Night Crossing - Jerry Goldsmith

[Gast Christoph81]

Night Crossing - Jerry Goldsmith

Label: Intrada

VÖ: 1982 (Limited Edition: 1994)

Tracklist:

01. Main Title

02. All In Vain

03. The Picnic

04. Plans

05. Success

06. First Flight

07. The Patches

08. Tomorrow We Go

09. No Time To Wait

10. Final Flight

11. In The West

Limited Edition

01. Prologue

02. Main Title

03. The Market

04. All In Vain

05. The Picnic

06. Plans

07. First Test

08. Too Much Work

09. Success

10. First Flight

11. The Car

12. The Patches

13. Short Of Time

14. Tomorrow We Go

15. The Chemist

16. No Time To Wait

17. Final Flight

18. In The West

19. End Credits

Spielzeit: 47:09 (Limited Edition: 58:43)

Review

"Night Crossing" (dt. Titel: "Mit dem Wind nach Westen") ist eine Disney-Produktion aus dem Jahr 1981. Der Film erzählt (basierend auf wahren Begebenheiten) die Geschichte zweier Ostdeutscher Familien denen die Flucht in den Westen mit Hilfe eines selbstgebauten Heißluftballons gelingt. Neben einer illustren Schauspielerbesetzung (neben John Hurt und Beau Bridges sind auch Klaus Löwitsch und Sky Dumont in Nebenrollen zu bewundern) bietet "Night Crossing" vor allem eine der wohl schönsten Arbeiten von Jerry Goldsmith.

Dieser befand sich Anfang der 80er auf dem Höhepunkt seines Schaffens und lieferte ein Glanzstück nach dem anderen ab. Noch im selben Jahr ('81) folgten "The Final Conflict" und "Masada", im Jahr darauf "Poltergeist", "The Secret of NIMH" usw...

Goldsmith's Score zu "Night Crossing" ist in seiner breiten symphonischen Anlage beispielhaft für seinen Stil dieser Zeit. Im Gegensatz zu den früher oft sparsamer besetzten Werken nutzt er hier den gesamten Apparat des großen romantischen Orchesters, erweitert durch einige Extras wie Vibraphon, Marimba, Glockenspiel, Klavier & E-Piano, und sogar einen kleinen Auftritt der Windmaschine (bekannt aus Strauss' Alpensymphonie). Kongenial orchestriert wurde das Ganze wie so oft durch Arthur Morton.

Mit Hilfe dieses beachtlichen Aufgebots perfektioniert Goldsmith in "Night Crossing" einige seiner typischen kompositorischen Merkmale: Das stets präsente rhythmische Element, dem hier sogar leitmotivische Funktion zugeweisen wird, sowie eine konsequente Verarbeitung und Durchführung des reichhaltigen motivisch-thematischen Materials zur Schaffung einer organischen und in sich geschlossenen Einheit.

In diesem Zusammenhang wäre durchaus etliche Feinheiten zu entdecken. Mit Rücksicht auf den beschränkten Rahmen und die Lesbarkeit einer Rezension sei im Folgenden nur auf einige Hauptaspekte hingewiesen, um die kompositorische Qualität zu verdeutlichen.

[Die folgende Besprechung bezieht sich auf die "Limited Edition", alles Wesentliche findet sich aber auch auf der regulären VÖ]

Schon zu Beginn des Scores ("Prologue") zeigt sich das rhythmische Element in Reinkultur. Die knapp einminütige, nur mit Schlagwerk besetzte Sequenz besteht einzig aus der leise drohenden Wiederholung des prägnanten rhytmischen Hauptmotivs im ungewöhnlichen 11/8 (bzw. 3/4 + 5/8) Metrum.

Dieses den kalten DDR-Militärapparat charakterisierende rhythmische Leitmotiv zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Score.

Nahtlos folgt darauf der eigentliche "Main Title", welcher dieses Metrum durchgängig beibehält, nun jedoch angereichert mit dem vollen Einsatz des großen Orchesterapparats.

Zuerst durch die Streicher wird hier das zweite rhythmische Hauptelement eingeführt: Eine kurze Bewegung bestehend aus 16tel-Triole und

Achtelnote. Auch dieses Motiv findet sich bei Aufmerksamen hören in mannigfaltiger Variation (z.B. auch als Vergrößerung 8tel-Triole + Viertelnote, 4tel-Triole + Halbe) im gesamten Score wieder. Sogar das spätere Main-Theme entwickelt sich im Grunde aus dieser Figur.

Im "Main Title" wird die beklemmende Grundstimmung des "Prologue" durch schneidende Streicherfiguren und bedrohliche Akkordschichtungen der Bläser über dem nun laut hämmernden Grundrhythmus noch verstärkt.

Diese Atmosphäre ändert sich auch in den zwei Folgenden Nummern ("The Market", "All In Vain") nicht.

In "The Picnic" schwenkt die Musik schließlich vorübergehend in wärmere Gefilde um. Hier begegnet uns zum ersten mal das melodische Element. Goldsmith unterlegt die Szene mit einer lieblichen vom Akkordeon vorgetragenen Walzermelodie, etwa im Stil des Papillon-Themes.

Das folgende "Plans" ist wieder ein kleines Juwel der Filmmusik. Der Track unterlegt musikalisch das allmähliche Reifen des Fluchtplans. Erst hier taucht entsprechend der filmischen Handlung zum ersten mal das eigentliche Main Theme, einer von Goldsmith schönsten melodischen Einfällen, auf. Es entwickelt sich erst zaghaft, und schließlich (nach einigen Zweifelsmomenten) nehmen im weiteren Verlauf der Plan und das Thema am Ende gefestigte Formen an.

Nach "First Test" und "Too much Work" folgt schließlich das wirkungsvolle "Success". In einem großen Bogen entwickelt sich das Stück von anfänglicher Resignation über ein Wiederaufnehmen der Arbeit bis schließlich der Bau des Ballons gelingt. Höhepunkt ist der erste strahlende Ausbruch des Hauptthemas in den Bläsern in einem Tutti von geradezu "mahlerischer" Wucht. Gänsehaut garantiert!

Weiter geht es mit "First Flight", dem knapp 10-Minütigen Herzstück der CD. In einem rastlosen Auf und Ab wird der erste (letzlich misslungene) Flugversuch geschildert. In dieser kompositorischen Glanzleistung verarbeitet Goldsmith praktisch sämtliche Motive und Themen die bisher vorgestellt wurden. Nach einer kurzen Reminiszenz an das Akkordeon-Thema aus "The Picnic" erhebt sich der Ballon über wogenden Sextolen der Streicher in die Lüfte.

Das Main Theme blitzt zunächst Bruchstückhaft auf um sich nach einer atemberaubenden Steigerungssequenz schließlich in voller Pracht zu entfalten, zunächst in den Streichern, später in glänzendem Bläsersatz und schließlich umspielt von jagenden Triolen der Flöten & Celesta. Immer wieder unterbrochen wird es jedoch durch das Gefahr signalisierende 11/8 Schlagzeugmotiv.

Nachdem Probleme mit dem Fluggerät auftreten ändert sich die Stimmung schlagartig. Das Main Theme erscheint verfremdet in der Solo-Tuba, schnelle Figuren in den Bässen und Bläserattacken signalisieren Hektik. Verstärkt wir die nervöse Stimmung durch flimmernde

Klangfarben die Goldsmith aus dem Zusammenspiel von hohen Streichertremoli, Vibraphon, Klavier und Harfe gewinnt. Nach dem mißglückten Versuch verklingt das Stück mit einer klagenden Version des Hauptthemas.

In "The Car" kehrt die bedrochliche Stimmung des "Main Title" zurück.

Ein schönes emotionales Stück ist wiederum "The Patches". Das Main Theme erscheint in tröstender Weise in Oboen und Hörnern über einem ruhigen Streicherteppich.

Die folgenden Tracks ("Short Of Time", "Tomorrow We Go", "The Chemist", "No Time To Wait") verarbeiten auf dem Weg zum zweiten Fluchtversuch in abwechslungsreicher Weise das Material der vorangegangenen Stücke. Im Mittelpunkt steht dabei immer wieder der Kontrast zwischen dem "kalten" rhytmisch-militärischen Motiv und dem "warmen", die Hoffung und Freiheit symbolisierenden Main Theme.

"Final Flight" & "In The West" bilden schließlich den Höhepunkt am Ende. Von der Struktur ähnlich wie "First Flight" zieht Goldsmith hier natürlich noch einmal alle Register. Mit dem Schwung anrollender Streicherfiguren schwingt sich der Ballon zu den Klängen des Hauptthemas in die Lüfte. Die Musik signalisiert direkt, dass dieser Versuch gelingen muss.

Zum Happy End gibt es natürlich noch einmal eine Apotheose des Main Themes inklusive erhebender Modulation im Glanz des vollen Orchesters.

Ein letzter treffender Einfall zum Schluss: Nach dem bombastisch-dramatischen Ende, das eine Steigerung nicht mehr zulässt, erklingt zu den "End Credits" noch einmal der leichtfüßige Akkordeon-Walzer vom Anfang.

Letztendlich verdient dieser Score eigentlich einen Platz in der vordersten Reihe jeder Filmmusiksammlung, äußerst Schade dass er (wie der Film) etwas in der Versenkung verschwunden ist.

Goldsmith's "Night Crossing" bietet nicht nur eine komplexe, thematisch vielschichtige Komposition sondern ist auch ein perfektes, abwechslungsreiches "Höralbum", welches problemlos ohne die Bilder des Films bestehen kann. Ich würde behaupten selbst Hörern die mit Goldsmith sonst nichts Anfangen können wird diese CD gefallen, allein das atemberaubende Main Theme ist schon die Anschaffung wert.

Hinzu kommt ein unter der Leitung des Meisters orchestrale Perfektion bietendes National Philharmonic Orchestra.

Bewertung: 10 / 10

[danecos]

Eine wirklich sehr schöne Rezension. Der Score scheint es dir wirklich angetan zu haben. Habe auch schon deine Partiturauszüge gelesen.

Leider ist die CD im Moment bei Amazon nicht wirklich bezahlbar.

[Gast Christoph81]

Dankeschön, habe mich durch diese partiturarbeit in der letzten Zeit auch ausgiebigst mit dem Score beschäftigt.

Was die CD angeht, ich glaube ich hab sie vor einiger Zeit noch bei eBay für 20 Sofortkauf gesehen. Man muss halt Glück haben, wie immer...

P.S: Irgendwie ist bei mir plötzlich das Bild verschwunden. Hab ich da beim reinkopieren was falsch gemacht? Heute Nachmittag war's noch da...

[Thomas Nofz]

Christoph, der "Soundtrackcollector" erlaubt das direkte Verlinken der dortigen Bilder nicht. Bitte also zuerst das gewünschte Bild (auf deinem PC) zwischenspeichern und dann z.B. per imageshack hochladen und mit dem DORT angeführten Direkt-Link hier ins Forum stellen.

Cheers, Thomas

[Gast Christoph81]

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Hmm, also deine Anweiseungen hab ich soweit befolgt, nur wenn ich das richtig sehe kann ich meinen Beitrag jetzt nicht mehr bearbeiten... (oder bin ich nur zu blöd den button zu finden?)

[Alexander Grodzinski]

Hmm, also deine Anweiseungen hab ich soweit befolgt, nur wenn ich das richtig sehe kann ich meinen Beitrag jetzt nicht mehr bearbeiten... (oder bin ich nur zu blöd den button zu finden?)

Du kannst Beiträge nur bis zu 15 Minuten nach dem Erstellen bearbeiten. Deshalb habe ich deinen Beitrag, unter Mithilfe von Bernds Link, mal entsprechend geändert.

[BigBear]

Eine wirklich sehr schöne Rezension.

Ich schließe mich dem mal ohne viel weitere Worte an...

[Gast Christoph81]

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Danke, das ist ja mal ein Service. Beim nächsten mal versuch ich's auch richtig zu machen..

[Marcus Stöhr]

Das ist ein tolles Review, Christoph. Vielen Dank dafür.

Ich kenne die Musik nicht, doch bin ich jetzt neugierig geworden und vielleicht komme ich ja an die CD für einen vernünftigen Preis ran, damit ich dein Review nachvollziehen kann.

Danke, das ist ja mal ein Service. Beim nächsten mal versuch ich's auch richtig zu machen..

Du hast sogar die Möglichkeit die Bilder direkt hier im Forum hochzuladen. Ich hatte dazu mal ein kleines Tutorial geschrieben, welches du hier finden kannst.