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Hörgefallen durch filmmusikalische Anforderungen


Aquarius
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Elfmans Serenada Schizophrana hat mich auf dieses Thema gebracht.

Zusammenfassend habe ich neuerdings den Eindruck, dass wenn Filmkomponisten die Gelegenheit haben mal Abseits von recht hohen Restriktionen zu schreiben, was ja nur sehr selten vorkommt fallen die Resultate leider oftmals eher avantgardistisch aus. Einzig Goldenthals Vietnam Oratorium ist da nach meinem Kenntnisstand die Ausnahme. Ansonsten: Williamssche Nichtfilmmusik: atonale Sch....., Elfmans Serenada: engagiert, aber vom Hörgefallen her für die Schublade komponiert.

Kurz: Offenbar fühlen sich Komponisten, wenn sie denn frei schreiben können immernoch dem Dissonanzenwahn sogenannter Avantgarde hingezogen.

Schreiben sie aber den Anforderungen der Filmmusik gehorchend, dann fallen ihnen auf einmal minimalistischen Sounds eines Philip Glass, spätromatisch symphonische Orchesterfülle und vor allem Dingen Melodien mit grossem Hörgefallen ein. Nur bei Szenen, die musikalisches Unbehagen als Untermalung benötigen wird auch mal gerne dissonant komponiert, was ja dann auch angebracht ist.

Ich habe nun den Eindruck, dass um allgemeines Hörgefallen sicherzustellen es aktuell leider immer noch nötig ist aktuell schreibende Komponisten gewissermassen im abgesicherten Modus arbeiten zu lassen.

Das ist für mich die einzige logische Erklärung, warum ausserhalb der Filmmusik fast nichts allgemein gefallendes Neues komponiert wird.

Wie seht ihr das?

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Gast Stephan Eicke

Sag mal, zur Hölle, welche klassischen Werke von Williams hast du denn gehört? :(:rolleyes::applaus:

Atonal ist geil. Ich habe lange gebraucht, um mich damit anzufreunden, aber mittlerweile liebe ich die Klangwelten Stockhausens und Pendereckis. Ich sehe das also ganz anders.

Michael Kamens Orchesterwerke klingen sehr schön- nicht atonal, sondern sehr harmonisch mit Parallelen zur Filmmusik; Morricones Orchesterwerke sind Avantgarde, atonale Stücke mit Mut zur Experimentierfreudigkeit, Elfmans SERENADA ist- einfach nur toll und lustig :D Höre ich sehr gerne :) Delerues klassische Werke sind ebenfalls harmonisch. Wen gibts da noch? Goldis CHRISTUS APOLLO kenne ich leider noch nicht :( Bernsteins CONCERTO FOR GUITAR- harmonisch.

Bisher habe ich überwiegend die Erfahrung gemacht, dass Filmmusikkomponisten eher harmonisch schreiben, wenn sie klassische Musik machen.

Mir ist Avantgarde tausendmal lieber als die Klassik eines Philip Glass, bei dem ein Frauenchor in Staccato 17 Minuten lang nur lalala singt. Bei eben solch einem Stück musste ich mich fast übergeben, denn das weicht einem echt die Murmel auf. Ich schau nochmal nach, wie diese Grütze mit Namen hieß :rolleyes:

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Gast Stephan Eicke

np: Philip Glass: MUSIC IN TWELVE PARTS Cd2 Part 5

Das ist es- und schon wieder wird mir schlecht. Wie kann man sich das denn anhören?? Da wird man wirklich irre.

Jetzt höre ich mur seine LOW SYMPHONY an. Die ist gut!

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Ich bin echt erstaunt. An welchen Stellen ist die Serenada Schizophrana von Elfman denn atonal?

Sicher ist dieses sehr interessante Werk nicht dissonanzenfrei aber es wäre auch sehr langweilig, wenn dem so wäre.

Ich glaube, du musst da einfach noch ein bisschen genauer hinhören, denn die Motive und Strukturen sind wirklich sehr schön und auch eingängig.

Das beste Beispiel dafür ist der Track "I Forget", der für mich das Zentrum der Komposition ist. Was daran kein Hörgefallen bereitet, musst du mir mal erklären!

Seltsam finde ich, wie man Filmmusikliebhaber sein kann, ohne atonale oder auch sehr dissonante Musik zu mögen. Die Verbindung griffiger Themen mit dissonanten Strukturen macht für mich immer einen besonderen Reiz in der Filmmusik aus.

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Gast Stephan Eicke

Also dieses Thema hat mich nicht losgelassen. Was für ein Unsinn! Ich zähle mal ein paar Werke von Filmkomponistren auf, die nicht dissonant sind.

Michael Kamen:

CONCERTO FOR SAXOPHON

GUITAR CONCERTO

THE NEW MOON IN THE OLD MOONS ARMS

CUT SLEEVES

Rachel Portman:

THE LITTLE PRINCE

FOR JULIAN

RHAPSODY

Howard Shore:

PIANO FOUR

HUGHIE

Patrick Doyle:

THE THISTLE AND THE ROSE (Wär' auch lustig gewsen, das Konzert für Queen Mom dissonant zu gestalten ;) )

Craig Armstrong:

PIANO WORKS

Joe Hisaishi:

PIANO STORIES I- IV

Bruce Broughton:

A PRIMER FOR MALACHI

Michael Nyman:

STRING QUARTET No.1- No.2

Elmer Bernstein.

CONCERTO FOR GUITAR

Georges Delerue:

CONCERT FOR HARP AND ORCHESTRA

Malcolm Arnold:

SYMPHONIES No.1- No.9

Jetzt auf die schnelle fällt mir nichts mehr ein, aber ich denke nach und werde es dann nachtragen. Gute Idee, klassische Werke von Filmkomponisten mal aufzulisten. :)

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danecos schreibt:

"An welchen Stellen ist die Serenada Schizophrana von Elfman denn atonal?

Seltsam finde ich, wie man Filmmusikliebhaber sein kann, ohne atonale oder auch sehr dissonante Musik zu mögen."

Atonal ist da nichts, aber wie schon gesagt diese Musik langweilt mich einfach mit ihren letztendlich unaufgelösten Disharmonien. Ich als Hörer fühle mich allein gelassen in einer glibberigen Sauce aus unfassbaren Klanggebilden. Aber das scheint ja hier tatsächlich vom Komponisten so gewollt zu sein damit ein gewisses Aussichtslosigkeitsgefühl eines an Schizophrenie Leidenden rübergebracht werden kann. Hätte Elfman da doch wenigstens am Ende ein musikalisches Psychopharmakon in Form einer harmonischen Auflösung all dieser Disharmonien gebracht, dann würde ich dieses an sich nicht üble Werk vielleicht doch noch zumindest interessanter finden.

Ansonsten: Natürlich ist es reizvoll, ja fast schon essentiell, dass in Filmmusik ein Wechselspiel zwischen Konsonanz und Dissonanz vorliegt. Das wird ja schon durch die Handlung des Films determiniert. Aber das Ganze muss symphonisch schlüssig sein. Im Film ist es die Handlung. In der freien Musik aber ist es ein vom Komponisten zu bestimmendes symphonisches Konzept, egal ob mehr oder weniger von einschlägigen Schemata eingerahmt oder nicht.

Ich kann es nur immer wiederholen: Von den ganzen Filmkomponisten hat es meiner Meinung nach in beiden Disziplinen bisher nur Elliot Goldenthal wirklich nachhaltig und überzeugend geschafft immer das richtige Konzept zu jeder gestellten kompositorischen Aufgabe zu finden. Auch, wenn mir einige Sachen dabei gar nicht gefallen. Aber das liegt dann schlichtweg in erster Linie am vertonten Programm ( am Film ). So kann ich - wie schon mehrfach gesagt - mit Frida, SWAT, und desweiteren auch mit Sachen, wie beispielsweise Othello nichts anfangen und das sind allesamt grossartige Kompositionen.

Komponisten, wie John Williams hingegen haben es bisher "nur" geschafft auf dem Gebiet der reinen Filmmusik mich nachhaltig zu überzeugen. Seine freien Kompositionen sind bisher nur rein atonale Kost und da geht bei mir nun mal fast gar nichts, denn ich mag nun mal keine Musik jenseits des biologisch vorbestimmten menschlichen Strebens nach letztendlich harmonischen Klängen. Diese Harmonien scheinen übrigens auch Meeressäuger, wie Delphine und Buckelwale zu kennen: Wenn man sich mal deren "Gesänge" anhört wird man dabei so gut wie keine Disharmonien wiederfinden. Diese Tonfolgen erinnern teilweise an minimalistische Klangreihen eines Philip Glass!

Ich möchte Philip Glass`Musik für sich nicht überbewerten, aber dieser Mann hat neben Steeve Reich und John Adams mit seinen minimalistischen, aber rein harmonischen Kompositionsprinzip ein wichtiges Gegengewicht zu den anderen durchwegs disharmonischen neuen Kompositionsprinzipien geschaffen.

So ist es wieder einmal Elliot Goldenthal, der es ganz besonders gut versteht in einigen seiner Schlüsselwerke ein wohldosiertes Gleichgewicht zwischen Spätromantik ( als höchste Evolutionsstufe der nonatonalen Musik vor Philip Glass gemeint ), dissonanten Klängen, wie sie auch bei atonaler Musik vorkommen und den Pattern der Minimalistik zu erreichen.

So und nicht anders kann es meiner Meinung nach evolutionsmässig weitergehen. Sowohl rein atonale Musik als auch rein minimalistische Musik führt so gesehen letztendlich in eine Sackgasse.

Erst die richtige Mischung macht es. Das war schon immer so, nur waren die musikalischen Entwicklungen bevor atonal komponiert wurde subtiler ( beispielsweise die Einführung der Chromatik - sinngemäss Tonartenwechsel innerhalb einer Melodie in der Romantik... )

Das lässt meiner Meinung sogar die gewagte Aussage zu:

Nur das symphonische Werk, welches es schafft diese drei Prinzipien mit dem letztendlichen Ziel eine gewisse Harmonie anzustreben wohldosiert zu kombinieren kann den Anspruch erheben musikalisches Neuland betreten zu haben.

Zur Liste vom Soundtrack Freak:

Die Symphonien von Malcolm Arnold sind mir in der Tat entgangen...

Ich kann aber selbst auch noch etwas Lohnendes hinzufügen:

Ryuichi Sakamoto: Discord ( ist quasi eine Symphonie ); BTTB ( ist ein tolles Klavieralbum ) Insbesondere Discord lohnt sich - schon mal wegen dem phenomenalen Finalsatz mit dem vielsagenden Titel Salvation.

Ist doch immer wieder faszinierend, wie sehr Filmmusik die weitere Entwicklung symphonischer Musik inspiriert hat und weiterhin inspirieren wird!!!

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Ich glaube, die Nutzung des Begiffes des "musikalischen Psychopharmakons" zeigt sehr schön, in welcher Sackgasse sich dein Denken befindet, denn gerade der Wunsch nach der letztendlich auflösenden Schlussharmonie ist meiner Meinung ein Anspruch, der die Musikentwicklung eher hemmt, als sie vorranbringt.

An dieser Stelle möchte ich dir die 3. Symphonie "Kaddish" von Leonard Bernstein an Herz legen, in der er Ähnliches tut. Denn in diesem fast ausschließlich zwölftönigen Werk kommt es kurz vor dem Ende zu einem diatonischen Ausbruch, der natürlich einen unglaublichen Effekt erzielt. Trotzdem bleibt Bernstein nicht auf dieser Stufe stehen, sondern beschließt sein Werk in einer großen zwölftönigen Fuge, die den inhaltlichen Konfikt dieses Werkes und desses Auflösung um einiges an die Tiefe hinzufügt, was einem plumpen Durschluss niemals gelungen wäre.

Deinen Versuch, den Wunsch nach der Harmonie in der Musik quasi evolutionistisch zu begründen, empfinde ich als misslungen. Schließlich geben 99% aller Tiere, die sich akkustisch verständigen, Geräusche von sich, weshalb eine Entwicklung vom Ton(sinusförmige Schwingung) weg zum Geräusch(nichtsinusförmige Schwingung) viel logischer und sinnvoller erscheinen würde. Zumal Geräusche auch viel komplexer sind, als Töne. Doch letztendlich kann man die Entwicklung der Musik nicht als evolutionären Vorgang betrachten und auch nicht mit den Prinzipien des Darwinismus erklären. Es ist einfach der Wunsch des Menschen nach neuen Klängen und Tonverbindungen, der diese vorrantreibt und nicht durch irgendwelche äußeren Faktoren gegeben.

Meiner Meinung nach ist die minimalistische Musik keinesfalls als Fortschritt aus der Sackgasse der Atonalität zu betrachten. Sie ist vielmehr eine Modeerscheinung, die sich statt auf neue Wege eher auf die Simplifizierung alter Wege begibt.

Was mir auch auffiel ist, dass du die Im- und Expressionisten in deiner kleinen musikgeschichtlichen Zusammenfassung ausgelassen hast, weswegen du die Grenzen zwischen der Chromatik und der Diatonik größer machst, als sie in Wirklichkeit sind. Schließlich sind die Tonartschichtungen eines Stravinsky schon sehr wegweisend für die vollkommende Freiheit der Töne von den Funktionen, die sie in der Zwölfton- und in der seriellen Musik erlangten.

Aus diesem Grunde kann und darf man die Spätromantik nicht als das Ende von irgendetwas betrachten. Sie ist ein Bindeglied und auch ein bisschen ein Relikt, dem manche nachtrauern mögen.

Mein Resümee:

Ein diatonischer Schluss kann und darf nicht Regel für ein symphonisches Werk sein, denn dies würde die Weiterentwicklung behindern und zu einer Monokultur führen. Ähnlich verhielte es sich, wenn man von jeder Symphonie verlangen würde, dass sie mit einem schnellen Satz beendet werden müsste. Dieses Beispiel zeigt gut, dass gerade die Ausnahmen, zum Beispiel die 6. Symphonie von Tschaikowski besonders reizvoll sind.

Die Minimal Music ist eine allgemein überschätzte Modeerscheinung, die der Musikentwicklnung keine neuen Akzente gebracht hat.

Der Wunsch, durch die Mischung alte Stilrichtung eine neue Musikrichtung hervorzubringen erscheint mir nicht der richtige Weg zu sein, denn Innovation entsteht eher durch eine neue Idee, die sich möglicherweise alter Stilmittel bedient, doch diese sind Mittel zum Zweck und nicht Zentrum der neuen Idee, denn sonst hätten wir nur einen musikalischen Frankenstein ohne Leben.

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@ danecos

Offensichtlich haben wir beide eine grundlegend unterschiedliche Auffassung darüber, wann man ein Werk als symphonisch bezeichnen darf.

Meiner Meinung nach gilt, dass man schon mal hinsichtlich der elementaren Wortbedeutung unter einer symphonischen Arbeit etwas versteht, das gemäss gewisser musikgeschichtlich entstandenen und gereiften Kompositionsprinzipien einen „Zusammenklang“ darstellt. Hinzu kommt, dass dieser Zusammenklang entweder aufgrund der verwendeten musikalischen Themen selbst oder aber aufgrund eines zugrundeliegenden Programmes ein in sich geschlossenes Ganzes mit definiertem Anfang, Mittelteil und Ende darstellen sollte, wobei das Ende gewissermassen einen Ringschluss mit dem Anfang bilden sollte.

Damit sind sowohl freie Symphonien, als auch symphonische Dichtungen und entsprechend angelegte Filmmusiken mit eingeschlossen.

Zugegeben: Nachdem es ca in den 1920 er Jahren als „chic“ galt sich vom grossen Publikum mittels Aufgabe der bis dahin geltenden tonalen Prinzipien abzuwenden wurden darauf basierend nach meinem Geschmack viel zu lange viele – auch gemäss obenstehender Beschreibung – symphonische Werke komponiert. Sind bei diesen Werken defakto die Harmoniegesetze gebrochen worden, gehorchen sie aber immerhin weiterhin der Bildung eines in sich abgeschlossenen Ganzen. Auch Kaddish macht da diesbezüglich keine Ausnahme!

Marsco schrieb weiter oben, dass Kunst nicht unbedingt gefallen muss: So gesehen ist – zumindest für einer eingeweihten avantgardistischen Minderheit - bei der Musik auch ein Bruch mit den dem allgemeinen Hörgefallen entgegenkommenden Harmonien denkbar.

In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts – später noch durch die unter anderem von fernöstlicher Mystik inspirierten 1968 er Bewegung erst richtig forciert – hatten einige findige Komponisten die Idee innerhalb der seriellen Musik eine weitestgehend harmonisch angelegte auf Klang – und Rhytmusmustern beruhenden Kompositionstechnik – der Minimalistik eben – zu etablieren.

Für sich genommen, aufgrund einer nicht von der Hand zu weisenden Sterilität nicht als der Weisheit letzter Schluss geeignet, war es somit erstmalig immerhin möglich ohne epigonal komponieren zu müssen neue Werke mit einer Chance auf breitbandigeres Hörgefallen zu komponieren.

In meinen Augen wird heutzutage nun immer überzeugender durch geschicktes Kombinieren von spätromantisch anmutenden Klangkosmen mit mystischen Klang und Rhythmusmustern und gewürzt mit bisweilen recht disharmonischen atonal anmutenden Einsprengseln der symphonischen Grundidee gerecht werdend komponiert. Leider beherrscht dies derzeitig nur Elliot Goldenthal auch jenseits der strengen Restriktionen der Filmmusik.

Das alles degradiert meines Erachtens nun alle Werke, die beispielsweise nahezu rein atonol angelegt wurden zu unzeitgemässen bestenfalls im Rahmen eines „Musikmuseums“ konservierungswürdigen Nischenprodukten. Dieses Konservieren ist schon mal deshalb sehr wichtig um irgendwann einmal daraufhin sicherlich kopfschüttelnden Museumsbesuchern darüber glaubwürdig berichten zu können. Ohne Beweis wird es einst mal ansonsten sicherlich sehr sehr schwierig sein auch nur EINEM von der wahrhaftigen Existenz solcher klanglichen Ungetüme zu überzeugen.

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Das alles degradiert meines Erachtens nun alle Werke, die beispielsweise nahezu rein atonol angelegt wurden zu unzeitgemässen bestenfalls im Rahmen eines „Musikmuseums“ konservierungswürdigen Nischenprodukten. Dieses Konservieren ist schon mal deshalb sehr wichtig um irgendwann einmal daraufhin sicherlich kopfschüttelnden Museumsbesuchern darüber glaubwürdig berichten zu können. Ohne Beweis wird es einst mal ansonsten sicherlich sehr sehr schwierig sein auch nur EINEM von der wahrhaftigen Existenz solcher klanglichen Ungetüme zu überzeugen.

Das ist ein rein auf Geschmackskriterien gefälltes Urteil - steht dir ja auch zu, aber ich bin da anderer Meinung.

Ich glaube fest daran, dass ein Künstler seine persönliche Sprache finden muss - wenn er sich dafür an die Traditionen klammern will, dann soll er es tun, aber wenn er es eben nicht will, ist das auch begrüßenswert und nichts Wertloses. Der letzte Absatz von deinem Posting wirkt jedenfalls reichlich engstirnig. Es ist mir dann auch wurscht, ob das dann noch den sinfonischen Formenbegriff erfüllt oder nicht. In allen kreativen Bereichen sind Regeln dazu da, dass man sie bricht.

Übrigens hätte es ohne die rein atonalen Kompositionen vieles in Goldenthals Werken nicht gegeben, was da jetzt so drin steckt. Goldenthal ist auch einer meiner Lieblingskomponisten - aber es ja nun nicht so, dass seine dissonanten Kompositionstechniken etwas Bahnbrechend Neues sind. Er greift da auch auf Techniken zurück, die Leute wie Penderecki oder Lutoslawski entwickelt haben. Das Originelle bei ihm ist eher, wie er Stilismen kontrastiert.

Achtung, Kulturpessimismus:

Orchestrale Musik ist heute schon ein Nischenprodukt. Und jetzt kommt mir nicht mit den hohen Verkaufszahlen von "Titanic" und "Star Wars" - die Mehrheit der Bevölkerung empfindet sowas doch als Filmsouvenir, als Fanartikel.

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Übrigens hätte es ohne die rein atonalen Kompositionen vieles in Goldenthals Werken nicht gegeben, was da jetzt so drin steckt. Goldenthal ist auch einer meiner Lieblingskomponisten - aber es ja nun nicht so, dass seine dissonanten Kompositionstechniken etwas Bahnbrechend Neues sind. Er greift da auch auf Techniken zurück, die Leute wie Penderecki oder Lutoslawski entwickelt haben. Das Originelle bei ihm ist eher, wie er Stilismen kontrastiert.

Natürlich bedient sich auch EG solcher Klänge. Insbesondere halte ich vieles von seiner noncinealen Musik als frühe Vertreter einer zukünftigen Musik. Das ist doch überhaupt kein Wiederspruch zu dem von mir gesagtem: Weise ich doch mehrmals darauf hin, dass diese zukünftige Musik "dissonante Sprengsel" ( damit zitiere ich mich gewissermassen selbst ) enthält und zwecks Sicherstellung einer gewissen Variationsbreite und Expressivität auch enthalten muss. Sprengsel aber nicht durchgehendes Prinzip: Dafür und für nichts anderes hat die atonale Musik letztendlich hilfreich vorantreibende Arbeit geleistet.

Ansonsten kann ich immer immer wieder nur sagen: Es ist schlichtweg eine TATSACHE und damit nicht mehr individuell geschmacksgebunden, dass eine Musik, die sich prinzipiell den Harmoniegesetzen querstellt und dazu gehören systematisch ausnahmslos ALLE atonalen Werke schon mal deshalb einfach kein allgemeines Hörgefallen haben können. Dies trägt nicht gerade zu einer problemlosen zeitlosen Überdauerung bei. Einer theoretischen Umfrage an 100 zufällig herausgesuchten Personen wird man demnach bei Beethovens Musik eine mindestens 80 % ige Bekanntheit und bei beispielsweise der atonalen Musik Schönbergs eine eher unter 5 % ige Bekanntheit herausfinden. Ich habe hier bewusst extrem bekannte Komponisten gewählt, damit die theoretische Chance besteht, dass die meisten zumindest deren Namen schon mal gehört haben.

Zur Beliebtheit von symphonischer Musik allgemein kann ich überhaupt nicht erkennen, dass da der Bedarf signifikant sinkt. Da gibt es noch neben Vorliegendem noch genug andere Foren, die diesen Bedarf deutlich unterstreichen. Man darf dazu natürlich nicht die Medienverkäufe heranziehen: Diese gehorchen seitdem man Musik aus dem Netz auf oftmals sehr verschlungenen Wegen erhalten kann längst nicht mehr nachvollziehbaren Regeln und entziehen sich somit jeglicher Möglichkeit daraus einen Bedarfstrend sicher ableiten zu können.

Irgendwann muss man es letztendlich auch bei tolerantestem Kunstverständnis einfach als unumstössliche Tatsache akzeptieren, dass atonale Musik als werktragendes und damit eigenständiges Kompositionsprinzip ungeeignet ist die Zeit zu überdauern.

Meinungen kann man anfechten, aber Tatsachen...???

Es ist schon verflixt, dass diejenigen, die von sich behaupten atonale Musik WIRKLICH zu mögen, ausnahmslos auch Meister im Formulieren ihrer Rechtfertigungen dafür zu sein scheinen.

Auch wenn ich Gefahr laufe nun sogar völlig abgehoben zu wirken:

So hat beispielsweise die atonale Musik mit all ihren grausamen Dissonanzen damals das drohende Unheil beider Weltkriege klanglich vorweggenommen. Ein weiterer Beweis dafür, dass ihre Zeit damit glücklicherweise hoffentlich ein für alle mal Geschichte ist. Konsequenterweise kann dann heute eine um ein harmonisches und rhythmisches Zentrum komponierte letztendlich versöhnende auf der ganzen Welt verständliche Musik, wie beispielsweise das Vietnam-Oratorium von Goldenthal wundervoll zeigt, vielleicht auf eine bessere Zukunft hinweisen als der derzeitige wahrhaftig desolate Zustand es vermuten lässt...

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Klar mag die Mehrheit keine atonale Musik - aber bei Kunst sollte es darum gehen, etwas auf eine persönliche Art auszudrücken -mit allen möglichen Mitteln, also auch mit der von dir so geschätzen Spätromantik, aber eben nicht ausschließlich-, und nicht irgendwelchen Massengeschmack zu erfüllen. Sowas ist dann bloß noch Anbiedern an ein vom Markt gewünschtes Schema und nichts künstlerisch Relevantes.

Und das Argument mit dem Weltkrieg zählt auch nicht. Auf dem ganzen Planeten gibts so viele bewaffnete Konflikte wie noch nie - das kriegen wir hier in Europa zwar diesmal nicht mit, aber der Eindruck, dass sich die Welt seit den Weltkriegen friedlicher verhält, ist schon statistisch gesehen falsch. Und wer weiß, wie es auf diesem Planeten erst zur Sache geht, wenn das Öl erst mal so richtig zu Ende geht?

Und auch das alltägliche Leben wird doch eigentlich immer hektischer. Da mag entspannende Musik ganz gut sein, sich davon abzulenken - aber genauso gut sollte die Musik auch diesen Zustand beschreiben können.

Für mich (und ich weiß, dass ich in einer Minderheit bin - aber zumindestens nicht alleine) sollte Kunst nicht nur gefällig sein, sondern muss uns auch mit unseren Schwächen und Schattenseiten konfrontieren. Das geht nicht mit Wohlklang alleine - und auch nicht mit ein paar Alibi-Einsprengseln von Dissonanz, die man dem Zuhörer "gerade noch mal zumuten kann." Kunst muss auch mal wehtun!

Ich möchte jetzt auch nicht die Spätromantik abschaffen, versteh mich nicht falsch. Aber den Absolutismus, mit dem du "Neue Musik" von der Zukunft ausschließen willst, halte ich für falsch und übrigens auch nicht für wahrscheinlich. Menschliche Ausdrucksweisen sind so vielseitig, dass es immer eine Koexistenz von Althergebrachtem (nicht negativ gemeint) und einer wie auch immer aussehenden Avantgarde geben wird.

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Gast iLLumination

sehe das auch so. kunst reflektiert ja im grunde nur die gefühle, ansichten, interpretationen etc des künstlers. praktisch ein spiegel der seele. da jeder mensch unterschiedlich ist, fällt die kunst natürlich auch unterschiedlich aus. da mag der ien halt eher die tollen harmonischen sachen und der anderen die krass-bizarre avant-garde. der eine regisseur denkt, dass gewalt in seinen filmen eine notwendigkeit ist, der andere hat noch nie einen film mit nem tropfen kunstlut gedreht. wüsste jetzt nicht, wie man sich anmaßen darüber zu urteilen, was nun richtig ist und was nicht. kunst ist im endeffekt relativ, da sie ja auch von den konsumenten unterschiedlich aufgenommen wird

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@ Marsco:

Ich glaube es ist langsam Zeit, dass ich meine bisherigen Ansichten entschieden abschwächen muss, ohne aber davon abzukommen, dass ich mir eine „Neue Musik“, wie von mir oben beschrieben weiterhin als interessante Spielart herbeisehne:

Deine Aussagen wie:

„... Und wer weiss, wie es auf diesem Planeten erst zur Sache geht, wenn das Öl erst mal so richtig zu Ende geht? Und auch das alltägliche Leben wird doch eigentlich immer hektischer. Da mag entspannende Musik ganz gut sein, sich davon abzulenken – aber genauso gut sollte die Musik auch diesen Zustand beschreiben können“

und: „... „Kunst muss auch mal wehtun“

sind aufgrund ihrer zwingenden Logik geeignet mir doch endlich mehr Verständnis und – was viel wichtiger ist mehr AKZEPTANZ – auch aktueller avantgardistischer Werke zu verleihen.

Ich muss zugeben, als ich diese Antwort las habe ich mich gleich an meine Anlage gesetzt und brav den Matrix 5 Penderecki – Sampler von EMI ( die mit dem grünen Cover ) aufgelegt und .... komplett durchgehört!

Was ich bis vor kurzem nie geglaubt hätte: Insbesondere die drei letzten Stücke darauf: Canticum Canticorum Salomonis; De Natura Sonoris No. 2 und The Dream Of Jacob haben mir dabei sogar richtig gut gefallen. So gut sogar, dass ich sie bestimmt noch gerne des öfteren hören werde. Letztendlich finde ich bei diesem Album nur noch das Bandrauschen störend, nicht aber die Musik. Muss wohl an der Lautstärke liegen, die ich eingestellt habe um auch ja nicht eines der vielen feinen Details dieser extrem dichten Musik zu verpassen.

Was kein Klassikforum bisher geschafft hat: Hier wurde ich auf eine überhaupt nicht überhebliche Art und Weise dazu animiert endlich den letzten weissen Fleck auf meiner persönlichen Musiklandkarte nach und nach freiwillig auszufüllen.

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Gast iLLumination

Was kein Klassikforum bisher geschafft hat: Hier wurde ich auf eine überhaupt nicht überhebliche Art und Weise dazu animiert endlich den letzten weissen Fleck auf meiner persönlichen Musiklandkarte nach und nach freiwillig auszufüllen.

ach, diese klassik-freaks sind echt die schlimmsten. jemand in einem anderen forum hat mal den ausdruck "klassik-nazi" benutzt. fand ich recht amüsant, aber auch irgendwie passend :/

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Keine Bange um meinen bisherigen Musikgeschmack. Das alles wird nur meinen Horizont um das entscheidende Stückchen erweitern, damit ich endlich von jedem Vorurteil losgelöst den wahren Inhalt jedes individuellen Musikstücken besser erkennen zu können und dann - unabhängig von den eingesetzten Kompositionstechniken - frei entscheiden kann, ob es bei einem einmaligen Kennenlernen bleibt, oder aber ob mir auch ein Wiederhören desselben Musikstückes weiterhin Freude bereiten kann.

Es ist nun mal auch in der Musik so: Halbe Eier rollen nicht.

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