerne mit Holzbläsern ergänzt, und je dramatischer es wird, umso mehr kommt das Blech zum Zuge. Düstere Glockenschläge in Verbindung mit tiefen Hörnern künden von Unheil, und gleich darauf folgt einer der aufwühlenden Höhepunkte, der dann auch schnell wieder in einer volkstümlichen Weise melancholisch ausklingt (Track 9 und 10, CD 2). Überhaupt nimmt die Mundharmonika von Franco De Gemini eine nicht unwichtige Rolle ein. Anfangs noch getrennt vom sinfonischen Geschehen in separaten Entspannungspausen eingesetzt, verbindet sich dieses Instrument im Verlauf des Scores immer engmaschiger mit der Orchesterpartitur und geht über die reine Funktion als Source-Music hinaus.

Im Finale singt schließlich ein gemischter Chor ein (authentisches?) Volkslied, bis ein Orchestertutti diesen wunderbaren Score beendet.

"Digitmovies" präsentiert diese Musik als Doppel-CD im aufwendigen Digi-Pack und mit ordentlichem Klang.

 

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