Hat jedes Lied eine Struktur?

[Bernd Junker]

Guten Morgen,

ich streite mich gerade mit jemanden darüber, daß ich die Behauptung aufgestellt habe, daß jedes Lied oder Instrumental-Stück eine Struktur hat.

Habe ich mich da zu weit aus dem Fenster gelehnt oder habe ich Recht?

Meine Behauptung resultiert daraus, daß z.B. in der Pop-Musik die meisten Stücke ein gewisses Intro haben, dann 1x Strophe, 1x Refrain, 1x Strophe, 1x Refrain, 1x Break (oder wie man das auch nennen mag), 1x Refrain und zum Schluß eine Art Outro.

Kann das jemand bestätigen? Hat einer von Euch einen Quelle, in der genau beschrieben wird, ob jede Art von Musik eine Struktur besitzt?

Über sachdienliche Hinweise freue ich mich

Junker

[Gast iLLumination]

ja, ihc denke schon. vor allem bei songs ist das halt ganz einfahc mit refrain, strophe etc und bei z.b. symphonien hat man ja auch passagen, die eigene namen tragen, halt dieses italienische zeugs, allegro und sowas. also bei solchen großen kompositionen haben die komponisten imho zuerst eine grundstruktur kreirt, bevor es zur eigentlichen arbeit ging. und bei fugen oder sowas wird in der regel ja auch zuerst das thema präsentiert

[Gast Musikhörer]

Ich glaube gerade im SingerSongwriter-Bereich wird diese Struktur nicht immer so eingehalten.Meistens werden musikalisch Geschichten erzählt...BRIGHT EYES hat das, früher zumindest, nie so gemacht...das waren Geschichten, die er erzählt hat....

[danecos]

Leider muss ich dich enttäuschen, Bernd, aber nicht jedes Lied hat eine Struktur, wie du sie versuchst zum umschreiben.

Was du meinst, sind formale Einheiten, die an eine Grammatik erinnern. Sicher sind eine Vielzahl von Lieder nach solchen Schemata aufgebaut, aber

es gibt auch Lieder, die sich allein am Text und Inhalt orientieren und in denen keine Wiederholungen vorkommen. Manche Kunstlieder sind Beispiel dafür.

Aber ohne Wiederholungen gibt es auch keine Struktur.

Quod erat demonstrandum!

[Bernd Junker]

Manche Kunstlieder sind Beispiel dafür.

Aber ohne Wiederholungen gibt es auch keine Struktur.

Quod erat demonstrandum!

Du nennst sicherlich noch Beispiel, oder?

Sind diese alle der Klassik zuzuordnen?

[danecos]

Du nennst sicherlich noch Beispiel, oder?

Sind diese alle der Klassik zuzuordnen?

Es gibt sicher auch in anderen Bereichen solche Lieder. Das Problem ist, dass Lieder nicht so wirklich mein Metier sind. Außerdem stellt sich die Frage, wie eng man die ganze Sache sieht.

Ein Beispiel für eine meiner Meinung nach text- und somit strukturunabhängige Liedkomposition ist das Credo aus der Missa Criolla von Ariel Ramirez.

Natürlich gibt es auch hier motivische Wiederholungen, doch sind diese ungeordnet und keine festen Struktur zuzuweisen.

Bei symphonischer Musik sind strukturlose Beispiele leicht zu finden. (Immer im Sinne einer Form oder Grammatik.)

Viele Programmmusiken, wie La Mer von Debussy gehören dazu.

[Alexander Grodzinski]

Im weitesten Sinne könnten dann auch einige Stücke von Tom Waits dazugehören, wie beispielsweise "What´s he building in there?" oder "The ocean doesn´t want me", in denen Waits eigentlich "nur" eine Geschichte erzählt und die Musik im Hintergrund eher als Klangkulisse dient, ohne Strukturen, wobei der Text hier die Struktur vorgibt.

[danecos]

Im weitesten Sinne könnten dann auch einige Stücke von Tom Waits dazugehören, wie beispielsweise "What´s he building in there?" oder "The ocean doesn´t want me", in denen Waits eigentlich "nur" eine Geschichte erzählt und die Musik im Hintergrund eher als Klangkulisse dient, ohne Strukturen, wobei der Text hier die Struktur vorgibt.

Ja, könnte man. Das Problem ist letztendlich immer die Definition von Struktur. Deshalb ist der Threadtitel auch ein bisschen irreführend. Denn Struktur steht letztendlich für Ordnung und Wiederholung.

Wenn man es aber genau nimmt, ist schon ein einziger Ton eine Struktur, da er ja aus einer sinusförmigen Schwingung besteht. Da die Amplituden immer gleichmäßig auftreten, ist hier eine Wiederholung und damit auch eine Ordnung gegeben. Er hat eine Struktur! Somit jedes Musikstück, dass aus Tönen besteht im weitesten Sinne eine Struktur!

Aber ich glaube, das führt hier zu weit.

[Gast GiorgioKiwi]

Gibt es nicht auch die Gattung (oder was auch immer) "Fantasie"?

laut definition ist diese nicht Formgebunden und der Komponist kann sich so richtig austoben. Und wenn er frei von jeder Ordnung Thema an Thema reiht und hier n Tönchen da n Tönchen ist das für mich noch keine Struktur.

Und falls man mir hier widersprechen will, ist es doch im 21.Jh kein musikalisches Unding mehr mal ebenso was ohne "Struktur" zu schreiben, oder?

Aber bei Liedern, besonders wenn ich an Popmusik denke, sollte überall ne Struktur vorhanden sein, beim HipHop bin ich mir da nicht mehr so sicher.

[HamburgerSchueler]

Einige Patrick Wolf lieder entsprechen ganz sicher nicht dem von dir aufgeführten "Shema". Magpie von ihm zum Beispiel. Oder auch einige "Tocotronschen - Klangschöpfungen" könnte man hier anführen.

Wie zum beispiel auf dem Album KOOK "jenseits des Kanals", "Die neue Seltsamkeit", "die grenzen des Guten Geschmacks 2" und und und...

Gruß Jakob