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Der amerikanische FILM NOIR von 1941 - 1958


Angus Gunn
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Am 30.6.2020 um 18:51 schrieb Mephisto:

So, ich wollte @Angus Gunn nochmal kurz Bescheid geben, dass ich endlich den Previn bestellt habe!

Na, hoffentlich war das noch erschwinglich und hat sich gelohnt! :)

 

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IM ZEICHEN DES BÖSEN (1958)

Gerade ist von Koch Films die Blu-ray-Edition von Orson Welles TOUCH OF EVIL erschienen. Grund genug den Film, seine Musik und natürlich die wunderbare Edition hier mal zu erwähnen. Auf zwei Scheiben verteilt finden sich hier drei Versionen des Films:  Zum einen die Kinofassung von 1958, die auch (ganz wichtig!) die ursprüngliche deutsche Synchronisation mit Horst Niendorf (Heston), Margot Leonard (Leigh) und Walther Suessenguth (Welles) enthält. Außerdem die bisher auf DVD erhältliche restaurierte Fassung von 1998 mit der Neu-Synchro (aber wahlweise auch mit der lückenhaften Originalsynchro), und eine bisher nicht gezeigte Preview-Fassung von 1958, einen vorläufigen Rohschnitt, der bei den Produzenten auf Ablehnung stieß und Welles zu Kompromissen zwang.

Eine wichtige Änderung der Restaurierung besteht im Fehlen der Titeleinblendungen. Der Film beginnt mit jener berühmten Plansequenz an deren Ende eine Autobombe explodiert. Welles hatte sich seinerzeit ausdrücklich und zurecht gegen dieTiteleinblendungen entschieden, da diese zu sehr vom Bild ablenken würden, konnte sich aber nicht gegen Universal durchsetzen, die den Film noch zahlreichen weiteren Änderungen unterzogen (alles im lesenswerten Booklet erläutert) und ihn schließlich als reinen B-Film im Doppelprogramm vermarkteten.

Obwohl Welles und sein Kameramann Russell Metty den Film Open Matte drehten, um sowohl dem bis dahin gebräuchlichen 1:1.37-Seitenverhältnis wie auch dem neuen Breitwandformat gerecht zu werden, liegen alle drei Fassungen im Format 1:1.85 vor, dem seit damals üblichen amerikanischen Kinoformat. Der Konsument hat außerdem die Auswahl zwischen vier (!) verschiedenen Audiokommentaren von Filmhistorikern, dem Produzenten der restaurierten Fassung Rick Schmidlin und den Darstellern Heston und Janet Leigh, sowie eine in zwei Teilen präsentierte Doku aus den 90er Jahren. Viel Beschäftigung für den Noir-Filmfan, und eine würdige Präsentation eines großen Klassikers.

Für alle, die diesen Film noch nie gesehen haben (gibt´s so jemanden hier?), greife ich jetzt mal in meinen Bücherschrank und zitiere die Kurzkritik aus dem guten alten "Lexikon des internationalen Films": Ein Mordfall in einer schmutzigen Kleinstadt an der mexikanischen Grenze ist Anlaß für das tödliche Duell zwischen einem jungen mexikanischen Rauschgiftfahnder und dem alten Polizeichef, der durch den gewaltsamen Tod seiner Frau demoralisiert und korrumpiert ist und seine Fälle bei Bedarf durch gefälschte Beweise zu lösen pflegt. Der komplizierte Reißer nach einem Roman von Whit Masterson knüpft an die "Schwarze Serie" an und führt sie gleichzeitig ad absurdum. Ein intelligenter Film von exklusiver formaler Qualität, mit eindrucksvollen Darstellern und ebenso abstoßender wie faszinierender Atmosphäre. Zunächst ein mäßiger Erfolg bei Presse und Publikum, gilt der Film seit den siebziger Jahren nach CITIZEN KANE als Welles´ bedeutendstes Werk.

Und natürlich muß hier auch die Filmmusik gewürdigt werden. TOUCH OF EVIL war Henry Mancinis erster wirklich großer Wurf. Zur Illustration der von Korruption zersetzten Grenzststadt mit ihren schmierigen Kaschemmen und zwilichtigen Hotels komponierte er mehrere Stücke Source-Music, zum Teil mit lateinamerikanischen Einflüssen, vom resignativen Blues, zum wilden Rock´n´Roll, bis zu den melancholischen Pianola-Themen aus Tanyas (Marlene Dietrich) Bar. Für den dramatischen Score reduziert Mancini das Ensemble auf Blech, Klavier und die fast omnipräsenten Bongos, deren trockener Klang sich von Anfang an durch das triste Szenario schlängelt. Neben der Musik zur erwähnten Eröffnungssequenz (bei der der Bongo-Rhythmus exakt beim Aufziehen der Zeitzünder-Uhr einsetzt) ist als dramatischer Höhepunkt vor allem das siebenminütige, exzessive BACKGROUND TO MURDER zu nennen, aber auch die wuchtigen, abgründigen Klänge bei der finalen Konfrontation an der nächtlichen Brücke (THE CHASE) verfehlen ihre Wirkung nicht. Schwelgerisches Golden-Age-Scoring wird man hier vergeblich suchen (wäre auch fehl am Platz gewesen), weswegen der Score nicht für jedermann zugänglich sein dürfte. Aber alleine schon wegen des Klassiker-Status eigentlich eine Pflichtanschaffung.

 

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Leigh Harline:  BLACK WIDOW  (Die Spinne)

"Professionell und spannend inszeniertes Eifersuchts- und Kriminaldrama mit gesellschaftskritischem Einschlag im attraktiven Künstlermilieu" steht es im Filmlexikon zu lesen. Der Film ist rein vom formalen Aspekt her weit entfernt vom typischen Noir-Stil früherer Jahre, und bei seiner Dialoglastigkeit bestand eigentlich kein Grund, ihn in Cinemascope und Farbe zu inszenieren. Die Geschichte jedoch, die ihren Hauptcharakter (Van Heflin) und die ihn umgebenden Figuren immer tiefer in einen Strudel der Unmoral zieht, gehört eindeutig in den Noir-Kosmos.

Beurteilen kann ich das selber nicht, da ich ihn bisher noch nicht gesehen habe. Die Musik allerdings dürfte eine der schönsten sein, die einen Noir zu jener Zeit bereichert haben. Die Titelmusik (unten verlinkt) ist ein Wunderwerk von düsterer Eleganz und melodisch umwerfend. Klavierstücke und Orchestertutti, mal schwelgerisch, mal solistisch, beschreiben das exquisite High-Society-Milieu. Erst in der zweiten Hälfte kehren die dunkleren Klangfarben zurück (DECISION und CONFESSION sind Kompositionen von großer Intensität, ebenso malerisch wie schwermütig) und beenden den nur 22-minütigen Score mit schwarz-romantischen Walzer-Klängen, basierend auf dem Strauss´schen SALOME-Tanz, der zuvor im Score auch direkt zitiert wird. Alfred Newman dirigiert das Fox-Orchester in gewohnter Präzision und Hingabe ("... next to impossible to duplicate.") Unbedingte Empfehlung!

 

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  • 3 Wochen später...

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Leigh Harline:  PICKUP ON SOUTH STREET  (Polizei greift ein)

Skip McCoy (Richard Widmark) schlägt sich mit kleinen Gaunereien durchs Leben. Bei einem Handtaschendiebstahl in der vollbesetzten U-Bahn fällt ihm ungewollt ein Mikrofilm mit brisantem Inhalt in die Hände. Von nun an wird er von Polizei und FBI gesucht. Die ebenfalls in die Ermittlungen eingeschaltete Informantin Moe (Thelma Ritter), die sich gelegentlich für Spitzeldienste bezahlen läßt, kann Skip identifizieren und an die Polizei verraten. Er leugnet den Diebstahl, bekommt aber bald Besuch von Candy (Jean Peters), jene Dame, in deren Handtasche sich der Mikrofilm befand...

Blendend inszeniertes, hartes Kriminaldrama von Samuel Fuller, der wie immer großen Wert auf Milieuzeichnung legt. Seine Figuren sind stimmig, handeln in der Regel aus reinem Egoismus heraus. Die Story entwickelt gerade in der zweiten Hälfte eine enorme Dynamik. Actionszenen sind ebenso drastisch wie energisch mit Handkamera und wenigen Schnitten inszeniert und wirken äußerst realistisch. In der amerikanischen Fassung geht es um kommunistische Umtriebe. In der deutschen Synchronisation wurde daraus eine Rauschgiftaffäre gestrickt, was in diesem Fall nicht wirklich gelingt, da Personen und Situationen nicht so recht mit einer Drogengeschichte kompatibel sind. Man ist also so oder so mit der Originalfassung besser bedient.

Leigh Harline greift in seinem Score den nüchternen Tonfall des Films auf, entschlackt das Orchester effektvoll und läßt nichts mehr übrig vom schwelgerischen Golden-Age-Stil eines BLACK WIDOW. Zwar gibt es auch hier durchaus warmherzige Streicherklänge für die Beziehung zwischen Skip und Candy, doch sind auch diese eher verhalten und eingebettet in melancholisch-bluesige Strukturen. Der Soundtrack beinhaltet außerdem einen nicht von Harline stammenden, träumerischen Song namens "Mam´selle", der im Film von einer Schallplatte erklingt und in einer wirklich anrührenden wie erschütternden Szene eingesetzt wird.

 

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Pickup on South Street läuft übrigens am 21.09. um 22:00 Uhr auf arte.

Für den ursprünglich von Regisseur Edmund Goulding verfassten Song "Mam'selle" scheint Samuel Fuller eine Schwäche gehabt zu haben. Er taucht jedenfalls ein Jahr später in Alfred Newmans Score für Fullers Hell and High Water (ebenfalls mit Widmark) wieder auf.

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Danke für die Hinweise, Oliver!  Ja, im Booklet-Text ließt sich das tatsächlich so, als habe Fuller eine Vorliebe für dieses Lied gehabt. Es war jedenfalls seine eigene Wahl.

Den 21.09. kann sich ja mal jeder notieren, der dem Genre zugetan ist und diesen Film noch nicht kennt. Er ist wirklich sehr sehenswert.

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Leigh Harline:  HOUSE OF BAMBOO

Das Problem von TOKIO STORY liegt in seiner allzu konventionellen Geschichte, in der ein amerikanischer Captain und ein japanischer Inspektor gegen eine Gangsterbande vorgehen, die einen US-Militärzug überfallen hat. Rein formal ist Regisseur Sam Fuller hier in bester Verfassung, weiß seine authentischen Schauplätze effektvoll zu nutzen, und auch mit explosiven Actionszenen zu erfreuen. Fürs Auge wird also einiges geboten, und zwar in Farbe und Cinemascope. Über die vorhanden Schwächen des Drehbuchs kann man dennoch nicht ganz hinwegsehen, zumal der Film mit Robert Stack einen recht farblosen Hauptdarsteller besitzt, da nützt auch DeLuxe Color nichts. Robert Ryan als Gegenspieler ist da ein völlig anderes Kaliber.

Leigh Harlines Musik ist wiedereinmal vom Feinsten, und es ist mir unverständlich warum er im Vergleich zu anderen Golden-Age-Komponisten so wenig beachtet wird. Mit flirrenden Streichern und dramatischen Akzenten vom Blech leitet die furiose Titelmusik einen Score ein, der ansonsten neben dezent eingesetztem, fernöstlichem Kolorit sich vor allem dem Subplot um eine Liebesgeschichte zwischen Stack und der Japanerin Shirley Yamaguchi widmet. Harline überfordert den Film nicht mit zuviel Streicherpomp und komponierte entwaffnend schöne, farbig orchestrierte, aber auch zurückhaltende Stücke von großer Ausdruckskraft.

 

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Mit den CDs zu Harlines Scores liegt man niemals falsch. Ich schätze auch sehr seinen herausragenden Westernscore zu Spencer Tracys Broken Lance. Die Musik erinnert mehr an seine dramatischen und Noir Scores und beschreitet noch nicht die Wege der späteren Western-Americana a la Bernstein oder Moross.

Titelmusik

http://www.filmscoremonthly.com/store/MP3/0418/01_MAIN_TITLE.MP3

hier greift er zu Beginn einen traditionellen Song auf

http://www.filmscoremonthly.com/store/MP3/0418/09_JOY_RIDE.MP3

Broken Lance- Soundtrack details - SoundtrackCollector.com

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23 PACES TO BAKER STREET (Leigh Harline)

Ein weiterer Harline, den ich sehr mag, ist leider nie auf Tonträger veröffentlicht worden. Der Film ist kurz nach BLACK WIDOW und HOUSE OF BAMBOO entstanden und gehört wie diese
zu den farbigen Breitwand-Noirs der Fünfziger Jahre.

Der erblindete und verbitterte Schriftsteller Philip Hannon wird in einem Lokal zufällig Zeuge der Verabredung zu einem Verbrechen. Zu Hause rekonstruiert er das belauschte Gespräch in dem er es selber auf Tonband spricht. Bei der Polizei findet er keine Unterstützung, da man dort seine Angaben für zu wage hält. Hannon beschließt, zusammen mit seiner Ex-Frau und seinem Butler selber in der Sache zu ermitteln. Seine einzigen Anhaltspunkte sind der Parfumgeruch aus dem Lokal und die lückenhaften Informationen aus dem mitgehörten Dialog.

Kameramann Milton Krasner findet opulente Bilder für die interessante, spannende Geschichte. Ort der Handlung (und Drehort) ist London, das fast die ganze Zeit über im Dämmerlicht und in dunstigen Nebelschleiern zu sehen ist. Auch weiß der Film die Behinderung seiner Hauptfigur für spannungsintensive Sequenzen zu nutzen. Wenig bekannt, aber lohnenswert. Harlines Musik ist opulent und besitzt in einigen Szenen ein unwiderstehliches mystisches Flair. Die hier von mir zusammengebastelte Suite vermittelt zumindest einen kleinen Eindruck:

 

 

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Bei 23 Paces to Baker Street fehlen mir jegliche Noir Elemente, es ist ein Spannungsfilm in der Tradition von Hitchchcock.

Was den Anfang der Noir-Welle angeht so fängt er für viele Filmhistoriker schon mit Boris Ingsters "Stranger on the Third Floor" von 1940 an, nicht erst mit The Maltese Falcon. Der war natürlich das erste Meisterwerk des "Genres", wenn man es ein Genre nennen will. 

 

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vor 1 Stunde schrieb musik-erfordert-handwerk:

Bei 23 Paces to Baker Street fehlen mir jegliche Noir Elemente

Mir auch. :) Und ehrlich gesagt sehe ich auch bei diesen Schauerdramen rund um gotische Häuser (House on Telegraph Hill, Gaslight, Psycho, House by the River etc.) ebenfalls kaum Elemente, die sie als Noir qualifizieren würden. Aber bei "Noir.de" sieht man es halt so, und dann soll´s mir recht sein.

Andererseits zählt für mich ein Film wie ON THE WATERFRONT ganz klar zum Noir-Kosmos. Aber der wird nirgendwo diesem Stil zugerechnet. Alles eine Frage der persönlichen Auslegung.

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  • 1 Monat später...

DAS SCHWARZE BUCH (a.k.a. Guillotine) / THE BLACK BOOK (a.k.a. Reign of Terror)

Den Film habe ich auf Seite 1 schonmal vorgestellt. Die Tage habe ich ihn nochmals gesehen und bin schon wieder von der enorm dichten Inszenierung beeindruckt. Ein echter Noir, auch wenn er im Genre des Historiendramas angesiedelt ist. Sol Kaplans Musik gehört ganz klar auf meine persönliche Wunschliste unveröffentlichter Scores. Hier die Titelmusik und die folgende, einleitende Sequenz in der die Protagonisten vorgestellt werden und das Spionagespiel beginnt.

 

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  • 4 Wochen später...

KENNWORT 777

Prohibitionszeit in Chicago: Seit 11 Jahren sitzt Frank Wiecek (Conte) wegen Mordes an einem Polizisten im Gefängnis. Seine Mutter ist von seiner Unschuld überzeugt und setzt für eine entlastende Aussage eine Belohnung von 5000 Dollar aus. Reporter McNeal (Stewart) spürt dem Fall nach.

Es handelt sich um einen authentischen Fall, den Henry Hathaway nüchtern und sachlich, teilweise mit dokumentarischen Mitteln, erzählt. Ganz wie im ähnlich gelagerten THE WRONG MAN gibt es auch in KENNWORT 777 keinerlei Kintopp-Action und das Finale besteht lediglich im vermeintlich unspektakulären Bearbeiten einer Beweis-Fotografie. Und doch weiß der Film durchgehend enorm spannend zu unterhalten. So sind die Szenen zwischen McNeal und der Mutter des angeblichen Mörders von erschütternder Eindringlichkeit, und ein banaler Lügendetektor-Test besitzt mehr Thrill als manch ein Thriller. Neben Stewart und Conte ist vor allem die ansonsten kaum bekannte Kasia Orzazewski in der Rolle der Mutter zu nennen, die neben ihren berühmten Kollegen mit einer emotional höchst eindringlichen Darstellung beeindruckt.

Der Verzicht auf einen klassischen Score unterstreicht den semi-dokumentarischen Ansatz. Die kurze, wuchtige Overtüre stammt von Alfred Newman:

 

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Leo Erdody:  DETOUR  (1945)

Al Roberts hält sich als Pianist mehr schlecht als recht über Wasser. Zum Geld hat er eine klare Haltung: "Money. You know what that is. It´s the stuff you never have enough of (...) It´s the stuff that has caused more trouble in the world than anything else we have invented. Simply because there´s too little of it." Stimmt irgendwie. Auch seine Freundin träumt von einem besseren Leben und hat sich nach Hollywood abgesetzt, wo sie Karriere machen möchte. Al beschließt, ihr per Anhalter ins sonnige Kalifornien zu folgen und wird von dem Handlungsreisenden Haskell mitgenommen. Unterwegs kommt es zu einem tragischen Zwischenfall. Haskell stirbt völlig unerwartet. Al zieht sich im strömenden Regen die Kleidung des Toten an und reist mit dessen Wagen und Papieren weiter. Unterwegs nimmt er die Anhalterin Vera mit, die seinen Identitätstausch durchschaut.

Ursprünglich war mit DETOUR Größeres geplant. John Garfield, Ida Lupino, Ann Sheridan sollten auf die Besetzungsliste. Aber das Schicksal wollte es anders. Das Script von Martin Goldsmith, nach seiner eigenen Romanvorlage, wurde auf die Hälfte zusammengestaucht, die großen Namen gegen Tom Neal und Ann Savage eingetauscht, und auf dem Regiestuhl nahm der aus Österreich stammende Edgar G. Ulmer platz. Das alles erwies sich als Glücksfall, denn die 65 DETOUR-Minuten gehören zu den schwärzesten, die der Noir jener Tage zu bieten hat. Savage ist eine Alltags-Schönheit, der jeder Leinwand-Glamour fehlt, was ihrer weiteren Filmkarriere im Wege stand, hier aber dem authentischen Flair entgegenkommt. Ihre Darstellung der berechnenden, egozentrischen Vera ist superb. Es entwickelt sich eine archaische Zweckbeziehung zwischen gegenseitiger Verachtung und körperlicher Anziehung, und der Weg in den Abgrund scheint vom Schicksal vorbestimmt.

Auch und gerade auf die Musik verwendet Ulmer, der sich der europäischen Musikkultur verbunden fühlte, sehr viel Sorgfalt. Sein Komponist Leo Erdody nutzt eine Chopin-Melodie als Leitmotiv, und im DVD-Booklet bietet Thomas Willmann dazu eine interessante Interpretation an: (...) und in einem Film, der es so eilig hat, gestattet Ulmer Al mehrere Minuten zum Klavierspiel mit den ausgedehnten Boogie-Varianten über Brahms "Wiegenlied"-Walzer. Eine Szene, die demonstriert, wie europäische Hochkultur, vom Publikum unerkannt, ausgeschlachtet wird als amerikanisches Unterhaltungsfutter. Was der Soundtrack geschickt fortführt, mit seiner Leitmelodie, die man wahlweise als Chopins cis-moll "Fantasie Impromptu" hören kann, oder den alten Schlager "I´m always chasing rainbows".

 

 

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Na endlich! :)

Ich warte in deiner schönen Kolumne schon die ganze Zeit darauf, dass du dir diesen Streifen vornimmst. Für mich neben Maltese Falcon DER Film Noir schlechthin. Exzellentes Drehbuch, immer wieder neue, überraschende Wendungen, mit denen der Zuschauer in so einem B-Film überhaupt nicht rechnet. Und wie du schon sagst, das Vertonungskonzept ist brilliant.

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Es gibt DETOUR ja inzwischen auch in der Criterion Collection auf BD mit viel Doku-Material. Werde ich mir wohl auch zulegen, obwohl ich mit der Koch-Edition sehr zufrieden bin. Das dort verwendete Master mit den Beschädigungen und Verschmutzungen auf dem Zelluloid kommt der Atmosphäre eines derb-ruppigen B-Movies wie diesem zugute.

vor 13 Stunden schrieb Oliver79:

Leo Erdody lieh übrigens Tom Neal seine Hände für die Nahaufnahmen von seinem Klavierspiel.

Sehr guter Hinweis! Genau das habe ich mich nämlich gefragt. Es ist natürlich Nerd-Wissen vom Feinsten, aber immerwieder schön, solche kleine Details zu erfahren.:)

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Vor vielen Jahren gab es eine inoffizielle Reihe von neun Alben, auf denen Scores aus den zahlreichen erhaltenen Azetaten des Republic Pictures Archivs waren. Ich konnte nur das erste Album bekommen mit Musik aus King of the Texas Rangers/The Secret Service in Darkest Africa. War sehr gut produziert und hatte typisch für Republic Scores Musiken komponiert von einer Reihe der Hauskomponisten. Darunter waren auch einige Stücke von Erdody bzw. Erdödy. Habe sonst nie wieder etwas von ihm veröffentlicht gesehen.

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vor 16 Stunden schrieb Trekfan:

Erdodys Name wurde zwar nie im Zusammenhang mit Republic erwähnt , aber vielleicht hat er damals eine Handvoll Stücke beigesteuert und so etwas dazuverdient.

Wenn ich das richtig sehe, dann hat Erdody 1941 in Hollywood tatsächlich zunächst bei Republic angefangen, innerhalb eines ganzen Komponistenteams von 5-6 Leuten "uncredited" jeweils ein paar Tracks für dort produzierte absolute Billig-Western oder Serials zu schreiben. Die IMDB listet für 1941 da so einiges.
Erst im Jahr darauf, also 1942, ist er dann beim Poverty Row-Studio PRC unter Vertrag genommen worden und ab da bekam er bis zu seinem Tod Ende 40er immer einen richtigen Credit als Komponist.
Bruce Eder schreibt zu seinen Anfängen in Hollywood hier auch noch was, obwohl das mit dem offiziellen Credit als Orchestrierer bei TEXAS RANGERS eigentlich sonst nirgends zu sehen ist:

"A violinist, arranger, conductor, and composer, Erdody's earliest official movie credit was as an orchestrator on the Republic Pictures serial King of the Texas Rangers (1941), directed by William Witney and John English. He next turned up at Producers Releasing Corporation (PRC) in 1942."
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vor 16 Stunden schrieb Angus Gunn:

Ich kenne und kannte Erdody bisher nur im Zusammenhang mit "Detour". Er und Ulmer waren ja anscheinend auch privat befreundet. Die Album-Reihe mit den Republic-Azetaten ist interessant. Sind das CDs, oder war das noch zur Vinyl-Zeit?

Das waren CDRs, wohl kaum auch gepresste Scheiben. Jedenfalls hatte da jemand Zugang zu den Azetaten in BYU oder zumindest Transfers davon. Hier ist die Liste, die es damals gab. Ray Faiola, der einer der Produzenten der ganzen Max Steiner CDs basierend auf den Azetaten des BYU-Archivs ist, sprach noch 2014 davon, auch Alben zu Republic produzieren zu wollen. Leider hat sich da bekanntlich noch nichts ergeben.

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vor 43 Minuten schrieb Trekfan:

Das waren CDRs, wohl kaum auch gepresste Scheiben. Jedenfalls hatte da jemand Zugang zu den Azetaten in BYU oder zumindest Transfers davon. Hier ist die Liste, die es damals gab. Ray Faiola, der einer der Produzenten der ganzen Max Steiner CDs basierend auf den Azetaten des BYU-Archivs ist, sprach noch 2014 davon, auch Alben zu Republic produzieren zu wollen.

Ich habs jetzt über dieses Horror Film Board unten herausgefunden, wer es war, der diese Clefhanger Serials-CDs Ende der 90er Jahre produziert hat - der Mann hieß Woody Langley und Ray Faiola weiß einiges darüber zu berichten:

"No, no. Woody's the man alright. Woody has (had?) the master discs to the early Republic serial scores. I have Alan Barbour's high-speed open reel dubs from those discs. Alan also had a large cache of discs (they all came from Ivy Films who had and then discarded this material) which he eventually donated to BYU (one of the great film and film music libraries in the country).

I have tried for nearly 20 years to work out a licensing deal with Paramount (we only do legit releases) to release the Republic scores. But their legal machinery is worse than Warners. And the rights are complicated so I don't forsee anything in the near future until there is ANOTHER regime change." 

https://www.tapatalk.com/groups/monsterkidclassichorrorforum/republic-serials-please-bring-music-to-my-ears-t77616.html

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